Traumhaft schön, alptraumhaft teuer



Schon seltsam, was manche Leute so treiben. Da bewohnt die Teddybären-Kollektion ein eigenes Zimmer, residiert der treue Vierbeiner in einem palastartigen Anbau, steht die feine Oberklasse in der Garage unterm Kronleuchter. Glauben Sie nicht? Ging mir anfänglich auch so. Und das Foto ist natürlich auch gestellt. Doch nachdem ich Audi A6 4.2 quattro, BMW 540i, Lexus GS 430 und Mercedes E 500 im Vergleich fahren durfte, würde ich diese Schmuckstücke nur noch ungern unter schnödem Neonlicht parken. Nicht etwa, weil die kalten Röhren sie irgendwie schlecht aussehen ließen – schön ist auf ihre Art jede der vier V8-Limousinen. Nein, einfache Garagenleuchten werden der großen Klasse und eleganten Rasse dieser Traumwagen einfach nicht gerecht.

Daß die fantastischen vier für 99 Prozent aller Autofahrer ein Traum bleiben, für einige womöglich zum finanziellen Alptraum werden und nur ganz wenige sie wirklich unterm heimischen Lüster parken können, dafür sorgen die Preise. Allen voran – nein, nicht Mercedes, sondern Audi. Für den einzigen Allradler im Feld bittet Ingolstadt mit 60.900 Euro zur Kasse – ein teurer Traktionsvorteil.

Für 60.726 Euro geizt der Mercedes zwar im Detail (elektrische Sitze vorn kosten nur in Stuttgart extra), Luftfederung und Vierzonen-Klimaautomatik gibt's ab Werk. Allradantrieb dagegen kostet 2320 Euro extra und zwei Automatik-Fahrstufen; denn die 4Matic-Version ist statt mit einer Sieben- nur mit einer Fünf-Gang-Automatik erhältlich.

Kosten und Ausstattungen

Vergleichsweise als Sonderangebot steht der BMW 540i im Showroom. Bei 52.200 Euro und manierlicher Ausstattung kann man eigentlich nicht viel falsch machen, Automatik-Fans müssen hier aber 2100 Euro draufzahlen. Eine gute Portion Extraglanz verleihen dem Bayern High-Tech-Extras, die es bei der Konkurrenz gar nicht gibt: Nachtsichtanlage (1950 Euro) und Head-up-Display (1300 Euro) sorgen für zusätzliche Sicherheit.

Auch der Lexus kann sich bei der Preisgestaltung durchaus sehen lassen. Für 55.600 Euro bringt er fast alles mit, was gut und teuer ist. Von Xenonleuchten mit Kurvenlicht bis hin zu den Knieairbags vorn. Und zusammen mit dem Abstandsradar schützt ein Pre-Collision-System (aktiviert bei einem drohenden Unfall die Gurtstraffer und verordnet der Bremsanlage Alarmbereitschaft, 3400 Euro extra) die Insassen.

Vier Mal V8: stark, schnell, schön

Doch reden wir nicht länger von Geld. Wer solche Autos fährt, hat es einfach. Wie es sich in der feinen Gesellschaft gehört, sortieren sich unter allen Hauben acht Zylinder in V-Formation. Mit fünf Liter Hubraum schenkt Mercedes am großzügigsten ein, türmt mit 460 Nm den höchsten Drehmomentberg auf und sichert sich mit 306 PS den Sprinttitel bis 100 km/h. Wobei der Dreiventiler neben aller Sportlichkeit vor allem mit einer fast schon arroganten Souveränität begeistert. Wie er in allen Drehzahlbereichen mit dezentem V8-Fauchen für atemberaubenden Vortrieb sorgt, verdient schon Respekt. Der natürlich auch der Siebengang-Automatik gebührt: blitzschnell, butterweich, präzise – hier können selbst eingefleischte Handschalter wie ich ihre Begeisterung nicht verhehlen.

Mit fast identischen Fahrleistungen glänzt der Audi – er bemüht dafür aber 335 PS aus 4,2 Liter Hubraum. Der Unterschied zum Benz läßt sich schon beim Anlassen hören: Heiser und aggressiv röchelt der Fünfventiler seine sportlichen Ambitionen ins Ohr. Kein leeres Versprechen, sondern passende Untermalung für den bissig ansprechenden 4,2-Liter. Ein Motor, den man permanent fordern und drehen möchte (Höchstleistung erst knapp 1000 Umdrehungen später als bei Mercedes und Lexus), und der die Besatzung akustisch fast schon auf die Rennpiste beamt. Das gehört in der Oberklasse vielleicht nicht unbedingt zum guten Ton, mir gefällt es aber. Unschön dagegen: Wie der BMW verlangt der Audi nach teurem Super Plus.

Der 5er tritt wie der Mercedes mit 306 PS an, schöpft sie aber aus nur vier Liter Hubraum. Kein Wunder, daß daraus "nur" 390 Nm Drehmoment resultieren. Unterschätzen sollte man den 540i aber dennoch nicht. Mit dezentem Knurren reagiert der Vierventiler selbst auf zarteste Gaspedal-Bewegungen, gibt sich stets motiviert und dreht bei Bedarf beherzt in Richtung Begrenzer. Die Automatik legt die Gänge passend und angenehm sanft nach. Leistungslöcher lassen sich nicht erkennen. So klebt der 5er seinen deutschen Mitstreitern unnachgiebig am Auspuff, erst kurz vor dem selbstauferlegten Tempolimit (bei allen 250 km/h) verliert er dann doch etwas an Boden.

Werksangaben und Testwerte

Die kleinsten Muskelpakete zeigt der Lexus mit seinen 283 PS. Einen schwächlichen oder untermotorisierten Eindruck hinterläßt er aber auf gar keinen Fall. Was auf Anhieb beeindruckt, ist das fast unhörbare Standgeräusch. Der 4,3-Liter-V8 spielt mit gerade mal 37 dB (A) das leise Lied der Laufruhe – ein Wert, gegen den eine gepflegte Unterhaltung wie eine rabiate Diskussion wirkt. Wer nicht aufpaßt, läßt den GS an der Tankstelle laufen, ohne es zu merken.

Ganz sanft und gleichmäßig schiebt der GS 430 dann auch an. Der deutschen Konkurrenz fährt er zwar stets hinterher, die Sprintwerte können sich aber immer noch sehen lassen. Wer in 6,7 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt, muß der Bestmarke des Mercedes (6,0 Sekunden) nicht wirklich nachtrauern. Auch die reaktionsschnelle Sechsgang-Automatik kann weitgehend überzeugen.

Lexus setzt auf Luxus

Innen setzt der Japaner ebenfalls auf fetten Luxus: tolle Verarbeitung, komplette Ausstattung, feines Ambiente – hier wird Reisen zum Genuß. Auch wenn das unbestechliche Maßband beweist, daß auf die deutsche Konkurrenz beim Platzangebot insgesamt ein paar Zentimeter fehlen, geht es im GS immer noch ausreichend gemütlich zu. Deutliche Einschränkungen treten erst bei Urlaubsfahrten mit voller Besatzung zutage: Im Vergleich zu Audi, BMW und Mercedes muß sich der Lexus-Lenker mit einem um rund 100 Liter kleineren Kofferraum begnügen.

Das aufwendige Fahrwerk mit elektronischer Dämpfersteuerung sorgt dabei für klassengerechten Fahrkomfort. Nur bei schneller Autobahnfahrt sprechen die Dämpfer auf Querfugen etwas steif an. Außerdem wirken die Abroll und Windgeräusche im Lexus deutlich dominanter als bei den Mitstreitern – was ganz sicher aber auch am extrem leisen Motor liegt.

Bei der Fahrsicherheit gibt sich der Lexus keine Blöße. Souverän umschifft die Elektronik Elche und andere Überraschungen. Die elektrohydraulische Bremse (mit reinhydraulischem Durchgriff im Störfall) verzögert zuverlässig. Kritik erntet nur die elektrische Servolenkung. Ihre variable Übersetzung (von 12,4 bis 17,2:1 statt 14,6:1) paßt sich den unterschiedlichen Anforderungen vom Einparken bis zum rasanten Autobahntempo zwar hervorragend an, es fehlt aber eine realistische Rückmeldung. Der Fahrer fühlt sich seltsam entkoppelt.

Die Fahreigenschaften

Mercedes setzt in der E-Klasse konsequent auf Komfort, ohne Sicherheit oder Agilität zu vernachlässigen. Die entspannte Auslegung der Lenkung trifft durchaus unseren Geschmack, die geschmeidige Luftfederung (ohne Aufpreis) läßt uns jubeln. Zwischen Sport und Komfort findet hier jeder sein Lieblings-Set-up, im Automatik-Modus wechselt der Benz die Federhärte mit sicherem Gespür. Selten war Reisen so angenehm und entspannend. Dazu tragen natürlich auch das großzügige Platzangebot, ein feines Interieur und die tadellose Fahrsicherheit bei. Was das Mercedes-ESP auf Schnee und Eis ermöglicht, ohne das kleinste Risiko einzugehen, könnte manchen schon zu übertrieben sorgloser Fahrweise verleiten.

Mit souveräner Gelassenheit kurvt auch der A6 durch den Verkehr. Sein ESP regelt mitunter zwar etwas ruppiger, dank Allrad ist er trotzdem ziemlich zügig unterwegs. Die tolle Lenkung und die dynamische Fahrwerkauslegung steigern den Fahrspaß noch zusätzlich, der piekfein gearbeitete, geräumige Innenraum tut ein Übriges. Die Kehrseite der Medaille offenbaren schlechte Straßen oder Eisplatten auf der Fahrbahn. Die Vorderachse neigt im Extremfall immer noch zum Poltern, an den Schwebekomfort des E 500 reicht der A6 nicht heran – auch nicht mit Luftfederung (1900 Euro).

BMW setzt wie Lexus konsequent auf Stahl als Federmaterial – und fährt damit ziemlich gut. Nicht ganz so geschmeidig wie die Luftsänfte von Mercedes, schluckt er Querfugen dennoch einen Hauch besser als Audi und Lexus. Dabei verlieren die Bayern die Sportlichkeit zum Glück nicht aus den Augen. Die Lenkung arbeitet wunderbar direkt, und das Handling des 5ers wirkt angenehm leichtfüßig – so kennen und lieben wir BMW. Im Innenraum ziehen die Münchener ebenfalls alle Register, um ihrem Premium-Image gerecht zu werden. Und das mit Erfolg: Auch wenn mir persönlich die Cockpit-Gestaltung früherer Modelle besser gefiel, läßt sich an Verarbeitung und Materialauswahl kaum etwas aussetzen. Selbst beim Raumangebot gibt sich der Bayer im direkten Vergleich keine Blöße. Der Platz unterm Leuchter dürfte also sicher sein.

Fazit und Wertung

Fazit von Gerald Czajka: Bei diesem Vergleich gibt es keinen echten Verlierer. Dazu bieten alle vier Limousinen einfach zuviel gute Technik. Daß Mercedes am Ende als Sieger durchs Ziel fährt, liegt an seiner Ausgewogenheit, dem phantastischen Komfort und dem tollen V8.

Knapp dahinter teilen sich Audi und BMW Platz zwei. Wer es betont sportlich und straff liebt, greift zum Ingolstädter. Wer den eleganten Gleiter mit sportiven Reserven sucht, fährt mit dem Bayern am besten. Leider verspielt BMW seinen Sieg mit magerer Gewährleistung statt echter Garantie – ein Unding in dieser Klasse. Der Lexus überzeugt mit flüsterleisem Motor und üppiger Ausstattung, es fehlt aber der Feinschliff.

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