Sport macht nicht nur schlank und fit. Sport sorgt auch für gute Laune und kann Depressionen vertreiben – Wissenschaftler bestätigen das. Da kommt der neue VW Golf GTI gerade recht. Der beruft sich nämlich auf den durchtrainierten Ur-GTI aus den siebziger Jahren und läßt damit die alten Zeiten wieder aufleben, als die Autoszene lieber über kurze Beschleunigungs- als über längere Arbeitszeiten diskutierte. Jetzt wissen wir: Die VW-Ingenieure haben nichts verlernt. Sie wollten wieder einen echten Kracher landen und der GTI-Legende zu neuem Glanz verhelfen. Denn die drohte langsam zu verblassen – zu lange litt das coole Kürzel unter dem Makel, nur noch als eine von vielen Ausstattungsversionen zu gelten. Hauptmerkmale: bunte Polster und griffige Schalthebel. Von der frechen Verwegenheit, mit der sich frühe GTI übermächtiger Konkurrenz etwa aus Bayern entgegenwarfen, kam nicht mehr viel rüber.

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Damit ist nun Schluß. Die bullige, komplett umgestaltete Front mit dem Wabenkühlergrill, die 17-Zoll-Alus mit breiten 225er-Reifen oder das tiefergelegte Fahrwerk machen schon auf den ersten Blick klar: Der GTI ist wieder wer. Der zweite Blick entdeckt gelungene Details wie rot lackierte Bremssättel, stramme Sportsitze, ein spezielles Lederlenkrad, schwarzer Dachhimmel – und natürlich den Turbo-Motor mit stolzen 200 PS. Kämpferische Ansagen, die die Erzrivalen aus Rüsselsheim nicht unbeantwortet lassen können: Eine neue Astra-Topversion mit kräftigem Turbo-Vierzylinder steht bereit, den Golf GTI gebührend zu empfangen. Seine Leistung, ganz zufällig versteht sich: runde 200 PS. Der Super-Astra muß aber noch mit der Bürde der Banalität leben, die der GTI jetzt abstreifen konnte: Er versteckt sich (als Sport oder Cosmo) in der Preisliste zwischen anderen Ausstattungsversionen.

Opel-Fans vermissen den GSI-Konkurrenten

Eingeschworene Fans vermissen den GSI. Den klassischen GTI-Gegner hat Opel bislang nicht reanimiert. Erst für Anfang 2005 ist eine kompromißlosere Version geplant: der im September auf dem Pariser Salon vorgestellte Astra GTC, ein sportlicher Dreitürer mit 240 PS. Unser Opel-Testwagen hat fünf Türen. Auch den Golf GTI gibt es, nicht ganz stilecht für einen Sportler, in dieser praktischen Karosserie- Version. Das zusätzliche Türenpaar kostet 695 Euro – macht 24.895 Euro für den familientauglichen GTI. Ein stolzer Preis, der neben den genannten GTI-Goodies aber immerhin Extras wie Klimaanlage, Regensensor oder eine Lichtautomatik beinhaltet.

Der Rivale aus Rüsselsheim ist traditionell bürgernäher bei der Preisgestaltung: Der fünftürige Astra Sport 2.0 Turbo kostet 23.000 Euro – und spart deutlich mehr als die schnell ausgerechneten 1895 Euro Differenz. Denn zur reichhaltigen Serienausstattung (Klimaanlage, 17-Zoll-Leichtmetallräder) gehört das sogenannte Performance-Paket, das ein elektronisch geregeltes Fahrwerk, dynamisches Kurvenlicht und Bi-Xenonscheinwerfer enthält. Letztere kosten bei Volkswagen allein 1020 Euro Aufpreis. Was leider grundsätzlich dem Astra fehlt: ein exklusives Erscheinungsbild.

Der Turbo-Astra ist in erster Linie durch sein Emblem auf dem Heckdeckel als Über-Opel zu identifizieren – trotz der Alus und der serienmäßigen Tieferlegung. Der GTI macht einfach mehr her – eine Optik, die hält, was sie verspricht: Die Sitzposition mit dem griffigen Lederlenkrad paßt perfekt, und die strammen Sportsitze umfassen den Körper fast so fest wie hochwertige Basketballschuhe die Füße. Wenn der Blick auf den Tacho fällt (bis 300 km/h!), dürften auch Zweifel wegen des hohen Gewichts verfliegen.

VW Drehzahl-Turbo contra Opel Turbo-Kultur

Mit 1336 Kilo wiegt der aktuelle Golf zwar eine halbe Tonne mehr als der GTI I (820 Kilo). Aber dafür hat er fast doppelt soviel Leistung zur Verfügung wie der Urahn mit 110 PS. Heute kommt ein Benzin-Direkteinspritzer zum Einsatz, ein FSI. Das klingt erst mal mehr nach Sparen als nach Spaß, aber keine Angst: Dank Turbolader kann der FSI endlich zeigen, was in ihm steckt. Mit einem bulligen Drehmoment (280 Nm ab 1800 U/min) wie ein Diesel und Benziner-Drehfreude bietet er das beste aus zwei Motoren-Welten.

Der Tritt auf’s Gaspedal bestätigt die Theorie: Der Turbo-Vierzylinder holt nur ganz kurz Luft und jagt dann vehement in Richtung Drehzahlbegrenzer. Man kann viel schalten, dank Turbo-Drehmoment muß man es aber nicht. Der Motor ist ein Temperamentsbolzen, egal bei welcher Drehzahl. So bleiben kaum Wünsche offen – höchstens der nach mehr Sound: Das wütende Auspuffschnauben dürfen hauptsächlich Außenstehende genießen. Drinnen erklingt lediglich ein dröges Dröhnen. In nur 7,3 Sekunden ist laut Werksangabe der Sprint von null auf 100 km/h erledigt. Die Höchstgeschwindigkeit: 235 km/h. Da muß man sich auf der Autobahn nicht von einem Dreier-BMW nach rechts schicken lassen. Auch nicht vom Opel Astra: 230 km/h Spitze und 8,2 Sekunden von null auf 100 km/h lauten die Werksangaben. Fast eine Sekunde langsamer von null auf 100 – eine Menge in diesem Prestige-Duell.

Doch subjektiv wirkt der Opel-Turbo, zumindest auf der Landstraße, fast so souverän wie der schnellere Golf. Auch flutschen die Gänge seines Sechsgang-Getriebes kaum weniger flott durch die Gassen. Wegen des eklatanten Drehmomentdefizits (262 erst bei 4200 U/min) muß der Opel-Fahrer den Schalthebel aber häufiger in die Hand nehmen, um dem Golf hinterherzukommen. Beim Hochdrehen fällt eine Stärke des Opel-Motors ins Ohr: Er gibt sich stets leiser und kultivierter als der rauhe VW-Vierzylinder.

Technische Daten und Fazit

Doch distinguiertes Gebaren erwarten wir von einem GTI nicht, auch nicht bei den Fahreigenschaften. Da muß er Zähne zeigen: Der VW stürzt sich in der Tat auf enge Kurven wie ein Wolf auf den Hasen. Präzise dirigiert von der sportlich-strammen, speziell abgestimmten Lenkung, zischt er durch enge Biegungen fast so unerschrocken wie ein Allradler. Sie haben es zu toll getrieben? Kein Problem. Das sanfte Untersteuern im Grenzbereich läßt sich leicht kontrollieren. Das Fahrwerk wirkt so narrensicher, daß das serienmäßige ESP fast überflüssig erscheint.

Soviel Kurven-Kunst kostet natürlich Federungskomfort. Aber nicht zu viel. Insgesamt darf die Abstimmung noch als harmonischer gelten als beim verwandten Kreuz-Killer Audi A3. So vermittelt der VW eine Verbundenheit mit dem Asphalt, die dem Astra fremd scheint. Der Opel gibt sich mehr als komfortable, gut gefederte Limousine, die den Fahrer von den Kräften der Fahrdynamik fernhalten will. Schon möglich, daß er Kurven genauso schnell umrundet wie der GTI. Aber er legt es nicht darauf an. Man dreht lieber am Radio als an der relativ gefühllosen Lenkung.

An dem Gesamteindruck ändert sich wenig, wenn das Fahrwerks-Programm "Sport" aktiviert ist. Auch die Vordersitze sind gut und bequem. Sie bieten aber nicht den Seitenhalt der VW-Sitze, die wie für alle Abenteuer der Querbeschleunigung gewappnet wirken. Dafür bietet der Astra etwas mehr Platz, vor allem im Kofferraum: 380 statt 350 Liter (Golf-Wert). Doch das ist für Sport-Fans vermutlich nicht das entscheidende Argument.

Fazit Gleiche Leistung bei gleicher Größe und gleichem Gewicht – man sollte erwarten, daß sich die Konkurrenten nicht viel nehmen. Weit gefehlt. Der Astra gibt sich als komfortabler Langstreckenläufer, der Golf pflegt GTI-Tugenden. Für Sport-Fans ist damit die Sache klar.