Man könnte ja ... Man könnte einfach rein ins Gelände, sich durch Schlamm und Matsch wühlen, bis die Kinder hinten juchzen über ihren coolen, wagemutigen Papa. Könnte man wirklich? Die Wahrheit lautet: Das macht niemand mit den schicken Allradautos, die immer mehr in Mode kommen. Deren wahrer Lebensraum liegt irgendwo zwischen Biergärten und Boutiquen, Schulen und Sportstudios. Warum also protzt der neue Freelander damit, der beste Offroader in dieser Softi-Liga zu sein? Weil die Briten etwas Besonderes bauen wollen: herzhaft, aber edel. Quasi ein SUV nach Reinheitsgebot – und eine urwüchsige Alternative zum X3. Dreck lass nach: Macht jetzt der frische Brite dem BMW wirklich das Terrain streitig?

Die Haube taugt als Büfett für eine ganze Jagdgesellschaft

Wenn der Freelander so dasteht, wirkt er gleich ein halbes Stockwerk höher als der X3. Seine breite Haube könnte als Büfett für eine ganze Jagdgesellschaft herhalten. Das Auto scheint in sich zu ruhen wie ein Fels. Daneben wirkt der X3 wie ein Hänfling – obwohl er sieben Zentimeter länger ist. In den BMW steigt man ein, in den Freelander hinauf. Die Passagiere sitzen deutlich höher und genießen auf den breiten Sitzen ein Erfolgsgeheimnis der SUV: die "command position". Auf Deutsch und sehr frei übersetzt: Hier oben bin ich König! Der Freelander bietet zwar die bessere Aussicht, aber bis auf die Breite nicht mehr Platz als der BMW. Das muss angesichts seiner Ausmaße schon enttäuschen. Aber auch der Land Rover ist kaum etwas anderes als ein hochgelegter Kombi, und an manchen Ecken sogar ein unpraktischer. Ständig die Sprudelkisten über eine 81 Zentimeter hohe Ladekante wuchten zu müssen, ist kein Spaß.

Fahrmaschine unter den SUV: Der X3 ist hart gefedert, 200 km/h schnell.
Im BMW ist es vor allem die straffe Federung, die für Rückenschmerzen sorgt. Auf schlechten Straßen reicht sie jede Kante an die Passagiere weiter. Der X3 ist halt die Fahrmaschine unter den SUV – ein Auto, das auf glattem Asphalt zum zackigen Fahren verführt und auf der Autobahn laut Tacho 200 rennt. Dazu passt die Schaltung mit ihren kurzen Wegen und die präzise Lenkung des BMW. Nervig ist aber das ausgeprägte Turboloch beim Anfahren. Das sollte der neue Zweiliter, der Ende 2007 mit 177 PS kommt, wirklich besser können. Alles schön und gut, aber wer fährt denn ein SUV in Nick-Heidfeld-Manier? Und wer biegt mit den 40.000-Euro-Preziosen ins Gelände ab? Kaum jemand. Und deshalb handeln wir die Offroad-Talente der beiden kurz und bündig ab. Wenn’s hart würde, käme der Freelander mit höherer Bodenfreiheit und größeren Böschungswinkeln etwas weiter als der BMW – aber lange nicht so weit, wie der Name Land Rover suggeriert.

Der Freelander – eine Art fahrendes Himmelbett

Der 2,2-Liter-Diesel des Freelander stammt aus der Peugeot-Kooperation.
Im Alltag geht es doch eher darum, Ausblick und Komfort dieser gelassenen Riesen zu genießen. Und da hat Land Rover ein schönes Paket geschnürt. Mit dem Besten, was das konzernweite Regal von Mutter Ford hergibt: einen wohl erzogenen und ausreichend sparsamen 2,2-Liter-Diesel aus der Kooperation mit Peugeot. Dazu eine feine, fahraktive Lenkung, die ähnlich bei Ford und Volvo eingesetzt wird. Und schließlich einen Segen von gut abgestimmter Federung. Wie angenehm: Endlich mal kein harter Prügel, kein verkappter Sportler, sondern eine Art fahrendes Himmelbett, das sanft und straff zugleich verwöhnt. Danke, Land Rover! Andererseits sind die langen Federwege von Nachteil, wenn sich der voll beladene Freelander beim plötzlichen Ausweichen stark neigt. Dann greifen ESP und die neue Wankneigungskontrolle zwar leicht verzögert, aber rigoros ein.

Manko Bremse: Der Freelander steht erst nach 40,5 Metern.
Allerdings sollten die Bremsen unbedingt besser mitspielen. Der Freelander steht erst nach 40,5 Metern, der BMW braucht im Test drei Meter weniger. Da hat Ford doch bestimmt Bissigeres im Lager! Schließlich haben die Briten bei der Ausstattung ja auch nicht gespart. Premium wollen sie bieten – und packen ihren kleinen Landy voll mit serienmäßigen Goodies. Der Knieairbag und Fensterairbags hinten gehören in der SE-Version für 37.500 Euro ebenso zur Ausstattung wie die Zwei-Zonen-Klimaautomatik, Stoff-Leder-Sitze, elektrisch verstellbarer Fahrersitz, Regensensor, Einparkhilfe oder elektrisch anklappende Außenspiegel. Die 18-Zoll-Räder, die auf dem Testwagen montiert waren, kosten als Extra faire 610 Euro. Bei BMW verlangen sie 1800 Euro dafür. Solche Aufpreise machen den X3 am Ende teuer. Die Käufer stört es nicht, sie stecken beim kleinen Diesel im Schnitt weitere 4000 Euro in Extras. Gut möglich, dass der Freelander solche Kunden künftig zum Nachrechnen bringt.

Fazit von AUTO BILD-Redakteur Joachim Staat

Schluss mit den Werbesprüchen: Wo Land Rover draufsteht, steckt heute jede Menge Luxus drin. Der neue Freelander ist kein Klettermaxe mehr, sondern ein komfortbetontes, gut ausgestattetes SUV der Premium-Liga. Fords Großserien-Technik bringt spürbar mehr Qualität als beim Vorgänger und verbessert die Kalkulation: Was die Briten für diesen Preis an Luxus reinstecken, ist eine deutliche Kampfansage. Der X3 bleibt der dynamische Maßstab der Klasse und siegt im Vergleich – aber es wird eng. Mir hat der Freelander sehr gefallen. Nur die Bremse muss besser werden!

Von

Joachim Staat