Schon der Name hat was Geniales: Nikola Tesla erfand den Wechselstrom, den ersten Radiosender und noch einiges mehr, was die Menschheit in die Neuzeit katapultierte – alles bereits vor über 100 Jahren. Den Tesla Roadster erfand er zwar nicht, aber so viel ist klar: Er wäre begeistert. Denn dem kleinen Flitzer mit dem großen Namen gelingt, was bis jetzt noch keinem Elektroauto gelang: Er elektrisiert. Seit die Minifirma Tesla Motors den Stromer über die Highways Kaliforniens fegen lässt, steht die etablierte Autowelt unter Hochspannung. Doch nun stellen wir ihn in Deutschland auf die Probe. Ein Wunderauto? Erster Eindruck: gespenstisch. Auch weil der Tesla zunächst so tut, als wäre er ein normales Auto (oder zumindest ein normaler Lotus Elise): spartanisches Cockpit, Sportwagenatmosphäre.

Passanten erstarren, die Fans prallen zurück – Hexerei?

Aber dann wird es unheimlich – ein Zündschlüssel, der nichts zündet, ein Gashebel, der kein Gas gibt, stattdessen: Totenstille. Jetzt den Wählhebel auf "D", das rechte Pedal streicheln, der Tesla nimmt geräuschlos Fahrt auf. Passanten erstarren, die Fans, die den Roadster gerade aus der Nähe betrachteten, prallen zurück. Hexerei? Mehr Stoff und der Verdacht erhärtet sich. Der Roadster zischt ab, als wäre höhere Gewalt im Spiel. Nur dass es nicht zischt. Es ist still wie in einem Sanatorium. Dann endlich freie Bahn, die Chance, die Kilowatt auszureizen. Die Reaktion erfolgt blitzartig, ich komme mir vor wie in einem Fußball beim Elfmeterschuss. Und noch immer kein Mucks aus dem Motorraum, nur das Rauschen des Fahrtwinds. Surreal, so was. In 3,8 Sekunden soll der Tesla 100 km/h erreichen – ich wage nicht, daran zu zweifeln. Die Kraft liefert ein 250-PS-Triebwerk, gespeist von einem Litium-Ionen-Akkupack. Das soll im US-Fahrzyklus eine Reichweite von 365 Kilometern ermöglichen, bei forscher Fahrweise etwa 200 Kilometer. Der Blick auf die Ladeanzeige des Testwagens rückt die Realität in deutschen Landen eher in Richtung 170 Kilometer (mit zunehmendem Akku-Alter auch weniger).

Volltanken dauert dreieinhalb Stunden

Tesla Roadster
Nicht ganz billig: Der Tesla kostet 117.810 Euro. Das würde auch für zwei Elise SC reichen.
Dann muss der Tesla an die Steckdose. Einmal Volltanken dauert dreieinhalb Stunden. Das kostet zwar nur rund elf Euro, aber wenn der Elektrotank verschlissen ist (angeblich in vier bis fünf Jahren), sind 22.000 Dollar (15.000 Euro) fällig. So viel verlangt Tesla für den Akkusatz. Das Auto selbst ist auch nicht ganz billig: 117.810 Euro soll es kosten, lieferbar ab Mai 2009. Das würde dann auch für zwei Elise SC reichen. Einen davon haben wir als Referenz gleich mitgebracht. Ist der Leichtbau-Zweisitzer, gelobt als Vorlage für den schlanken Sportwagen der Zukunft, plötzlich von gestern? Optisch scheinen der Elise und der Tesla eineiige Zwillinge zu sein, aber außer dem Grundkonzept ist bei genauem Hinsehen alles anders. Und natürlich arbeitet im Heck der Elise ein Verbrenner, hier kompressorgedopt auf 220 PS, dazu 212 Nm, übersetzt von sechs Gängen. Klassischer Maschinenbau also.
Beim Umsteigen komme ich mir denn auch vor wie auf einer Reise in die Vergangenheit. Es rasselt und röhrt, Schaltknüppel und Pedale wollen bewegt und getreten, die Maschine bei Laune gehalten werden. Erst bei 6000 Touren kommt sie so richtig in Stimmung, bei 8000 hat es sich ausgejubelt – nichts gegen die 13.000 des E-Motors. Und nur wer alles richtig macht, erlebt die volle Beschleunigung (4,9 Sekunden auf 100 km/h). Lebhaft ist der Lotus Elise SC freilich immer, schon deshalb, weil er 300 Kilo weniger auf den Rippen hat. Er wechselt die Richtung flink wie ein Feldhase, der Tesla erinnert im Vergleich da eher an einen Neufundländer – stark, aber unhandlich. Und noch etwas macht den Lotus am Ende sympathisch: Sein Tank fasst zwar nur 38 Liter, aber 300 Kilometer sind auf jeden Fall drin. Und nach fünf Minuten Tankpause noch mal 300 Kilometer. Auch nicht schlecht, oder?

AUTO BILD-Redakteur Wolfgang König: pro Sprit

Wolfgang König
Wolfgang König: "Der Gedanke, dass irgendwann alle Autos stumm und emotionslos ihre Kilowatt abspulen, weckt Endzeitgefühle."
"Das Herz eines Autos ist der Motor, zumal beim Sportwagen. Hier pulsiert das Leben, hier wird eingeatmet und ausgepufft, hier summt es, brummt es, röhrt und singt es. Hier entsteht das, was mich beim Fahren glücklich macht. Der Motor haucht dem Auto seinen Charakter ein. Einfach nur Kraft abliefern und sonst nichts, das ist wie Astronautennahrung: Es gibt uns die nötigen Kalorien, aber es schmeckt nicht. So gesehen bin ich Feinschmecker. Und der Gedanke, dass irgendwann alle Autos stumm und emotionslos ihre Kilowatt abspulen, weckt bei mir Endzeitgefühle. Stellen Sie sich einen Ferrari mit E-Motor vor – Flasche leer, kann man da nur sagen. Mal abgesehen davon, dass ich mit einem Auto wie dem Tesla gar nichts anzufangen wüsste. Ich habe die Zeit nicht. Schließlich würde ich mit meinem Roadster auch gern verreisen – aber 20 Stunden statt fünf, um an den Gardasee zu kommen (mit Tankpausen)? Vergiss es. Und was den günstigen Kraftstoff aus der Steckdose betrifft: Allein die 15.000 Euro, die mich die Ersatzakkus kosten, reichen mir schon mal für vier Jahre Sprit tanken."

AUTO BILD-Redakteur Hauke Schrieber: pro Strom

Hauk Schrieber
Hauk Schrieber: "Eine Fahrt im Tesla ist das mit Abstand Faszinierendste, was man derzeit am Steuer eines Autos erleben kann."
"Kollege König vermisst das Brummen, das Röhren? Akzeptiert. Nur: Das Schweigen des Tesla ist der Klang der Zukunft. Was der Lotus von sich gibt, ist das Röcheln eines technischen Auslaufmodells. Die Frage "Sprit oder Strom?" ist die Fortsetzung der Diskussionsreihe "Dampflok oder ICE?", "Ju 52 oder A 380?". Und ein Hinweis von Feinschmecker an Feinschmecker: Der Tesla ist keine Astronautennahrung, er ist moderne, leichte Küche. Der Lotus ist wie eine Schweinshaxe – deftig, immer mal wieder ein fettes Vergnügen, auf Dauer aber träge machend und ungesund. Klar, es gibt noch Alltagsprobleme. Vor allem die Ladezeit. Aber eine Fahrt im Tesla Roadster ist wahr gewordene Science-Fiction. Es ist das mit Abstand Faszinierendste, was man derzeit am Steuer eines Autos erleben kann. Es ist der Beginn einer neuen Ära. Wenn eine Start-up-Firma aus Kalifornien dieses Auto zur Serienreife bringt, was dürfen wir dann erst von den großen Herstellern mit ihren Milliarden-Etats für Forschung und Entwicklung erwarten? Es kommt der Tag, da werden wir sagen: 2008 war das Jahr, in dem alles begann."

Das ist Tesla Motors

Die Bing Street 1050 in San Carlos, auf halbem Wege zwischen San Franciso und San Jose: Hier, im Silicon Valley, hat Tesla Motors seinen Firmensitz. In zwei schlichten zweigeschossigen Hallen entsteht der Tesla Roadster. Finanziert von New-Economy-Millionären, die an die neue Technik glauben. Die ersten Prototypen fahren seit Anfang 2007. Getriebeprobleme verzögern den Serienstart, Firmengründer Martin Eberhard muss gehen. Mitte März 2008 beginnt die Produktion des Elektro-Roadsters bei Lotus in England. Arnold Schwarzenegger und George Clooney gehören zu den Kunden. Ab Mai 2009 kommt der Tesla nach Europa, eine Reservierung kostet 50.000 Euro Anzahlung. Ein zweites Modell wird entwickelt. Das Model S, eine viertürige Stufenheck-Limousine, soll 2010 zu einem Preis von rund 40.000 Euro auf den Markt kommen.

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Wolfgang König