Volkswagen zündet die nächste Stufe seiner Elektro-Offensive: Vorgemerkte Kunden können den VW ID.3 ab sofort offiziell ordern. Die Wolfsburger hoffen, dass aus 35.000 Kaufoptionen mindestens 30.000 feste Bestellungen werden – ein Anreiz dürfte das kostenfreie Laden im ersten Jahr für die "early adopter" sein. Wer sich bisher nicht hat vormerken lassen, der kann ab Mitte Juli bestellen und bekommt sein Elektromobil dann im vierten Quartal 2020 geliefert. Die Fahrzeuge werden seit Monaten im Werk Zwickau in der sogenannten "First Edition" vorproduziert.Die erste Serie des 4,26 Meter langen Elektroautos gibt es nur mit 204 PS (150 kW), dem mittleren 58-kWh-Akku, in vier Farben und drei festen Ausstattungspaketen. Verfügt das knapp 40.000 Euro teure Basismodell des ID.3 First über Navigationssystem, Digitalradio, Sitz- und Lenkradheizung und 18-Zoll-Felgen, bietet erst das Plus-Paket für knapp 46.000 Euro eine Rückfahrkamera, das schlüssellose Zugangssystem, LED-Matrix-Scheinwerfer und 19-Zöller. In der rund 50.000 Euro teuren Topversion freuen sich die Insassen über Ausstattungsdetails wie das Head-up-Display mit Augmented Reality, ein Panoramadach, elektrische Massagesitze, 20-Zoll-Radsatz und ein Fahrerassistenzpaket mit Telefonschnittstelle mit induktivem Laden. Schnelles Laden mit 100 kW Gleichstrom (DC) bzw. 11 kW Wechselstrom (AC) bieten dagegen alle Versionen. Das mittlere Akkupaket soll bis zu 420 Kilometer Reichweite ermöglichen.

Die Fehler der Vorserie sind ausgemerzt

So fährt der VW ID.3
Gelungener Feinschliff: Neben der Dynamik passt jetzt auch die Abstimmung von Fahrwerk und Lenkung.
Wie reif der VW ID.3 mittlerweile technisch ist, merkt man nach ein paar Kilometern auf dem Testgelände und auf öffentlichen Straßen. Kraftvoll und dynamisch war er dank seiner 204 PS und 310 Nm maximalem Drehmoment bereits in der Erprobung, doch jetzt passen auch die Abstimmung von Fahrwerk und Lenkung des über 1,7 Tonnen schweren Elektromodells mit Hinterradantrieb. Dazu sind die nervigen Störgeräusche von den Außenspiegeln oder aus den vorderen Radhäusern verschwunden. Glänzen kann der neue VW ID.3 mit seinem sehr niedrigen Geräuschniveau und ausgewogenem Fahrverhalten. Wie bei anderen Elektroautos üblich, ist bei 160 km/h Schluss – aber kaum jemand dürfte den elektrischen Fünftürer als Langstreckenauto und Autobahnmodell nutzen. Der Fahrer hat die Wahl, ob er den ID.3 wie einen Verbrenner im D-Fahrprogramm rollen lässt oder im B-Modus mit maximaler Rekuperation und dem sogenannten One-Pedal-Feeling unterwegs ist.Was gefällt, sind der niedrige Schwerpunkt und die gute Rückmeldung der allerdings sehr leichtgängigen Lenkung. Wer über den Taster unter dem Navigationsdisplay das Fahrprogramm auf sportlich wechselt, der bekommt mehr Rückmeldung und eine straffere Abstimmung. Kaum anzunehmen, dass dies bei einem Elektro-Kompaktwagen ohne sportlichen Anspruch jemand im Alltag nutzt.

Viel Platz trifft auf nüchternes Ambiente

So fährt der VW ID.3
Platz satt: Mit 2,76 Metern Radstand bietet der ID.3 im Fond auch Großgewachsenen Komfort.
So überzeugend Fahrverhalten und Platzangebot – auch groß gewachsene Personen können dank 2,76 Metern Radstand im Fond sitzen – auch sind, an das nüchterne Interieur muss man sich gewöhnen. Die Kunststoffoberflächen wirken nicht annähernd so hochwertig wie beim Golf, und das Instrumentendisplay hinter dem Steuer ist klein. Daran ändern auch das optional verbaute Head-up-Display und die gute Sprachbedienung nichts. Bei einigen Details im Innenraum hat man das Gefühl, dass der mehr als sieben Jahre alte BMW i3 Designpate stand. Das gilt nicht nur für den wenig schmuckvollen Innenraum, sondern eben auch für die Anordnung der beiden Displays oder die gewöhnungsbedürftige Bedienung der Gangwahl über den Bediensatelliten rechts hinterm Lenkrad. Die ersten Kunden wird das wenig stören. Auch Volkswagen freut sich auf den Marktstart: Trotz Corona-Krise und Elektronikbaustellen kann der ID.3 fast pünktlich auf die Straße rollen.

Von

Stefan Grundhoff