Sympathisch, praktisch, gut – mit dem Jazz traf Honda bislang den richtigen Ton bei Deutschlands Autofahrern. Und nach rund 93.000 verkauften Exemplaren startet jetzt die zweite Generation der japanischen A-Klasse. Auf den ersten Blick ist der neue Jazz ganz der Alte, obwohl er jetzt 3,90 Meter misst (plus 5,5 Zentimeter) und auch in der Breite zugelegt hat (plus zwei Zentimeter). Er schaut noch genauso treuherzig-freundlich in die Welt und setzt sich erneut auf einen Stuhl irgendwo zwischen Kleinwagen und Mini-Van. Markantere Sicken, gestraffte Linien und die flache, weiter vorn beginnende Frontscheibe verleihen dem Jazz aber einen dynamischeren Auftritt. Auch innen hat der japanische Raumgleiter jetzt mehr zu bieten. Noch mehr.

Das ist kein Jazz, das ist eher schon Breakdance

Das Platzgefühl ist gigantisch, wirkt luftig wie ein Konzertsaal. Kein Vergleich zur eher intimen Klubatmosphäre, die in den meisten Kleinwagen herrscht. Vor allem hinten bietet der Jazz eine Beinfreiheit, die an die Mittelklasse reicht. Das beim 1.4 Exclusive serienmäßige Glasdach schränkt jedoch die Kopffreiheit auf der Rückbank spürbar ein. Sitzriesen fühlen sich ohnehin hinterm Lenkrad wohler, weil die jetzt in zwei Ebenen verstellbare Lenksäule allen Staturen eine entspannte Position ermöglicht. Nach wie vor genial ist die Variabilität im Fond. Einfach Sitzfläche hochklappen, schon passen Gegenstände bis 1,28 Meter Höhe in den Rückraum. Oder die Bank mit einem Handgriff zur ebenen, bis zu 1,51 Meter langen Ladefläche umlegen – willkommen im Jazz-Motel! Dank versenkbarer Kopfstützen ist zum Umlegen selbst bei zurückgefahrenen Vordersitzen nur noch ein Handgriff nötig. In diesem Punkt ist und bleibt der Jazz einzigartig. Zusätzliche Variationsmöglichkeiten bietet der flexible Ladeboden des auf 428 Liter Minimalvolumen gewachsenen Kofferraums.
Honda Jazz 1.4 Exclusive
Fortschritt: Der neue 1,4-Liter mit 100 PS ist laufruhiger als der dröhnende Vorgänger.
Nicht so anpassungsfähig arbeiten die Federelemente. Im Vergleich zum Vorgänger fällt der Komfort zwar besser aus, die modifizierten Radaufhängungen kommen aber trotz des längeren Radstands (plus 45 mm) sowie der breiteren Spur auf flott gefahrenen Holperstrecken öfter aus dem Takt. Gröbere Stöße bringen den Honda ins Stolpern, rasch folgende Wellen lassen die Karosserie schaukeln und wanken. Das ist kein Jazz, das ist eher schon Breakdance. Das serienmäßige ESP hat freilich alles im Griff. Weshalb das grundsätzlich gutmütige Fahrverhalten selbst bei verschärftem Tempo weniger leidet als der Fahrspaß. Denn beim sportlichen Kurven-Swing zeigt auch die leichtgängige elektrische Servolenkung Schwächen. Ganz so gefühllos wie beim Vorgänger arbeitet sie zwar nicht mehr, Präzision und Rückmeldung erreichen aber nicht das Niveau vieler Konkurrenten. Kleiner Trost: Im Stadtverkehr fallen diese Eigenheiten kaum auf. Zudem ist im Ernstfall auf die kräftig zupackenden Bremsen Verlass.

Der Jazz trifft den richtigen Ton

Mehr Spaß bereitet der neue 1,4-Liter mit 100 PS. Sprintvermögen und Laufruhe sind wesentlich besser als beim 17 PS schwächeren Motor des alten Jazz. Lästiges Dröhnen ist kein Thema mehr. Soll es flott vorangehen, muss der bei niedrigen Touren verhalten antretende Vierventiler fleißig gedreht und geschaltet werden. Dennoch fällt der Testverbrauch mit durchschnittlich 6,5 Litern günstig aus. Was man vom Preis nicht behaupten kann. 18.850 Euro sind selbst in Anbetracht der umfangreichen Exclusive-Ausstattung happig (1.2 mit 90 PS ab 12.550 Euro). Da stören dann das Hartplastik-Cockpit, die labil befestigte Mittelkonsole oder die zusammengebrutzelten Scheibenrahmen an den Türen umso mehr.
Insgesamt aber trifft Honda auch mit dem neuen Jazz wieder den richtigen Ton. Er ist sympathisch, praktisch und – trotz kleiner Schwächen – gut. Ob er das Zeug zum Hit hat, muss der erste Vergleichstest klären.

Fazit von AUTO BILD-Redakteur Uli Holzwarth

Auch beim neuen Jazz spielt die Musik im riesigen Rückraum. Das geniale Falt- und Klappsystem der hinteren Sitzbank ist noch vielseitiger geworden, die Transportmöglichkeiten ein zigartig. Bei Fahrverhalten und Komfort müssen die Entwickler aber noch mal ran, das können einige Konkurrenten besser. Zudem passt die in Details luschige Verarbeitung nicht zum hohen Preis.

Die Wertungen

Karosserie Üppiges Platzangebot vorn wie hinten, dazu ein ausgesprochen luftiges Raumgefühl. Bequeme Sitzposition mit herausragen - der Beinfreiheit im Fond. Sehr flexibles Interieur, großer Stauraum (428–1398 Liter). Gute Rundumsicht, aber stark abfallende Motorhaube. Verarbeitung gut, hässliche Schweißnähte an den Türen.

Antrieb Spritziger und laufruhiger Motor mit Sparpotenzial bei leichtem Gasfuß. Wenig Durchzugskraft bei niedrigen Drehzahlen. Das Getriebe schaltet sich exakt, aber etwas knöchern.

Komfort Trotz Fortschritten im Vergleich zum Vorgänger federt der Jazz auf Unebenheiten rustikal. Bei zügiger Fahrweise wirkt er nervös, die Karosserie wankt. Hier zollt der Jazz der sehr hohen Zuladung von bis zu 453 Kilogramm Tribut, die straffe Federn mit ausreichend Reserven erfordert.

Fahrverhalten Mit serienmäßigem ESP grundsätzlich sicher und problemlos, auch mit Beladung. Leichtgängige Lenkung vermittelt wenig Gefühl. Starke Seitenneigung in schnellen Kurven, Agilität und Präzision des Fahrwerks nicht optimal.

Kosten
Hohes Preisniveau. Drei Jahre Garantie. Anti-Rost-Garantie. Karosserie (zwölf Jahre), Auspuff (fünf Jahre), Bremsleitungen, Achsteile (zehn Jahre). Minus: nur drei Jahre Mobilitätsgarantie.

Wichtige Konkurrenten

Mercedes A-Klasse Konzeptionell kommt der hochbauende Mercedes dem Jazz sehr nahe. Vorn wie hinten gibt es viel Platz, der Kofferraum ist nur wenig kleiner. Beim Antrieb unterliegt die A-Klasse zwar dem Jazz, fährt aber komfortabler.

Skoda Fabia Der Skoda Fabia ist ein konventioneller Kleinwagen mit ordentlichen Platzverhältnissen und einem agilen Fahrwerk, bei dem der Komfort nicht zu kurz kommt. In Sachen Variabilität kann er mit dem Jazz nicht konkurrieren.

Toyota Yaris Obwohl der Toyota Yaris 15 Zentimeter kürzer ist als der Honda, überrascht er mit einem flexiblen Raumkonzept: Die Rückbank lässt sich verschieben oder komplett flachlegen (ab "Sol"). Er ist fast so flink wie der Jazz, federt jedoch besser.

Von

Uli Holzwarth