Das mit dem Klima haben eigentlich alle kapiert außer dem alten Mann mit der Banane auf dem Kopf. Wenn wir so weiterballern und die Schadstoffe zweistelliger Verbräuche hinten rausrotzen, können wir irgendwann im Hessischen Bergland 'ne Strandbar aufmachen. Was tun? Die Klimaschützer über Twitter wild bepöbeln und Pick-ups "great again" machen? Nix da! AUTO BILD summt mit dem e-Golf los und fragt sich: Ist Strom das neue Super? Gegner des Öko-VW ist ein Normalo-Golf 1.5 TSI, der mit einem Testverbrauch von 6,8 Liter Super nicht mal der größte Eisschollen-Schmelzer ist.

Mit mehr Reichweite wird der e-Golf langsam interessant

VW Golf
Mehr drin: VW hat die Batterie des e-Golf ordentlich vergrößert – jetzt sind 240 Kilometer möglich.
Den e-Golf hat VW 2014 erfunden. Aber seien wir mal ehrlich: Bislang war der nicht satisfaktionsfähig. 190 Kilometer Reichweite im Labor, nur 165 in freier Wildbahn – da gackern ja die Hühner! Mit dem Facelift hat VW die Batterie von 24,2 auf 35,8 kWh vergrößert, spricht von 300 Kilometern unter Idealbedingungen und 200 im "real life"; wir sagen: 240 Kilometer sind ohne Flunkern drin! Unser Testkoordinator Gunnar Heisch (50), dessen automobiles Lebensmotto ansonsten "Pedal to the metal" lautet, hat während seiner Tour mit dem e-Golf sogar seine Berufung als Sparkommissar entdeckt: "Dieser Golf ist wie ein Bier, das sich immer wieder von selbst nachfüllt." Okay, lieber Gunni, da hat es dich vielleicht etwas zu sehr berauscht, aber wahr ist: Rekuperieren ist klasse! Entweder erhöht sich die Reichweite beim Tritt auf die Bremse um ein paar Kilometer, oder wir lassen den Golf im Super-Öko-Programm durch Gaswegnehmen bremsen und füllen so den Akku wieder auf.
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Alte Autofahrgewohnheiten sollte man besser ablegen

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Vorsicht vor Vollgas: Hohes Tempo quittiert der e-Golf mit hohem Elektronendurst – und kleiner Reichweite.
In der Stadt klappt das prima, da fährt sich der e-Golf in unsere Herzen, wo sein Normalo-Kumpel nur 'ne Vernunftsentscheidung ist. Liegt am tiefen Schwerpunkt des Stromers; seinen Akku-Pack haben sie am Fahrzeugboden montiert. So liegt der e-Golf satt in der Kurve, beschleunigt linear hoch und bockt nie rum. Aber wenn dann die Autobahn kommt, nee, die mag er nicht, da fühlt sich der e-Golf so wohl wie 'ne Kuh in der Disco. Erstens regelt er bei Tempo 150 ab, und zweitens willst du so schnell ohnehin nicht fahren, weil dann die Restkilometer purzeln wie die Pfunde mit Almased, da kannste gar nicht schnell genug gucken, schon ist nichts mehr da. Glauben Sie nicht? Das Foto links haben wir am Umspannwerk in Wedel (Schleswig-Holstein) geschossen, sind dann zwei Kilometer auf der Schnellstraße zurück nach Hamburg gefahren, und schon waren zwölf Kilometer Reichweite futsch.
Deshalb haben wir an dieser Stelle drei Hinweise für die Benutzung des e-Golf. Erstens: Fahren Sie ihn nicht wie einen Verbrenner. Also lieber Stadtverkehr als Schnellstraße, so sind 240 Kilometer drin; Hamburg–Berlin eher nicht und Hamburg–Nordsee nur, wenn es 'ne Ladesäule gibt, sonst müssen Sie Urlaub einreichen. Zweitens: Der e-Golf taugt nur als Erstwagen, wenn Ihre Verwandten in der Nähe wohnen und Sie in den Urlaub fliegen. Denn nur in den ersten zwei Jahren spendiert Ihnen VW ein Urlaubsauto für maximal 30 Tage und 4000 Kilometer per anno.

Am eigenen Starkstromanschluss führt kein Weg vorbei

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Unbedingt empfehlenswert: Der e-Golf sollte über eine Wallbox geladen werden – mit 220 V dauert es ewig.
Und drittens: Sie sollten eine Garage haben, in der Sie eine Wallbox (kostet 1000 Euro) anbringen können. Und täglich höchstens 80 Kilometer zur Arbeit pendeln, so macht der e-Golf auch im Winter mit Heizung nicht schlapp. Ach ja, gehört noch zu drittens: Sie sollten Öko-Strom tanken, sonst kommen zwar aus dem e-Golf keine Abgase, aber dafür aus dem Kohlekraftwerk, und Dreck ist Dreck, egal woher. Laden dauert an der Wallbox (3,6 kW) knapp elf Stunden, mit 7,2 kW sind es etwas über fünf Stunden. Mit CCS-Schnellladen sind 80 Prozent in 45 Minuten drin. Und wer nur eine Haushaltssteckdose hat, wartet 17 Stunden. Wir wollten ja wissen, ob Strom das neue Super ist. Rechnen! Der e-Golf kostet 35.900 Euro, da sind vier Türen, LED-Scheinwerfer, das große Navi und Klimaautomatik schon drin. Und es gibt 4000 Euro Umweltbonus. Macht unterm Strich 31.900 Euro. Wenn wir all das in den 1.5 TSI einbauen, landen wir bei 31.160 Euro. Und da sage noch einer, E-Autos sind teuer. Nee, sind sie nicht, im Unterhalt sogar günstiger als ein vergleichbarer Benziner.
Schauen Sie mal in die Betriebskostentabelle für die beiden Gölfe, für die wir eine vierjährige Haltezeit und 60.000 Kilometer angenommen haben. 40 Cent kostet der Kilometer im e-Golf, der Benziner ist drei Cent teurer. Und warum geben wir dem TSI trotzdem einen Stern mehr? Alltagstauglicher. Und weil ein E-Auto altert wie ein Smartphone – also im Zeitraffer. Wenn der e-Golf in vier Jahren 500 Kilometer am Stück schafft, geht's andersrum aus. Dann kapiert es vielleicht auch der alte Mann mit der Banane auf dem Kopf.
Andreas May

Fazit

Bravo, VW! Der neue e-Golf gefällt uns – aber nur in der Stadt! Wer täglich 60 Kilometer zur Arbeit und wieder nach Hause fährt und einen Carport für eine Wallbox hat, sollte mal nachrechnen. Wer flexibel bleiben und spontan verreisen will, fährt besser Benziner.

Von

Berend Sanders