Technische Daten und Testwerte

Pick-ups hatten es noch nie leicht in Deutschland. Diese uramerikanische Fahrzeuggattung tut sich nicht nur hierzulande, sondern in ganz Europa schwer. Woran liegt es? Es kursieren zahlreiche Erklärungen, auch in Amerika: Das wechselhafte Euro-Wetter durchnässe das ungeschützte Gepäck, die berüchtigten Euro-Halunken stählen die Ladung gleich an der nächsten roten Ampel. Und die extrem engen Euro-Städte ließen das Befahren mit den sperrigen Pick-ups mit ihrem großen Wendekreis gar nicht zu.

Ob das wohl alles wirklich so stimmt? Tatsache ist, dass die in Deutschland sowieso stets kümmerlichen Pick-up-Verkäufe trotz immer attraktiverer Modelle mit mehr Komfort und mehr Leistung in den letzten Jahren rückläufig waren. Einen Neustart könnte das Jahr 2006 bringen, denn die beiden mit Abstand verkaufsstärksten Pick-ups erhielten komplett neu konstruierte Nachfolger. Bereits seit 1993 kämpfen Mitsubishi und Nissan um die deutsche Pick-up-Verkaufskrone. Andere Modelle wie Ford Ranger, Mazda B oder Toyota Hilux hatten gegen die beiden nie eine Chance. Bei Ford/Mazda wird zum Jahresende die große Runderneuerung erwartet. Bis dahin tragen Mitsubishi und Nissan den Kampf unter sich aus.

Der Navara macht mit seinem kantigen Design mächtig Eindruck.
Der Navara macht mit seinem kantigen Design mächtig Eindruck.
Auffällige Erscheinungen sind beide. Der Nissan Navara macht mit seinen klaren Kanten und der schieren Größe mächtig Eindruck. Mit seiner Länge von 5,22 Metern übertrifft er sogar die Mercedes S-Klasse mit Chauffeurs-Radstand um einen Zentimeter. Von der ganzen Pracht haben aber nur die Nissan-Insassen in der ersten Reihe etwas. Denn nur dort herrscht luftige Raumfülle, auch in der Breite. Im Fond des Navara Double Cab hockt man dagegen unangenehm tief bei knappem Knieraum und muss sich von der steilen Rückenlehne in eine unnatürlich krumme Haltung zwingen lassen.

Geradezu entspannt reisen dagegen die Fondpassagiere im Mitsubishi. Mehr Knieraum und eine anatomisch korrekte Rückbank führen zu merklich mehr Wohlbefinden. Dafür geht es in der ersten Reihe nicht so großzügig zu wie im Nissan. Insgesamt fällt der L200 auch etwas kleiner aus: 14 Zentimeter in der Länge, fünf Zentimeter in der Breite.

Sieht rundlicher aus und geht's auch viel gemütlicher an: der Mitsubishi L200.
Sieht rundlicher aus und geht's auch viel gemütlicher an: der Mitsubishi L200.
Trotzdem ist auch der Mitsubishi ein Hingucker. Seine rundlichen Formen zitieren nicht nur den erfolgreichen Paris-Dakar-Pajero, sondern bringen auch den derzeitigen Aerodynamik-Bestwert in der Pick-up-Klasse. Das merkt man bei den Fahrleistungen. Obwohl der Mitsubishi-Motor auf dem Papier 38 PS weniger leistet als der Nissan, ermöglicht die gute Aerodynamik der L200-Karosserie beinahe die gleiche Höchstgeschwindigkeit. Im Mittel liegt er mit gemessenen 171 km/h nur drei km/h hinter dem stärkeren Nissan. Der kontert bei der Beschleunigung, wo er sich mit schierer Kraft durch Ladedruck in jeder Situation am Mitsubishi vorbeipresst. Beide treten mit modernen 2,5-Liter-Turbodieselmotoren an, beide mit moderner Common-Rail-Einspritztechnik.

Und doch gibt es nicht nur bei Leistung und Drehmoment Unterschiede. Der Mitsubishi-Motor läuft noch etwas rauer als der des Nissan, nagelt vor allem kalt noch mehr. Und er gönnt sich eine noch größere Turboverschnaufpause nach dem Gasgeben als die Nissan-Maschine. Besonders harmonisch wirkt deshalb keiner der beiden Turbomotoren. Immerhin lässt der Mitsubishi mehr als der Nissan ein kupplungsschonendes Rangieren mit Leerlaufdrehzahl zu.

Kosten, Fazit, Wertung

Nicht nur die rauen Dieselmotoren vergällen Komfort-Fans die Freude an den Pick-ups, sondern auch die Fahrwerke. Zwar hat sich auch hier in den letzten Jahren enorm viel getan. So benehmen sich auch diese beiden Neulinge akzeptabel – aber nur so lange der Asphalt frei von Flicken und Wellen ist. Auf vernachlässigten Straßen teilen die blattgefederten Hinterachsen derbe Stöße aus, wenn nicht mindestens 300 bis 400 Kilogramm Last auf den Pritschen liegen.

Geradezu sensationell mutet der Allradantrieb des neuen Mitsubishi-Pickup an. Im Reich der Geländewagen ist ein Permanent-System mit Zentraldifferenzial schon seit mindestens 15 Jahren kein Aufreger. Bei den Fernost-Pick-ups aber schon. Und so steckt der Fahrer beim L200 nicht mehr in der Klemme, wenn er bei Regen gerne mit Allradantrieb fahren möchte, um zu verhindern, dass das unbeladene Heck beim Gasgeben ausbricht – dies aber eigentlich nicht tun sollte, weil der starre Zuschalt-Allrad die sowieso mäßigen Bremswerte drastisch verlängert. Dieses Dilemma hat beim neuen L200 gegen Zahlung eines fairen Aufpreises von 2800 Euro ein Ende. Das permanente Allrad bleibt nun ganzjährig drin. Und die elektronische Schleuderbremse ESP ist in diesem empfehlenswerten Paket ebenfalls enthalten.

Von beidem kann ein Nissan-Fahrer nur träumen. Weder Permanenter Allradantrieb noch ESP sind für den Navara lieferbar. Dabei überfordert gerade er mit seinen 403 Nm Motordrehmoment die allein angetriebene Hinterachse auf einer nassen Einfädelspur häufig. Selbst im dritten Gang drehen da zuweilen noch die Hinterräder durch. Immerhin punktet der Nissan mit vergleichsweise guten Bremsen, während die des Mitsubishi nur eine Verbesserung gegenüber dem in dieser Beziehung besonders schwachen Vorgänger darstellen.
Bei diesen Lastern hat man wirklich die Qual der Wahl: Beide überzeugen auf ihre eigene Art und Weise.
Bei diesen Lastern hat man wirklich die Qual der Wahl: Beide überzeugen auf ihre eigene Art und Weise.
Pick-ups müssen nicht selten ins Gelände. An Kraft fehlt es dabei dank Untersetzungsgetriebe nie. Auch die Bodenfreiheit reicht meist aus. Schwierig wird es für die langen Kerls immer dann, wenn es eng wird. Ein übergroßer Wendekreis und der ausladende Hecküberhang machen es besonders dem Nissan schwer. Auch setzt er deutlich früher mit dem langen Bauch auf. Dafür nehmen die stabilen Unterseiten so manchen Knuff nicht übel. Es steckt eben doch eine Menge Dritte-Welt-Robustheit in diesen Allradlastern.

Fazit von AUTO BILD ALLES ALLRAD-Redakteur Martin Braun Statt mit günstiger Kfz-Steuer will die neue Pick-up-Generation mit Tempo, Komfort und Sicherheit überzeugen. Wegen des Permanent-Allrad plus ESP hat der zudem noch preisgünstigere Mitsubishi die Nase vorn. Der Nissan punktet mit mehr Ladekapazität und besseren Fahrleistungen. Auch optisch unterscheiden sie sich deutlich. Man hat also eine echte Auswahl.

Von

Martin Braun