Cabrio statt Roadster

Roadster, immer nur Roadster. Alle Welt träumt vom Roadster, von diesem knackigen automobilen Nichts. Ein Roadster ist der richtige Typ für einen Abend, frei nach dem Motto: "Lebe wild und gefährlich. Brave Menschen kommen in den Himmel, mutige in den Roadster". Cabrios für ein langes, ruhiges Leben sehen anders aus. Eher wie das neue Astra Cabrio. Da gibt es einen Kofferraum für viele Kisten Sprudel, vier richtige Plätze und einen gefütterten Verdeckhimmel, der im tiefen Winter das Schnupfenwetter aussperrt. Cabrios für eine feste Beziehung eben; spätes Glück nicht ausgeschlossen - und Schluss mit Saisonkennzeichen. Ein Astra ist auch dann für dich da, wenn plötzlich ein strahlender Januarmorgen lockt und garantiert jeder MX-5 daheim bleibt.

Trotz all dieser praktischen Vorteile herrscht bei den bügelfreien Viersitzern gerade ziemliche Flaute. Der Peugeot 306 hat schon sieben Sommer gesehen, das Mégane Cabrio fünf. So gesehen, wirken die beiden Franzosen, Pardon, wie die Rosen von gestern. Na schön, in Würde gealtert. Am Renault gefiel der Frau im Testteam gleich das knackige Hinterteil, ein Kompliment, das Männer erstaunlich hellhörig macht. Der Peugeot zeigt unverblümt Falten, macht aber geöffnet mit seinem glatten Rücken immer noch eine tadellose Figur. Das ist eben Pininfarina: ein Design, das ansatzlos von taufrisch ins Immergrüne wechselt - genau wie früher ein 304 oder 504 Cabrio.

In dieser angestaubten Szene wirkt der Opel plötzlich wie ein jugendlicher Filmheld. Der neue Astra hat noch gar keine Anstalten gemacht, das Dach mit seinem vollautomatischen Entriegelungsmechanismus (kostet 900 Mark extra) zu entblättern, da hat er unter allen Astra schon den Oscar für die schönste Nebenrolle gewonnen. Flacher Verdeckkasten, adrette Kopfstützen-Überrollbügel, eine Frontscheibe, die sich sportlich unterm Fahrtwind duckt - wie elegant doch ein Opel aussehen kann, wenn ihn nur Bertone in die Finger bekommt.

Karosserie und Verdeck

Das Cabrio entsteht nämlich wieder in Turin bei dem italienischen Blechschneider, der seine Korsettstangen diesmal deutlich solider und steifer eingezogen hat als beim Vorgänger. Natürlich zittert seine Frontscheibe auf schlechten Straßen noch leise, aber der wahre Wackel-Elvis kommt von Peugeot. Der 306 schüttelt wie ein Rock 'n' Roller auf Abwegen.

Nein, der Astra ist rundum das modernste Auto. Eine Dachrinne stoppt den üblichen Wasserschwall, der beim Aussteigen gern die Hose durchnässt, die Seitenfenster rucken wie im 3er- Cabrio noch ein Stück dichter in die Dichtung. Und dichten ab. Auch in der Waschstraße, wo dem Renault und Peugeot kleine Tränenbäche innen am Fenster entlangrinnen. (Wir wissen, empfindliche Dächer gehören nicht unter böse Waschborsten, aber der Mensch ist manchmal bequem.) Weil dies auch die Hersteller wissen, öffnen alle drei Dächer elektrisch, im Mégane ist vorher ein Drehknauf zu lösen, im 306 sind es zwei Verdeckhaken. Müheloses, ehrliches Handwerk, wie es Cabrio-Fahrer schätzen. Was wirklich ärgert, sind die Heckscheiben aus Kunststoff, die irgendwie immer knicken, zerkratzen oder völlig erblinden. Gelobt sei dagegen die Glasscheibe im Astra, hübsch heizbar, um im Herbst die Sicht nach hinten frei zu schmelzen.

Wo wir gerade praktisch denken: Die hinteren Plätze sind willkommener Gepäckraum, mehr nicht. Im Mégane wartet eine enge Gefängniszelle (sogar ohne Kopfstützen), im 306 immerhin eine Notbank; Vollwert-Plätze bietet nur der Astra. Und das nur im Winter. Was nämlich niemand ehrlich ausspricht: Bei offenem Dach verwandelt der Fahrtwind, dieser dreckige Straßenföhn, jeden Mitfahrer hinten schon ab Tempo 40 in eine 1:1-Kopie von Angela Merkel aus der Sixt-Werbung. Vorn verspricht der Opel die schlimmsten Sturmfrisuren, eine Folge der flachen Frontscheibe. Ihm fehlen nämlich die seitlichen Dreiecksfenster, die im Mégane den Scheitel bis 120 schonen. Dazu muss der Opel das Windschott (im Basismodell 500 Mark extra) aufsetzen - und das kostet die Rücksitze.

Motor und Fahreindruck

Wen stört's, wenn man gelassen durch die gelben Rapsfelder gondelt und die Frische bis ins letzte Lungenbläschen inhaliert? Motoren, Hektik und kleinkariertes Vergleichen verwehen wie eine Zirruswolke am hohen Himmel. Nur so viel: "Kleine Freiheit" im Basismodell heißt auch kleinster Motor, was im Peugeot mit seinem ausgewogenen 1,6-Liter völlig ausreicht. Der besitzt nämlich an der Ampel den Schmalz, der dem untenrum ruckeligen Opel-Motor fehlt. Dass der Astra auf der Autobahn Tacho 200 rennt, muss im Cabrio schnuppe sein. Wir empfehlen den 1,8-Liter, den ohnehin drei Viertel aller Käufer ordern.

Auch im Renault rechtfertigt nur der Preis (42.031 Mark) den ausgequetschten 1,4-Liter-Hubraum-Zwerg, der allein beim Ausdrehen richtig sportlichen Wind in dem kleinen, spritzigen Coupé-Ableger säen kann. Aber bitte Vorsicht: Die zögerliche Lenkung hat Schlafpulver geschluckt, und beim Gaswegnehmen in Kurven erwacht der schöne Hintern gern im falschen Moment zum Leben, will ausbrechen (fachmännisch Lastwechsel genannt). Eine Krankheit, die den Peugeot ebenso quält wie die bekannte Marotte älterer Franzosen: Die Pedale stehen zu nah, die Beine ruhen angewinkelt wie beim Frosch. Dafür entschädigen die schönste Schaltung und die beste Übersicht: Im 306 kann der Fahrer alle vier Ecken sehen, ja, so etwas gibt es noch. Nur nicht im Astra.

Genug gemäkelt. In diesem Trio entscheidet ohnedies entweder der Geschmack, die Lieferfrist bei Opel oder das Sondermodell bei den Franzosen. Am Cabrio-Horizont warten schon das 307 Cabrio und der neue Mégane - beide mit festem Faltdach. Aber was kümmert uns morgen, wenn heute die Freiheit lockt?

Fazit und Zeugnis

Fazit Ein klarer Sieg für Opel: Der Astra (287 Punkte) ist eine ganze Generation jünger als die beiden Franzosen. Und damit steifer, fahrsicherer und komfortabler. Dass sein unharmonischer Antrieb nicht mithält, fällt deshalb wenig ins Gewicht, weil der Motor des Mégane Cabrio auf Rang zwei (260 Punkte) auch nicht mehr kann. Der Renault spielt in diesem Trio das kleine Coupé: kurz, wendig und nicht mehr als ein 2+2-Sitzer. Dem 306 Cabrio (255 Punkte) ist sein Alter in jeder Blechfalte anzufühlen: Qualität und Fahrsicherheit stammen von gestern. Dafür ist der Peugeot ein echtes Luftbad, ein Cabrio im strengen und klassischen Sinn.

Punktewertung

Der Astra siegt mit deutlichem Vorsprung vor der Konkurrenz. Schwächen im Antrieb macht der Rüsselsheimer durch steife Karosserie und bessere Straßenlage wett. Wer andere Akzente setzen will, rechnet einfach die entsprechende Rubrik raus und kommt zum eigenen Ergebnis.

Testwerte und technische Daten

Der Generationsunterschied zeigt sich auch in der Testwerten. Beim Bremsen aus 100 km/h steht der Astra mit 36,8 Metern fast eine Wagenlänge eher als die Franzosen.

Preise und Kosten

Die AUTO BILD-Version enthält: ABS, Alarmanlage, E-Spiegel beheizbar, Leichtmetallräder, Lenkrad höhen- und reichweitenverstellbar, Nebellampen, Radio, Seitenairbags vorn, Winschott, ZV mit Fernbedienung.