Volvo, Maserati, Jaguar! Vor dem großen Schwärmen, welch prächtige Vielfalt Europas Luxusautos doch bereithalten, folgt hier eine kurze Gedenkminute: Dieser Vergleich ist ein Ergebnis der Globalisierung. Die Traditionsmarken aus Schweden und England haben nur überlebt dank Hilfe aus Asien: Jaguar erblüht dank der Tata-Milliarden aus Indien. Und Geely, chinesischer Autobauer, lenkt Volvo weitsichtiger als zuvor Ford. So, Schluss mit Gedenken. Und nun Tusch und die Sektkorken knallen lassen: der neue Volvo S90 im ersten Anschmecktest mit dem Jaguar XJ und einem Maserati Quattroporte. Ist das Leben nicht schön?

Volvo setzt auch beim S90 auf ein dezentes Blechkleid

Volvo S90 T6 AWD
Klar und reduziert: Mit seinem Design wirkt der Volvo S90 gegen seine Konkurrenz fast schon bescheiden.
Bild: Toni Bader
Wer bei klassischen Limousinen je von Langeweile faselte, hat dieses individuelle Luxus-Trio nicht erlebt. Hat nicht gestaunt, wie am Jaguar die stille Wucht seiner Front übergeht in den schrulligsten Querkopf der Chefetage. Dieses Fließheck, etwa so crazy wie ein pinkfarbener Anzug in der Vorstandssitzung, darf sich wohl nur ein Engländer erlauben. Respekt. Der Quattroporte dagegen gibt den klassischen Italo-Dreiteiler. Noch mit dem gleichen Schnitt wie sein großartiger Vorgänger, hat er sich fast unbemerkt gestreckt auf repräsentative 5,26 Meter. Den Bestseller und Geschäftswagen spielt nun der kleinere Ghibli. Der Quattroporte dagegen ist aufgestiegen zum Auto für Staatschefs und Präsidenten von Fußballklubs. In dieser illustren Runde wirkt der Volvo bescheiden und kleiner, trotz seiner amtlichen 4,96 Meter Länge. Das liegt an seiner schmuckfreien Klarheit, die am reduzierten Heck fast schon in Langeweile umschlägt – der Kombi V90 ist mal wieder attraktiver. Die Limousine lebt von gelungenen Proportionen und dem kleinen Rätsel, ob die schräge Dachsäule hinten nun ein Coupé andeutet oder eine Stufe würzt.
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Beim Innenraum des XJ pflegt Jaguar englischen Landhausstil

Jaguar XJ 3.0 V6 Diesel
Opulent: In der "Portfolio"-Version zeigt das Interieur des Jaguar XJ gepflegten englischen Landhaus-Stil.
Bild: Toni Bader
Sein Interieur verströmt die sachliche Wärme einer modernen Hotellounge. Der aufrechte Touchscreen moderner als im Jaguar, das Chrom matter, das Holz heller. Man sieht besser, dank des niedrigeren Armaturenträgers und der größeren Fenster. Dieser Volvo will mehr dienen als darstellen. Daher unterscheidet er sich auch technisch grundlegend von XJ und Quattroporte: Es gibt durch die Bank nur Vierzylinder, die sich platzsparend quer unter die Haube quetschen. Das spürt man spätestens auf der Rückbank. Dort herrscht eine Weite wie in Schwedens Wäldern, die der Jaguar (mit längs eingebauten Sechs- und Achtzylindern) erst in der teuren Langversion hinbekommt. Dafür glänzt der englische XJ in der "Portfolio"-Version mit seinem Stilmix aus Zuckerbäcker-Chrom, dunklem Holz und cognacfarbenem Leder – ein rollendes Kaminzimmer, fast erwartet man ein Ölbild am Wagenhimmel zu finden. Der Sechszylinder-Diesel, neuerdings 300 PS stark, knistert dazu wie ein fernes, mächtiges Feuer. Seine herrschaftliche Vehemenz (und das Spartalent) machen ihn zu Recht zum mit Abstand liebsten Motor der deutschen Kunden.
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Undenkbar im Maserati SQ4, der zumindest hinterm Lenkrad ein Athlet bleiben will. Die Anzeigen klassisch analog, rechts die Sporttaste für flotte Gasannahme, mittig wird die Drehmomentverteilung des Allradantriebs angezeigt. Netter Gag, aber die Musik macht der Dreiliter-Benziner mit Doppelturbo, der mit seinen 410 PS das freiwillige Autobahnlimit den braven Bürgern überlässt. 283 km/h sind ein Wort, dafür bringt man am besten gehobenes Selbstbewusstsein und ein volles Konto mit. Die 109.900 Euro Basispreis werden nur noch übertroffen vom Topmodell GTS mit Achtzylinder und 530 PS.

Der Teuerste ist Testtrio trägt den Dreizack im Kühlergrill

Maserati Quattroporte SQ4
Reichlich teuer: Maserati verlangt für den Quattroporte SQ4 einen Grundpreis von satten 109.900 Euro.
Bild: Toni Bader
Da will Jaguar nicht zurückstehen und bietet Luxuskunden den XJR mit 550 PS und Fünfliter-Kompressor für abgehobene 142.400 Euro. Beide, Jag wie Dreizack, sind Aushängeschilder für Image und Export, bei uns so selten wie Schnee an Pfingsten. Also kommen wir mal zurück auf den Boden. Volvo belässt es bei Vierzylindern, die zwar leise laufen, aber nie so kultiviert wie die Konkurrenz. Die beiden Basismotoren lassen 190 Diesel-PS und 254 Pferde im Benziner auf den Vorderradantrieb los – das spart Gewicht und Sprit, lässt aber zwangsläufig bei voller Beladung auf nasser Straße auch mal Vorderräder scharren und die Elektronik wild regeln. Die stärkeren V90, bis hin zum 320 PS starken Turbohammer, haben daher serienmäßig Allradantrieb. Den PS-Abstand zur Nobelkonkurrenz verkürzt ab Dezember die geplante Hybridversion mit rund 407 PS – auch die mit nur zwei Liter Hubraum. Dabei muss der Volvo sich technisch keineswegs verstecken. Die Achtstufenautomatik schaltet gelassen souverän, gegen Aufpreis federn an der Hinterachse Luftkissen. Beim sogenannten Familienpaket gibt es im Fußraum vorm Beifahrer zwei Haken, um einen Kindersitz auch rückwärts zu befestigen. Und im bislang stärksten Benziner, dem T6, verschließt eine Klappe das rechte Endrohr, um unerwünschte Resonanzen im Innenraum zu unterdrücken.
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Welch ein Gegensatz: Der Maserati schaltet für den Sound auf freien Durchzug, der Volvo tritt akustisch auf die Bremse. Auch beim Preis, der mit 61.450 Euro in der Topversion deutlich unter den großen Luxusschiffen liegt. Dieser S90 fährt eine Klasse tiefer, gegen Audi A6 Avant oder den Kombi der E-Klasse. Die wiederum wird er mit seinem Format leicht überragen. Ist sie nicht herrlich, Europas Vielfalt?
Technische Daten Jaguar XJ 3.0 V6 Diesel • Motor: V6, Biturbo, vorn längs • Hubraum: 2993 cm³ • Leistung: 221 kW (300 PS) bei 4000/min • max. Drehmoment: 700 Nm bei 2000/min • Vmax: 250 km/h • 0–100 km/h: 6,2 s • Antrieb: Hinterradantrieb, Achtstufenautomatik • Tankinhalt: 77 l • L/B/H: 5130/1899-2105/1460 mm • Kofferraum: 520 l • Leergewicht: 1835 kg • EU-Mix: 5,7 l Diesel/100 km • Abgas CO2: 149 g/km • Preis: ab 81.000 Euro.
Technische Daten Maserati Quattroporte SQ4 • Motor: V6, Biturbo, vorn längs • Hubraum: 2979 cm³ • Leistung 301 kW (410 PS) bei 5500/min • max. Drehmoment: 550 Nm bei 1750/min • Vmax: 283 km/h • 0–100 km/h: 4,9 s • Antrieb: Allrad, Achtstufenautomatik • Tankinhalt: 80 l • L/B/H: 5262/1948-2100/1481 mm • Kofferraum: 530 l • Leergewicht: 1920 kg • EU-Mix: 9,7 l Super/100 km • Abgas CO2: 226 g/km • Preis ab 109.900 Euro.
Technische Daten Volvo S90 T6 AWD • Motor: Vierzylinder, Turbo, Kompressor, vorn quer • Hubraum: 1969 cm³ • Leistung: 235 kW (320 PS) bei 5700/min • max. Drehmoment: 400 Nm bei 2200/min • Vmax: 250 km/h • 0–100 km/h: 5,9 s • Antrieb: Allrad, Achtstufenautomatik • Tankinhalt: 60 l L/B/H: 4963/1879-2019/1443 mm • Kofferraum: 500 l • Leergewicht: 1892 kg • EU-Mix: 7,2 l Super/100 km • Abgas CO2: 165 g/km • Preis ab 57.550 Euro.

Fazit

von

Joachim Staat
Volvo bereichert Europas Auto-Adel um einen bürgerlichen Aufsteiger: Der S90 rangiert nur bei Preis und PS eine halbe Stufe unter Jaguar und Maserati, hält in Stil und Image aber locker mit. Der Schwede hat das Zeug, sich als dezente Alternative von den deutschen Marktführern abzusetzen.