Techart Porsche 911 Turbo S (2022): Fahrbericht, Tuning, 992, Preis
710 PS im Techart Porsche 911 Turbo S ziehen die Haut vom Gesicht
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Tuner Techart hat für Porsches Allzweckwaffe 911 Turbo S eine "kleine" Leistungsstufe entwickelt. Die resultierenden Fahrleistungen machen sprachlos und ein bisschen Angst.
Bild: Christian Goes / AUTO BILD
Porsche-PS zählen doppelt. Wer schon einmal erleben durfte, was für ein Spektakel ein 911 Turbo S mit seinen 650 PS abzieht, wird diese Stammtischweisheit bestätigen. Tuner Techart sah dennoch Optimierungspotenzial und hat neben Carbon-Bodykit und weiteren Tuningteilen verschiedene Leistungsstufen für die 992er Generation entwickelt. Möglich sind in Deutschland aktuell bis zu 785 PS. Die neueste mit 710 PS markiert bei Techart jetzt den Einstieg in die Turbo-S-Tuningwelt, hat mit Worten wie "Basis" oder "Verzicht" aber so rein gar nichts zu tun. Wir sind den getunten 911er in heimischen Leonberger Gefilden gefahren! (So fährt der Techart Porsche 911 GT3 Touring.)
Carbon und blaue Zierteile en masse
Vor dem Losfahren aber ein kurzer Rundgang ums Auto. Techart veredelt den Turbo S mit einem kompletten Carbon-Bodykit, bestehend aus Front- und Heckschürze, Seitenschwellern, Fronthaube, Spiegelkappen, Heckflügel und Blenden für die hinteren Lufteinlässe in den Kotflügeln. In den Radhäusern drehen sich hauseigene Formula-VI-Leichtmetallfelgen im Mischformat 20/21 Zoll. Je nach Gusto lassen sich an Felgen und Bodykit Zierstreifen in allen möglichen Farben anbringen. Unser Testwagen trug Miami-blaues Make-up, das hervorragend zum Carbon und grauen Lack passt.

Die Seriensitze wurden um blaue Stoff-Mittelbahnen erweitert. Blau ziert auch die Zwölf-Uhr-Markierung am Lenkrad.
Bild: AUTO BILD // Moritz Doka
Im Innenraum warten Überrollbügel mit Kreuzstrebe, neu gegossenes Sportlenkrad mit blauen Akzenten sowie Porsches Carbon-Schalensitze. Letztere hat Techart um blau karierte Sitzflächen erweitert.
Die Beschleunigung ist außerirdisch
Auf Schlüsseldreh erwacht der 3,7-Liter-Biturbo-Boxer, wir rollen vom Hof. Im Normal-Modus fährt sich der Techart im Prinzip wie jeder andere Turbo S auch. Sanfte Gasannahme, gut dosierbare Keramikbremse und der mit geschlossenen Klappen zurückhaltende Sportauspuff machen Dahinrollen durch Ortschaften ein Leichtes.

Das eh schon ausladende 992-Heck wird durch die Anbauteile noch einmal deutlich bulliger. Techart- statt Porsche-Schriftzug.
Bild: Christian Goes / AUTO BILD
Aber wehe, man dreht den Fahrmodusschalter auf Sport. Dann gibt das für die Mehrleistung verantwortliche Zusatzsteuergerät die Zusätzlichen 60 PS frei, statt 800 liegen 900 Nm Drehmoment an. 2,6 statt 2,7 Sekunden gibt Techart von 0 auf 100 km/h an, 8,1 statt 8,9 auf 200 km/h. Fahren tut sich das jedoch tausendmal spektakulärer, als es sich liest. Wie sich der Allrad bei Kickdown in den Asphalt verkrallt und dieses Teil nach vorne Springt, ist schlicht nicht von dieser Welt. Der Motor hängt extrem direkt am Gas, wie ein ständig unter voller Spannung gedehntes Gummiband, das beim geringsten Pedalbefehl losgelassen wird. Untermalt von Auspufffauchen und Wastegatezwitschern schießt dich dieser Porsche von Kurve zu Kurve.
Der Techart Turbo S gehört auf die Autobahn
Für die Landstraße ist das fast schon zu viel. Klar, Lenkung und Fahrwerk sind ein Gedicht. Aber im Prinzip gehört das Ding auf die Autobahn. Gesagt, getan. Abbiegen auf die A8 Richtung Karlsruhe, kein Tempolimit, go. Erneut nagelt es uns den Schädel an die Kopfstütze, die Gesichtshaut bekommt ein Lifting. Zwischenspurts in höheren Gängen sind ohnehin ein Leichtes. Und noch etwas fällt auf: wie sauber und beherrschbar die Zusatzleistung dargereicht wird. Kein tiefes Turboloch gefolgt vom heftigen Tritt, sondern Dauerdruck in allen Lagen. Top!

Lackierung und Zierstreifen lassen sich bei Techart nach Wunsch aufeinander abstimmen. Haubenverschlüsse nur am Testwagen.
Bild: Christian Goes / AUTO BILD
Fahrwerk und Lenkung sind super austariert, lassen das Auto auch bei hohen Tempi stabil auf der Bahn liegen. Die Bremse ist auch nach mehreren harten Verzögerungen nicht kleinzukriegen. Der Techart Turbo S ist der König der Autobahn, eingebremst nur vom Verbrauch. Tankstopps alle 250 Kilometer sollte einplanen, wer dem Biest ständig die Sporen gibt.
Preis von rund 300.000 Euro
Auf der Rückfahrt schalten wir noch einmal in den Normal-Modus. Das Fahrwerk dämpft verbindlich, der Auspuff hält sich zurück, der Verbrauch sinkt merklich. Alltag? Kein Problem. Nur günstig kann der Turbo S nicht. Bei Markteinführung noch bei knapp 217.000 Euro gestartet, sind heute schon mindestens 231.183 Euro anzulegen. Fürs Tuningpaket verlangt Techart noch einmal rund 70.000 Euro inklusive Einbau und TÜV-Abnahme. In Anbetracht von gebotener Leistung, Teilequalität und Entwicklungsaufwand ist der Aufpreis aber gerechtfertigt. Denn günstig war Porschefahren noch nie. Auch der Preis zählt bei dieser Marke eben doppelt. (Zu Besuch in der Techart-Manufaktur.)
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