Toyota Prius III Life: Dauertest
Der ist nicht kaputtzukriegen

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Der Prius scheidet im Dauertest die Geister: Die einen sind begeistert von der Spartechnik, die anderen abgetörnt. Kein Zweifel gibt es an der Zuverlässigkeit: Der Toyota läuft weiter – bis 200.000 Kilometer.
Das sind immer kitzlige Momente, wenn unser Dauertest-Leiter Manfred Klangwald beim Hersteller anruft: "Ihr Auto hat 100.000 Kilometer voll. Soll AUTO BILD auf 200.000 verlängern?" Schweigen. Räuspern. Äh ... Sicher, auf so lange Distanzen kann ein Auto alt aussehen. "Dürfen wir uns noch beraten?" Das dauert, manchmal Wochen. In diesem Fall nicht. Toyota benötigte für die Anfrage beim Prius genau 24 Stunden, bis es hieß: "Ja klar, bitte!" Respekt für das große Vertrauen in die wohl komplizierteste Technik, die derzeit zu kaufen ist: in den Hybridantrieb, der bei AUTO BILD schon im zweiten Dauertest läuft. Den ersten hat ein Prius 2006 mit null Fehlern beendet – abgesehen von einer defekten Glühlampe.Beim aktuellen Testkandidaten stieg die Fehlerquote, so viel sei schon jetzt verraten, leicht an. Die wichtigste Erkenntnis nach 100.000 Kilometern lautet: Die große Aufregung um die Hybriden hat sich gelegt, die meisten Fragen sind geklärt. Batterien? Halten. Funktion? Zwei Motoren, aufwendig, aber reibungslos. Fahrgefühl? Weiterhin ein Gummiband-Effekt beim Gas geben, auch wenn der aktuelle Prius vieles besser macht als sein Vorgänger. Denn mit dem letzten Modellwechsel im Jahr 2009 ist der Benzinmotor auf 1,8 Liter vergrößert, der Elektromotor stärker geworden. Der Testverbrauch sank um 0,6 auf 6,3 Liter. Das Design wurde moderner – trotzdem polarisiert das Auto wie zuvor. Hier die radikalen Ablehner wie Testassistent Berend Sanders, der ins Dauertestbuch schreibt: "Ich werde mit dem Auto nicht warm!", dort die frisch Überzeugten: "Der macht mich zu einem besseren Menschen", vermerkt Textchef Alex Cohrs.Und die Zahl der Anhänger wächst. Ungeteiltes Lob ernten die praktischen Talente des Prius: Die Sitze in "Vertreter-Velours" (Zitat Bordbuch) sind größer und komfortabler als früher, das ungewohnte Schalthebelchen lässt sich problemlos bedienen, der Wagen hat viel Platz, auch im 445 Liter großen Kofferraum mit dem doppelten Boden. "Alle Ablagen und das geteilte Handschuhfach sind äußerst durchdacht und praxisgerecht zugeschnitten", formuliert es Stefan Puls, Leiter des AUTO BILD-Leserservice. Wie komfortabel und beruhigend wirken doch das stufenlose, schaltruckfreie Beschleunigen und Abbremsen beim Stop-and-go-Verkehr! Puls: "Im perfekten Zusammenspiel schaltet sich der Verbrenner zu, schiebt der Elektromotor mal deutlich, mal diskret – ein Vorbild für alle Nachahmer." Immer wieder faszinierend, wie der Prius rein elektrisch aus der Parklücke schweben kann – wenn die Batterie voll ist.Allerdings springt der Benziner früher an, als Toyota verspricht: Die offizielle elektrische Reichweite von 1,5 Kilometern haben wir nie erreicht. "Dieser Wagen ist für den Stadtverkehr entworfen", so Fotoredakteur Bozo Furkes. Auf verschneiten Winterstraßen wiegen sanft einsetzende Leistung und sauber regelndes ESP in Sicherheit. Auf Langstrecken fällt das Urteil eher zwiespältig aus. Bis 160 km/h ist der Prius auf Autobahnen zügig unterwegs, darüber und an Steigungen nerven der plärrige Benziner und das steifbeinige Fahrwerk. Knackpunkt ist nicht nur der Einsatz, sondern auch das Fahrernaturell. "Mit teutonischem Gasfuß macht der Prius keinen Spaß", urteilt Online-Redakteur Boris Pieritz. Apropos Gasfuß: Ein klemmendes Gaspedal gab es in den zweieinhalb Jahren nicht. Vor allem sportliche Naturen ziehen Vergleiche mit gleich teuren Europäern und erwarten von einem Auto der 25.000-Euro-Klasse eine direktere Lenkung, eine für alle Figuren passende Sitzposition, bessere Geräuschdämmung und sorgfältigere Verarbeitung."Handschuhfach und Mittelkonsole sind schlampig zusammengesteckt, so etwas gab's früher von Toyota nicht", mäkelt Testredakteur Jan Horn. Die Kritiker stört zweierlei: Zum einen passen Holper-Fahrwerk, das verwirrende Navi-Labyrinth oder die fehlende USB-Buchse nicht zum Hightech-Anspruch des Prius, zum anderen hat Toyota im Vergleich zum Vorgänger gespart: So wich der früher farbige Monitor über der Mittelkonsole einem pixeligen Mini-Display im Stil der 80er. Die Türen schließen scheppernd, die Karosserie hat an Steifigkeit verloren und dröhnt auf Kopfsteinpflaster, weil Schweißpunkte wegrationalisiert wurden. Kratzer am Vorzeigeobjekt? Der Autobauer hat auf die Kritik reagiert und mit einer kräftigen Geldspritze nachgebessert. Das Facelift steht seit April 2012 bei den Händlern.
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Wir notieren: Es bleibt also bei der zu knappen Lenkradverstellung, dem unübersichtlichen Heck, das zudem bei Regen stark verschmutzt, und dem nervenzerfetzenden Piepton beim Rückwärtsfahren. Ruhe! Wir haben ihn abstellen lassen, um die nächsten 100.000 Kilometer ohne Zusammenbruch zu überstehen. Wär' ja schade, wo der Prius doch hält und hält: Im Dauertest gingen bisher zwei Glühlampen kaputt – eine mehr als beim Vorgänger. Eine Bilanz, die sich viele Hersteller mit ihren einfacheren Autos wünschen. Alle Bilder zum Dauertest mit dem Toyota Prius finden Sie oben in der Bildergalerie. Den vollständigen Artikel mit allen Daten und Tabellen gibt's im Online-Heftarchiv als PDF-Download.
Fazit
Auch im zweiten Dauertest beweist der Prius vorbildliche Zuverlässigkeit – ein überzeugendes Ergebnis für diese komplizierte Technik. Sie funktioniert nicht nur reibungslos, sondern setzt auch Maßstäbe für Nachahmer. Der Hybrid-Vorreiter ist stärker und komfortabler geworden, aber mit 6,3 Liter Testverbrauch sogar sparsamer als sein Vorgänger. Ein Wert, den auch vergleichbare Dieselmodelle erreichen. So ausgereift der Antrieb arbeitet, so unausgewogen wirken Fahrwerk, Lenkung und Ausstattung des Prius, der Gewöhnung verlangt. Oder einfach Überzeugung. Gespart hat Toyota auch in der Produktion des Autos – ob sich das im Test auswirkt, sollen jetzt weitere 100.000 Kilometer zeigen.
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