Mehr Auto für weniger Kohle bietet keiner: Nach dem Dacia Logan kommt der Lada Kalina für weniger als 8000 Euro zu uns. Sind die beiden ihr Geld wert?
Daten, Kosten und Testwerte im Überblick
Die Russen geben Gas. Bei Schalke 04 steigt Erdgas-Multi Gazprom mit vielen Millionen Euro als Hauptsponsor ein, und Lada baut ein neues Modell. Das kommt ungefähr so oft vor wie ein sibirischer Winter ohne Frost, aber es stimmt tatsächlich. Mit dem 1118 Kalina nehmen die Russen einen neuen Anlauf in Deutschland, wo sie quasi nicht mehr existent sind. Von Januar bis September 2006 wurden lediglich 156 Lada vom Typ 110/111/112 zugelassen – der exotische Geländewagen Niva brachte es immerhin auf 848 Exemplare.
Wer allerdings denkt, Lada gehe es schlecht, täuscht sich gewaltig. 2005 wurden über 820.000 Autos gebaut. Die meisten blieben im eigenen Lande, denn in Russland sind die preiswerten Lada nach wie vor heiß begehrt. Der Preis ist es auch, der den Kalina für uns interessant macht. Für gerade mal 7990 Euro gibt es eine Menge Auto. Das viertürige Stufenheckmodell kommt mit zwei Airbags, Servolenkung, Zentralverriegelung und elektrischen Fensterhebern. Aber ohne ABS oder ESP.
Mit seinem Kampfpreis ist der Lada genau der richtige Gegner für den Dacia Logan aus Rumänien. Der verkauft sich bei uns recht gut. 4250-mal wurde er in diesem Jahr bereits zugelassen. Der Basis-Logan kostet 7200 Euro – mit vier Türen, Stufenheck, Frontantrieb, zwei
Airbags. Servolenkung, elektrische Fensterheber und Zentralverriegelung sind für die Basis nicht lieferbar, dafür gibt es ein ABS serienmäßig, aber ebenfalls kein ESP.
Der Name Kalina (russische Beerenart, dt. "Schneeball") klingt so ähnlich wie das fröhliche russische Volkslied "Kalinka", das Auto sieht jedoch wenig übermütig aus. Manche wollen in den rundlichen Formen einen frühen OpelCorsa Stufenheck erkennen, andere einen Seat Cordoba. Egal, wir wollen hier nicht über die Geschmäcker streiten. Das gilt auch für den kantigen Dacia. Der Vorteil seiner eckigen Form: Er bietet noch mehr Platz als der geräumige Lada. Vorn geht es im Kalina noch luftig zu, hinten ist der Logan größer. Hier sind auch Leute über 1,85 Meter anständig untergebracht, die sich im Kalina mehr zusammenfalten müssen. Wirklich bequem sitzt man in beiden Autos jedoch nicht, dazu sind die Sitze zu dünn gepolstert und bieten zu wenig Seitenhalt. Im Lada sind vorn und hinten die Auflagen zu kurz, und es gibt – und das ist selbst bei diesem Preis nicht zu entschuldigen – im Fond keine Kopfstützen. Unbedingt nachbessern!
Genie und Wahnsinn: Die Verarbeitung des Lada erstaunt
Verblüfft waren wir von der Verarbeitung des Russen. Einerseits muffelte es im Cockpit wie im Labor des Chemiekombinats Roter Oktober, wackelten Schalter und waren Verkleidungen notdürftig eingepasst, andererseits war der Motorraum blitzsauber aufgeräumt und aufwendig gekapselt. Der Kofferraum ist halbwegs sauber mit Textilbelag ausgeschlagen, während im Dacia nur nacktes Blech und scharfe Kanten aufs Gepäck lauern. Beim Rumänen ist das Qualitätsniveau konstant mittelmäßig. Schön sind die Kunststoffe bestimmt nicht, aber ordentlich verbaut.
Fazit und Wertung
Der Basis-Logan hat einen 1,4-Liter-Vierzylinder mit 75 PS unter der Haube, der in diesem Vergleich die bessere Wahl ist. Er läuft ruhiger, leiser und drehfreudiger als der 1,6-Liter im Lada. Der fährt mit seinen 81 PS dem Dacia beim Sprint hinterher, zieht aber vor allem im fünften Gang viel kräftiger durch. Ab 3500 Touren brummt der Zweiventiler aber mürrisch wie ein hungriger Bär, dreht zäh und unwillig. Schon das ist nicht Stand der Technik, das Fahrwerk aber noch viel weniger.
Der Lada schlingert und torkelt um die Kurven, als hätte er zu viel Wodka getankt. Die Servolenkung arbeitet erschreckend indirekt, die Lenkräder jeder Spielekonsole vermitteln deutlich mehr Fahrbahnkontakt. Kriminell wird es beim Bremsen: Der Kalina steht aus Tempo 100 erst nach 59,4 Metern! Das ist automobile Steinzeit und lebensgefährlich. Nicht nur für die Insassen, auch für andere Verkehrsteilnehmer. Rote Karte für den Kalina. So gehört der Lada nicht auf unsere Straßen – sondern schnellstens zurück ins Werk.
Beim Bremsen bekleckert sich auch der Dacia nicht mit Ruhm, steht erst nach 41,4 Metern. Insgesamt fährt er sich aber eine ganze Klasse besser als der Lada. Behäbig und nicht besonders handlich, aber friedlich. Am Logan stört vor allem die schwergängige Lenkung ohne Servo – solche kräftezehrende Maloche sind wir hier im Westen nicht mehr gewöhnt.
Fazit von AUTO BILD-Testredakteur Dirk Branke
Der Lada ist auf den ersten Blick nicht unsympathisch: durchaus ansehnlich und geräumig. Er verscherzt sich aber alle Freundschaft durch Steinzeit-Bremsen und abenteuerliches Fahrverhalten. Klipp und klar: Ein Bremsweg von fast 60 Metern aus Tempo 100 ist kein Kavaliersdelikt, sondern lebensgefährlich. Wo der Dacia nach 41 Metern bereits steht, würde der Lada noch mit 55 km/h in ein Stauende rasen. Die Folgen wären verheerend. Hier gibt es also nur die Forderung: Sofort stärkere Bremsen und ABS einbauen oder das Auto vom Markt nehmen!