Darf es etwas mehr sein? Die Gier nach Größe hat auch unsere Autos erfasst. Mit Audi Q7 und Mercedes GL treffen die Gelände-Giganten der Nation aufeinander.
Werksangaben und Testwerte
"Na, wie heißt das Zauberwort?" Eltern, die ihren Kindern so ein "Bitte" abnötigen wollen, werden wohl umdenken müssen. Denn das Zauberwort des 21. Jahrhunderts wird weder "bitte" noch "danke" oder irgendeine andere Höflichkeit sein. Das Wort, bei dem Augen leuchten und Familien aufatmen, heißt heutzutage "Mehr". Mehr Freizeit, mehr Wohlstand, mehr Mehr – wer will das nicht? Ein Trend, an dem natürlich auch die Automobilindustrie verdienen möchte. Motto: Mehr Auto für mehr Gewinn.
Als Musterknaben dieser Mehrwert-Strategie treten Audi Q7 und Mercedes GL bei uns zum Mehr-Kampf an. Und damit dieses Mehr an Auto nicht zu einem XXL-Loch in der Haushaltskasse führt, fahren beide mit einem sparsamen Dreiliter-Diesel unter der Haube vor. Beim Mercedes GL 320 CDI mobilisiert das Common-Rail-Triebwerk 224 PS,
die zunächst durch ihre sanfte Art auf- und gefallen. Eine Extraportion Dämm-Material lässt den Selbstzünder kaum noch als solchen hörbar erkennen. Nur in ganz aufgeregten und angestrengten Betriebszuständen schleicht sich ein feines Knurren ans geneigte Fahrer-Ohr. Die 233 PS des Audi lassen dagegen kaum einen Zweifel daran, dass der Diesel seine Karriere einst als robustes Arbeitstier begann. Nicht, dass es im Q7 3.0 TDI wirklich laut zuginge – gerade beim Beschleunigen oder nach dem morgendlichen Kaltstart muten die Herrn der Ringe unseren Trommelfellen aber doch eher rustikale Verbrennungsgeräusche zu. Als Entschädigung gibt es allerdings Fahrleistungen, die eigentlich nicht zu diesem 2,4-Tonnen-Schiff der Fünf-Meter-Klasse passen wollen. Lebendig, lustvoll, leidenschaftlich – so überfällt der Common-Rail-Diesel die vier 18-Zoll-Räder und schubst den Q7 mit spielerischer Leichtigkeit vor den GL. Dabei hängt der den Sternträger nicht nur im Sprint ab, sondern schnappt sich auch bei Ansprechverhalten, Drehfreude und Höchstgeschwindigkeit frech die Krone. Ist der 320 CDI in der GL-Klasse also ein Schwächling? Keinerswegs, nur eben viel gelassener und ruhiger als der ambitionierte TDI. Der GL 320 CDI schiebt sehr gleichmäßig an, entwickelt in allen Drehzahlbereichen ausreichend Kraft und bringt uns schwungvoll in Fahrt. Knapp elf Sekunden bis Tempo 100 können sich angesichts von 2,7 Tonnen Leergewicht absolut sehen lassen, und 210 km/h Spitze reichen diesem Trumm durchaus zur Ehre.
Ja, der Weg bis zur Höchstgeschwindigkeit ist ein langer – doch wer rast mit so einem Geländebullen schon in Schumi-Manier durchs Land? Da freuen wir uns doch lieber über den siebten Gang, der Drehzahl und Durst senkt, sowie über die spontanen Reaktionen der Automatik beim Kick-down. Hier könnte der Audi, dessen Sechsstufen-Automatik ansonsten ebenfalls verdammt nah an der Perfektion arbeitet, noch etwas lernen.
Preise und Ausstattungen
Das GL-Getriebe hätte sich jedenfalls einen Oscar verdient, wären da nicht die leichten Schaltrucke im Stop-and-go-Betrieb. Den überragenden Komfort-Eindruck schmälert das jedoch nicht. Auf den serienmäßigen Luftpolstern gleitet der GL so entspannt und gemütlich über unsere Straßen, als wären Schlaglöcher und Spurrillen Fremdworte. Kaum ein Zittern, geschweige denn ernsthafte Schläge dringen bis zu den auf bequemen Polstern gebetteten Insassen vor. Mit dieser Luxusfederung schwebt der GL außerdem entspannt über Stock und Stein. Ein Dreh in der Mittelkonsole genügt, schon erhöht sich die Bodenfreiheit von 19,7 auf bis zu 30,7 Zentimeter. Gewaltig. Und zusammen mit Geländeuntersetzung, Bergabfahrhilfe sowie Differenzialsperre hinten und mittig ein Garant für gigantische Geländefähigkeiten. Limitierende Faktoren für den GL sind vor allem die Größe des Aufbaus – und fehlender Mut des Fahrers.
Der Audi passt schon früher, ohne aber zu versagen. Die mit 2510 Euro extra zu bezahlende Luftfederung bringt ihm imerhin bis zu 24 Zentimeter Bodenfreiheit. Auch wenn eine Geländeuntersetzung fehlt, verschaffen das selbstsperrende Mittendifferenzial des quattro-Antriebs und der elektronische Bremseneingriff an allen vier Rädern dem Q7 mehr als ausreichendes Kletterkönnen. Wie beim GL dürfte aber auch der Audi selten zu echten Querfeldein-Abenteuern missbraucht werden. Da nutzen die Eigner schon eher die in beiden Fällen stattliche Anhängelast von 3,5 Tonnen.
Was dem Ingolstädter fehlt, ist der Feinschliff beim Komfort. Die Luftfederung ist viel zu straff abgestimmt und schafft es selbst in der Soft-Position nicht, wellige Pisten zu schlucken. So lässt uns der Q7 schlechte Straßen stets deutlich spüren. Damit hat ihm Audi unnötig viel Sportlichkeit in die Wiege gelegt. Ein übertriebener Ehrgeiz, der sich auch bei der beinahe schon zu direkten und deshalb nervös reagierenden Lenkung zeigt. Auch wenn der Ring-Riese sich damit spürbar handlicher und agiler fährt als die GL-Klasse, wäre weniger an dieser Stelle mehr gewesen. Der etwas behäbige und gemütliche GL hinterlässt jedenfalls den souveräneren Eindruck, erlaubt dank feiner Lenkung und sicherer Straßenlage aber auch mal eine etwas forschere Fahrweise. Und wer unbedingt neue Rekordzeiten auf der Nürburgring-Nordschleife aufstellen will, der nimmt ohnehin lieber einen Sportwagen.
Viel besser eignen sich die beiden Gelände-Giganten zum stilvollen Transport von Mensch und Material. Audi und Mercedes bieten üppige Platzverhältnisse, auf Wunsch auch für sieben Personen auf drei Reihen, und gewaltige Gepäckabteile. Dazu kommen ebenso feine wie funktionale Innenräume, die eigentlich eher zu einer Luxuslimousine passen als zu einem Offroader.
Leider schlägt sich dieser Premium-Anspruch aber auch deutlich in den Preisen nieder. Der gut ausgestattete Audi Q7 3.0 TDI zerrt mit Luftfederung mal eben 51.410 Euro vom Konto, mit geringfügig mehr Ausstattung an Bord werden beim Mercedes GL 320 CDI sogar 63.684 Euro fällig. Ein XXL-Brocken, zu dem wir nur noch eine Frage haben: Könnten wir das Mehr bei den Preisen etwas eindämmen – bitte?!
Fazit, Wertung, Ihre Meinung
Fazit von AUTO BILD-Testredakteur Gerald Czajka In den Kapiteln Karosserie und Antrieb liegt der Mercedes GL 320 CDI vor dem Audi Q7 3.0 TDI – und das, obwohl er die klar schlechteren Fahrleistungen liefert. Der GL erweist sich als das stimmigere Auto. Komfort, Laufruhe, Platz – hier passt eigentlich alles zusammen. Über den Preis verliert der Mercedes am Ende dennoch. Der unangemessen sportliche Audi mit seinem spritzigen, aber rauen TDI kann vorbeiziehen. Schade, vielleicht sollte sich Mercedes künftig das Offroad-Paket (2030 Euro) sparen. Das nutzen eh nur wenige.
Design nach Noten – das sagen die Experten
Prof. Othmar Wickenheiser, Design-Professor in München Der GL ist eine gelungene Synthese aus "Kultkasten" G-Modell und dem "Lifestyleobjekt" M-Klasse. Seine kantige Silhouette passt ins Gelände, die keilförmige Schulter zur Vorwärtsdynamik auf Asphalt – als Crossovermodell in beiden Welten weder zu hölzern noch zu vernudelt. Legitime Anleihen aus S- und SL-Formenschatz bilden im Gesicht allerdings zu viele gleichwertige Elemente. Diese Stil-Melange wird dem hohen Markenanspruch nicht gerecht. So nutzt Audi auch beim Q7 die Lücke und zitiert mit großem Grill die ehemalige Mercedesdomäne. Abfallende Coupé- und aufsteigende Schwellerlinie ergeben eine leichte Tropfenform. Die Karosserie ist moderat keilig aufgestellt und wirkt viel schlanker. Bis auf mächtige Radlippen erinnert die feminine Formensprache an die Aero-Weltmeister und outet das elegante Q7-Design klar als Geländemogelpackung. Tolles Design, aber Offroadthema verfehlt. Noten: Mercedes 2, Audi 3-
Hans-Ulrich von Mende, Architekt und Design-Experte Wucht trifft Eleganz. Der GL hat Familie und will in den USA Fuß fassen. Sein Design zitiert alte S-Klasse-Lichter, seine Flanke leiht sich die Scheuerleisten vom verblichenen W 140. Der Stern wird von Chromstangen verteidigt, der Benz-Grill trägt Maschendraht. Hinten sieht der GL aus wie ein OpelZafira. Der Q7, auf weltweites Gefallen gepolt, schafft spielend die Einordnung ins Audi- Design. Vom A6 erbt er den ansteigenden Schweller, die vier Ringe sitzen wie bei allen Audi korrekt. Seine Hecktür umschmeichelt das ganze Q7-Ende. Das GL-Design ist da schön, wo es keiner sieht: innen. Der Q7 ist gleich gut, aber warum tränenäugige Uhren wie beim A6? Der GL schafft Gelände spielend, der Q7 spielt nur im Gelände. Der Q7 ist schön und 100 Prozent Audi; der GL ist hübsch, aber ein weichgespülter Gelände-G. Schön hält länger. Noten: Mercedes 3, Audi 2