Als ich zum ersten Mal vor dem Tiguan Diesel stehe, muss ich die Ohren schon wie ein Luchs spitzen: Irgendwas summt unter der Motorhaube, es könnte durchaus ein Benziner sein. Also schnell Haube hoch und daruntergeschaut. Tatsächlich, unter der dick gepolsterten und somit schallschluckenden oberen Motorverkleidung verraten die vielen Leitungen, dass es sich wirklich um einen Diesel handelt. Deckel drauf und zur Fahrertür geschritten. Auf diesem kurzen Weg dringt das nagelnde Verbrennungsprinzip nun doch deutlich ans Ohr. Kein Wunder, zur Seite ist die Lärmdämmung schwieriger, da müsste ja der gesamte Motorraum gekapselt werden.

Common-Rail besiegt das Pumpe-Düse-Prinzip

AUTO BILD-Redakteur Diether Rodatz attestiert dem VW-Diesel Laufruhe.
Lärm beiseite. Der Tiguan Diesel ist der rollende Beweis dafür, dass die bisher bei VW favorisierte Pumpe-Düse-Einspritzung den Kampf gegen Common Rail letztendlich verloren hat. Pumpe-Düse (kurz PD) konnte schon mit mehr als 2000 Bar einspritzen, als Common Rail es erst auf 1600 Bar brachte. Der Vorteil des PD-Prinzips: bis zu fünf Prozent mehr Leistung und sauberere Abgase, die auch ohne Rußfilter die neuen Vorschriften einhalten. Der Nachteil: rauerer Lauf und höhere Kosten, da jeder Zylinder seine "eigene" Einspritzpumpe hat, die von der Nockenwelle gesteuert wird. Common Rail hingegen hat, wie der Name sagt, eine gemeinsame Leitung, in der der Dieselkraftstoff unter hohem Druck steht, demnächst sollen auch über 2000 Bar möglich sein. Sogenannte Piezo-Aktoren steuern die Einspritz-Häufigkeit und -menge noch viel genauer, als es die früheren Magnetventile gemacht haben. Die Motoren laufen leiser, weil in einem Arbeitstakt mittlerweile bis zu sieben Einspritzungen möglich sind.

Die Kraftentfaltung entspricht alter Diesel-Tradition

Handarbeit: Wer mit dem Tiguan zügig unterwegs sein wil, muss viel schalten.
Vor allem aber ist Common Rail billiger. Womit wir beim neuen Tiguan-Konzept wären. Denn der wird von VW zu Kampfpreisen angeboten. Kleiner Seitenblick zum Toyota RAV4, der diese Klasse ja mal populär machte: Als 136-PS-Diesel kostet er 28.000 Euro, Konkurrent Tiguan ist nur 800 Euro teurer. Wie sich das im Detail auswirkt, kann erst ein späterer Test zeigen. Die erste Probefahrt offenbart eine gute Verarbeitung und ordentliche Grundausstattung wie beim Benziner 1.4 TSI. Das Motorengeräusch klingt etwas kerniger, wird aber spätestens ab Tempo 100 vom Winde verweht, der dann hörbarer, aber keineswegs störend um die vorderen Fensterholme rauscht. Die Kraftentfaltung entspricht alter Diesel-Tradition: Das höchste Drehmoment von 320 Newtonmetern wird zwischen 1750 und 2500 Umdrehungen erreicht. Wer flott vorankommen will, muss also flink im serienmäßigen Sechsgang-Schaltgetriebe herumrühren, wird selten den Drehzahlmesser über die 3500 bringen, weil der Motor dann fühlbar abschlafft.
Im Sechsten steht bei dieser Drehzahl die Tachonadel übrigens schon auf 180, also kurz vorm erreichbaren Höchsttempo von 186 km/h. Eben wegen dieser Motorcharakteristik sollte eine Getriebeautomatik (plus 1750 Euro) die Schaltarbeit abnehmen. Die Tiguan gibt es nur mit dem Allradantrieb 4motion. Eine blitzschnell reagierende Haldexkupplung in der Hinterachse gleicht Drehzahlunterschiede zwischen Vorder- und Hinterachse schlagartig dadurch aus, dass sie die Kraft an die Achse leitet, die noch Grip hat. Im Normalbetrieb gelangen 90 Prozent der Antriebskraft an die Vorderräder, zehn Prozent nach hinten. Der Verkauf der beiden Basis-Tiguan, 150-PS-Benzin- und 140-PS-Diesel, hat bereits begonnen. Es gibt sie auch als "Track & Field" mit 18 statt (normal) 28 Grad vorderem Böschungswinkel und allerlei hilfreicher Gelände-Elektronik.

Fazit von AUTO BILD-Redakteur Diether Rodatz

Endlich hat auch VW moderne, laufruhige Diesel in der Kompaktklasse. Wir weinen den raubeinigen Pumpe-Düse-Motoren keine Träne nach. Der Common-Rail-Diesel ist nicht nur leiser, auch das breiter nutzbare Drehzahlband überzeugt. Eine gute Wahl für den Tiguan.