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Video: VW Golf GTE (2014)

Neuer Hybrid-Golf im Test

Bild: AUTO BILD
VW legt den Golf an die Leine. Weil es die Niedersachsen langsam leid sind, dass alle Welt bei Elektroautos aus Deutschland nur vom BMW i3 schwärmt, holen sie nun zum Gegenschlag an der Ladesäule aus und elektrifizieren kein geringeres Auto als den Golf. Masse statt Klasse, lautet das Motto und spätestens im Dezember 2014 könnte diese Rechnung durchaus aufgehen. Denn nach dem rein elektrischen und deshalb wohl auch nur für kleine Serien und enge Nischen tauglichen e-Golf kommt der bundesdeutsche Bestseller dann auch als Plug-in-Hybrid. Und der ist nicht nur sparsam, sondern lockt obendrein mit einer gehörigen Portion Spaß und Sportlichkeit – kein Wunder, dass VW ihn kurzerhand zum GTE stempelt und mit den gleichen Insignien schmückt wie GTI und GTD. "Emissionsfrei in der Stadt und mit fast 1000 Kilometern Reichweite trotzdem absolut langstreckentauglich vereint er das beste aus zwei Welten", sagt Entwicklungsvorstand Heinz-Jakob Neußer und glaubt, dass mit einem Konzept wie diesem tatsächlich der Durchbruch zu schaffen ist.

Der Golf GTE ist ein elektrifizierter GTI

VW Golf GTE
Die GTI-typischen Karo-Sitze tragen blaue Streifen, das Sechsgang-DSG ist Serie.
An den Fahrleistungen wird es jedenfalls nicht liegen. Denn elektrisch fährt der Hybrid mit Steckdosen-Anschluss mit seinen 102 PS und dem spontanen Drehmomentaufbau aller Stromer so gut wie jedes andere Akku-Auto: Er startet an der Ampel mit quietschenden Reifen, schafft auch ohne Verbrenner 130 Sachen und wenn die Lithium-Ionen-Zellen im Wagenboden nach 2:15 Stunden an der heimischen Wallbox voll geladen wurden, reicht der Strom für bis zu 50 Kilometer. Die große Stärke des Plug-in-Modells ist allerdings das Zusammenspiel mit dem 150 PS starken Benziner. Nicht nur, weil der Sparer dann zum Sportler wird, mit einer Systemleistung von 204 PS und 350 Nm plötzlich so viel Laune macht wie ein GTD und zum Beispiel in 7,6 Sekunden von 0 auf 100 sprintet. Oder weil er Konkurrenten wie dem BMW i3 bei Vollgas im rein benzinbetriebenen GTE-Modus so rasch davon fährt, wie ein Porsche einem Polo. Sondern weil er wenn’s sein muss wie ein ganz normales Auto fährt: Bei einem Aktionsradius von fast 1000 Kilometern muss niemand nach der Reichweite schauen und bei einem Spitzentempo von 222 km/h darf man es auch mal ein bisschen eilig haben, loben die Entwickler das Konzept, das den Kunden einen soften Umstieg in die schöne neue Welt der Stromer ermöglichen soll.

Der Verbrauch von 1,5 Litern ist reine Theorie

VW Golf GTE
Der Ladevorgang der Lithium-Ionen-Akkus an der heimischen Wallbox dauert rund zwei Stunden.
Auf eine Enttäuschung müssen sie sich dabei freilich trotzdem einstellen: Der Normverbrauch von 1,5 Litern ist ein rein theoretischer Wert, der allein dem schmeichelhaften Testzyklus zu verdanken ist. In der Praxis dürfte sich der Wert viel eher bei vier oder fünf Litern einpendeln. "Wenn man den Benziner überhaupt mal braucht", sagt die VW-Truppe. Denn weil die meisten Tagesetappen der Deutschen kürzer sind als 50 Kilometer, hat der Verbrenner nach ihrer Erwartung die meiste Zeit ohnehin Ferien. So gut sich der Golf GTE auch fährt und so ausgreift die Technik mittlerweile scheint – all das wird die Schlacht an der Ladesäule vorerst nicht groß beeinflussen. Sondern das gelingt nur über das Prestige und den Preis. Und da sind die Vorteile des Golf GTE gegenüber dem i3 mit Range Extender dann schon nicht mehr ganz so groß. Mit 36.900 Euro kostet er nämlich noch einmal 2000 Euro mehr als der rein elektrische Golf und liegt ziemlich genau in der Mitte zwischen den 34.950 Euro für den rein elektrischen i3 und den 39.450 Euro für die Version mit Range Extender.

Das Gewicht hält sich in Grenzen

Ob die Karosserie jetzt aus Carbon oder als Stahl gefertigt wurde, das dürfte den Kunden dabei vergleichsweise egal sein. Und dass VW mit einem Gewicht von 1599 Kilo überraschend nahe an die 1315 Kilo des deutlich kleineren und innen sehr viel engeren i3 mit Range Extender heran kommt, zeugt vom strengen Diätkurs in Wolfsburg. Schließlich wiegt allein die 8,7 kWh große Lithium-Ionen-Batterie des Golf 120 Kilo. Doch auch mit dezenten Design-Modifikationen um die serienmäßigen LED-Scheinwerfer, einer blauen Linie im glatten Grill und neuen Plaketten ringsum bleibt der GTE ein Golf wie jeder andere und ist damit lange kein so aussagekräftiges Statement gegenüber den Nachbarn wie ein i3.Bei solchen Preisen ohne politische Anreize auf einen Durchbruch zu hoffen, fällt einem schwer. Selbst wenn Entwicklungschef Neußer von bezahlbarer Technik spricht und vor allem die niedrigen Betriebskosten preist. Denn auch wenn man die 100 Kilometer im E-Golf im Plug-in-Modell für 5,39 Euro schafft, muss man verdammt viel fahren, damit sich so die Anschaffung lohnt. Erst recht, wenn man stattdessen den Golf jetzt auch mit Erdgas-Antrieb kaufen kann: Der kostet mit seinen 23.400 Euro nämlich nicht nur geschätzte 10.000 Euro weniger – sondern schafft die Referenzstrecke für ziemlich konkurrenzlose 3,63 Euro. Da könnte es dann zur Retourkutsche werden, was VW eigentlich als großen Vorzug preist: Dass der Golf weltweit das erste Auto ist, das vom Benziner und dem Diesel über den Gas-Betrieb bis hin zum Elektro- und Plug-in-Motor mit allen relevanten Antrieben angeboten wird.

Von

Thomas Geiger