Test KTM X-Bow gegen 911 Turbo
Halbe Portion

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"Dich mach' ich ordentlich nass" – mit dieser forschen Ansage fordert Ultraleicht-Spaßsportler KTM X-Bow den doppelt so starken und doppelt so schweren Porsche 911 Turbo. Duell auf der Nordschleife.
8.30 Uhr früh an der Nordschleife. Strahlender Sonnenschein, aber fast eisige Herbsttemperaturen. Wir haben eine Stunde Zeit, um Porsche Turbo und KTM X-Bow zur Ermittlung von Rundenzeiten über die Nordschleife zu jagen. Eine erste Informationsrunde zum Zustand der Strecke gibt Gewissheit: "Schnelle Runden können wir vorerst vergessen", sagt Rennfahrer Wolfgang Kaufmann. Überall dort, wo die Sonne nicht direkt hinkommt, ist die Strecke noch feucht. Wir müssen warten, möglicherweise sieht es kurz vor den Touristenfahrten um 12 Uhr etwas besser aus. Und falls nicht? Wir können nur warten und hoffen. 11 Uhr, die zweite Inforunde: immer noch feucht. Glücklicherweise können wir die Grand-Prix-Strecke von 13 bis 13.45 Uhr nutzen. Hier ist es staubtrocken, doch ziehen gerade dunkle Regenwolken auf. Ein typischer Tag in der Eifel.
Deutsche Sportwagen-Ikone trifft auf österreichischen Fun-Racer
Eher untypisch ist dagegen unsere Testpaarung: ein sattsam bekannter und potenter Bolide aus deutschen Landen auf der einen Seite, auf der anderen ein Gefährt, das nicht nur hier am Nürburgring die Aufmerksamkeit der autobegeisterten Zuschauer auf sich zieht. Mit seinem irgendwie unfertig wirkenden Design und der zerklüfteten Carbon-Kunststoff-Hülle wirkt der KTM X-Bow wie ein Ding aus einer anderen Welt. Umdenken muss auch, wer sich ins Innere des ersten Autos aus der Produktion des österreichischen Motorradherstellers KTM einfädeln will: Türen zum Öffnen gibt es nicht, die Kunststoff-Schalensitze sind nicht einstellbar – zum leichteren Einstieg nimmt man das axial und in der Höhe einstellbare Lenkrad ab, die Sitzposition wird über die auf einem justierbaren Schlitten sitzende Pedalerie reguliert. Hat man die Prozedur hinter sich gebracht, fühlt man sich im X-Bow schon wegen der fehlenden Frontscheibe eher wie in einem Formelrenner als in einem herkömmlichen Auto. Neben dem Porsche Turbo erscheint das futuristische Spaßmobil wie ein – wenn auch hervorragend ausgeführtes – Selbstbau-Auto, ohne Alltagstauglichkeit, ohne schützendes Dach, ohne Heizung. Eine puristische Fahrmaschine neben einem vollwertigen Auto eben.
Der X-Bow überrascht den ungeübten Fahrer mit plötzlichem Übersteuern
Und dennoch ist ein Vergleich der beiden ungleichen Fahrzeuge naheliegend. Schließlich mobilisiert das Turbo-Aggregat des Porsche exakt doppelt so viel Leistung wie der von einem Audi-Turbo befeuerte X-Bow (480 zu 240 PS) und ist zudem exakt doppelt so schwer: 3,3 Kilogramm pro PS gilt es in beiden zu bewegen. Was ist also schneller: doppelte Leistung oder halbes Gewicht? Während wir weiter auf eine noch trocknende Nordschleife hoffen, dreht Wolfgang Kaufmann im X-Bow erste Aufwärmrunden auf der Grand-Prix-Strecke. "Sehr spaßig", lacht der FIA-GT-Fahrer nach dem Aussteigen, "das kommt einem Formel-Auto schon sehr nahe, ist aber nicht ganz ohne Tücke." Blitzartiges Übersteuern kann den ungeübten X-Bow-Fahrer leicht in Bedrängnis bringen. Während der Porsche Turbo in vollem Lauf gerade zum letzten Mal die Start- und Zielgerade nimmt, vergleichen wir die handgestoppten Werte: Gleichstand nach der Pi-mal-Daumen-Methode. Nach Auswertung der Messergebnisse die Überraschung: Mit einer 1:44,38 setzt sich der Crossbow auf der GP-Sprintstrecke vor den Porsche Turbo mit 1:45,32 Minuten. Keine allzu große Überraschung für den Rennprofi: "Auf dem kleinen Kurs mit der langsamen Mercedes-Arena und der Formel-1-Schikane bringt das geringe Gewicht des X-Bow natürlich immense Vorteile."
Und das, obwohl der Porsche Turbo mit seiner Maximalgeschwindigkeit von 231,3 km/h den X-Bow mit 201,3 km/h deutlich in die Schranken weist. Lauert hier etwa der nächste Porsche-Killer? Nordschleife hilf! Nach einer guten Stunde Touristenfahrten ist die Nordschleife zwar weitgehend trocken, doch lassen sich zwischen ambitionierten Hobbyrennfahrern auf zwei und vier Rädern und gemütlich angasenden Nordschleifen-Novizen keine vernünftigen Zeiten fahren. Wieder heißt es warten, bis die Strecke für den Touristenverkehr gesperrt ist und wir jeweils eine Runde zur Zeitennahme fahren können. Gegen 17.15 Uhr ist es so weit. Ein Unfall macht die Sperrung der Strecke erforderlich, nach der Räumung können wir drauf. Wolfgang drängt: "Die Sonne wird schwächer, es zieht schon wieder an", warnt der Nordschleifenkenner und langjährige Rekordrundenhalter. Und behält leider recht: Viele feuchte Ecken und die eintretende Dämmerung verhageln gute Zeiten.
Auf der Nordschleife hat der X-Bow keine Chance gegen den 911 Turbo

Der Porsche-Killer-Faktor des KTM X-Bow
Halb so viel Gewicht, halb so viel Leistung, halb so viel Auto – aber doppelt so viel Spaß? Spaß ist ganz sicher nicht das Problem des KTM X-Bow. Doch reicht seine Motorleistung nicht aus, um am Porsche Turbo auf der Nordschleife dranzubleiben. Aber das Fahrwerk des Österreichers bietet noch viel Raum für Feinabstimmung und Mehrleistung.
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