Wasserstoff-E-Auto: Interurban Vehicle, IUV, DLR, Plug-in-Hybrid, Brennstoffzelle, 1000 Kilometer
Dieses Leichtbau-E-Auto soll mit Wasserstoff 1000 Kilometer fahren

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Elektro, Brennstoffzelle, Plug-in-Hybrid, Leichtbau, autonomes Fahren – das Interurban Vehicle (IUV) des DLR vereint Gutes aus vielen Welten. Und 1000 Kilometer Reichweite verspricht das Fahrzeugkonzept auch noch.
Inhaltsverzeichnis
- Interurban Vehicle als Auto der Zukunft?
- Batterie und Brennstoffzelle an Bord
- Mehrere Leichtbauansätze im IUV vereint
- Batterie für rund 200 Kilometer – dann Wasserstoff
- IUV fährt voll automatisiert nach Level 4
- Cockpit wird zur Lounge oder zum Büro
- Cleveres Klimatisierungskonzept nutzt Druckdifferenz
- Fertigung des IUV ohne klassisches Werkzeug
- Interurban Vehicle ist ein Next Generation Car (NGC)
- Zukunftsprojekt ausgerichtet aufs Jahr 2030
Wie fahren wir in Zukunft Auto, ohne von fossilen Energieträgern abhängig zu sein? Diese Frage stellt sich angesichts der Klimakrise, des Ukraine-Krieges und horrender Spritpreise immer mehr. Antwort: im Idealfall in einem Brennstoffzellen-Plug-in-Hybridfahrzeug. So wie dem Interurban Vehicle (IUV) vom Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt (DLR).
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Das fünf Meter lange und zwei Meter breite Forschungsprojekt kombiniert eine von außen aufladbare Batterie und eine Wasserstoff-Brennstoffzelle zu einem emissionsfreien Antriebskonzept, das bis zu 1000 Kilometer Reichweite verspricht – und damit Langstreckentauglichkeit. Hinzu kommen beim Saubermann ein spezielles Energiemanagement und unterschiedliche Leichtbauansätze. Motto des IUV: nachhaltig weiterkommen (Umfrage: So wollen die Menschen künftig fahren).

Das Sitzkonzept ist auf fünf Personen ausgerichtet, die sich bei hoch automatisiertem Fahren auch gegenüber sitzen können.
Gerade einmal 250 Kilogramm wiegt nach Angaben der DLR-Forscher die Rohkarosserie des reisekompatiblen E-Autos, die vor allem aus faserverstärkten Kunststoffen besteht. Dies sei etwa ein Viertel weniger als in der Ober- und Mittelklasse üblich. Eines von mehreren Leichtbauprinzipien ist die sogenannte Funktionsintegration. So trägt beispielsweise die Bodenstruktur nicht nur sämtliche Aufbauten des Fahrzeugs, sie leitet auch Strom oder Daten. So kann auf zusätzliche Kabelleitungen verzichtet und damit Gewicht gespart werden. Insgesamt kommt das IUV mit Energiespeichern auf 1600 Kilo Leergewicht.
Die 48-kWh-Batterie im Heck des Plug-in-Hybriden kann von extern geladen werden. Ist der Strom nach rund 200 Kilometern alle, kommt die im Vorderwagen befindliche Brennstoffzelle mit 45 Kilowatt zur Geltung. Gespeist wird sie mit 7,5 Kilogramm Wasserstoff aus einem Drucktank mit 700 Bar, der sicher im Sandwich-Unterboden lagert. Der große Vorteil: Der Tankvorgang dauert nur in etwa so lange wie bei einem Benziner oder Diesel. Die Elektromotoren mit insgesamt 136 kW beschleunigen das IUV auf bis zu 180 km/h.

Das Antriebskonzept besteht aus einer Batterie (im Heck), einer Brennstoffzelle (im Vorderwagen) und einem Wasserstofftank (im Unterboden).
"Ziel des IUV ist es, den Langstreckenverkehr nachhaltig und lokal emissionsfrei zu gestalten", erklärt Projektleiter Sebastian Vohrer vom DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte in Stuttgart. Elektrifizierung und Automatisierung würden sich künftig bei Antriebstechnologien, aber auch im Interieur, also bei der gesamten Fahrzeugstruktur auswirken. Ja, Automatisierung. Das IUV fährt überwiegend selbst, nach SAE-Level 4 (hoch automatisiert).
Automatisiertes Fahren in Stufen
Stufe 0: Driver only
Definition: Fahrer führt dauerhaft Längs- und Querführung aus. Kein eingreifendes Fahrzeugsystem aktiv. Heißt: Der Fahrer macht alles alleine. Er fährt, lenkt, bremst, gibt Gas und achtet auf seine Umgebung. Das Fahrzeug unternimmt keinerlei Eingriffe bzw. hat dafür keine technischen Voraussetzungen.
Stufe 1: Assistiert
Definition: Fahrer führt dauerhaft Längs- ODER Querführung aus, System übernimmt jeweils andere Funktion. Heißt: Beim assistierten Fahren unterstützt das System den Fahrer mit bestimmten Assistenzsystemen, zum Beispiel mit einem Totwinkelwarner, einem Spurhaltewarner oder einer Berganfahrhilfe.
Stufe 2: Teilautomatisiert
Definition: Fahrer muss das System dauerhaft überwachen. System übernimmt Längs- UND Querführung in einem spezifischen Anwendungsfall. Heißt: Beim teilautomatisierten Fahren kann Auto einzelne Aufgaben für den Fahrer übernehmen. In diesem Stadium befinden sich die meisten Hersteller aktuell. Automatisches Einparken oder eine Spurhaltefunktion gehören zu den gängigsten Systemen. Der Stauassistent kann ohne Eingriff des Fahrers im Stau beschleunigen, bremsen und dem vorausfahrenden Fahrzeug folgen.
Stufe 3: Hoch automatisiert
Definition: Fahrer muss das System nicht mehr dauerhaft überwachen. Muss potenziell in der Lage sein, zu übernehmen. System übernimmt Längs- und Querführung in einem spezifischen Anwendungsfall. Erkennt Systemgrenzen und fordert Fahrer zur Übernahme mit ausreichender Zeitreserve auf. Heißt: Level drei wird als hoch automatisiertes Fahren bezeichnet. Der Wagen setzt beispielsweise eigenständig den Blinker, wechselt die Spur oder passt seine Geschwindigkeit dem fließenden Verkehr an. Der Fahrer hat dabei nicht mehr die Verantwortung für das Fahrzeug und kann seine Aufmerksamkeit für längere Zeit vom Verkehrsgeschehen abwenden. Der Autopilot kann den Fahrer aber immer auffordern, das Steuer wieder zu übernehmen, um den Wagen eigenhändig zu steuern
Stufe 4: Voll automatisiert
Definition: Kein Fahrer erforderlich im spezifischen Anwendungsfall. System kann im spezifischen Anwendungsfall alle Situationen automatisch bewältigen. Heißt: Level vier definiert die Vollautomatisierung. Der Wagen übernimmt alle Funktionen und gibt sie nur dann wieder ab, wenn eine Situation für das System nicht zu bewältigen ist.
Stufe 5: Fahrerlos
Definition: System kann während der ganzen Fahrt alle Situationen automatisch bewältigen. Kein Fahrer erforderlich. (Quelle jeweils: VDA/Bundesamt für Straßenwesen) Heißt: Der Mensch und das Lenkrad werden im Prinzip überflüssig. Der Wagen und das System brauchen lediglich eine Zieleingabe und die Freigabe zum Start. Dann steuert das Fahrzeug eigenständig das Ziel an. Das autonome oder fahrerlose Fahren ist erreicht.
Bis zu fünf Personen können sich im flexibel gestalteten Innenraum ein schönes Leben machen, nachdem sie ohne hinderliche B-Säule eingestiegen sind. Eine klassische Rückbank fehlt, die Vordersitze sind drehbar, die Bedienelemente können eingefahren werden. Auf Wunsch verwandelt sich das Cockpit in eine Lounge oder ein fahrendes Büro mit Arbeitsfläche.
Damit sich die Reichweite auf der Langstrecke nicht unnötig durch eine stromfressende Klimaanlage reduziert, verfügt das IUV auch über ein ausgeklügeltes Klimatisierungskonzept. Unter anderem wird ein Teil der Druckdifferenz zwischen Wasserstofftank (700 Bar) und Brennstoffzelle (5 Bar) genutzt, um die konventionelle Kältemaschine zu unterstützen und somit Energie zu sparen. Gesteuert werden kann die Klimaanlage – ähnlich wie im Flugzeug – von allen Insassen über den Dachhimmel.
Und auch das Produktionskonzept ist neu. Bei der additiven Fertigung fehlen klassische Maschinen und Werkzeuge, jedes Bauteil wird Schicht für Schicht aufgebaut. Neu entwickelte Teile können so flexibel prototypisch getestet werden.
Bislang ist das Interurban Vehicle nur ein rollfähiger Karosserie-Demonstrator. Es gehört zum übergeordneten Projekt Next Generation Car (NGC), in dem Wissenschaftler aus 16 DLR-Instituten an Fahrzeugkonzepten, Technologien und Mobilitätslösungen für die Straßenfahrzeuge der Zukunft arbeiten. Ein weiteres Mitglied der Reihe ist der Leichtbau-Zweisitzer Safe Light Regional Vehicle (SLRV), der nach seiner Präsentation auf der IAA 2021 für viel Aufsehen sorgte.

Drei Demonstratoren: Zum NGC-Projekt gehören außer dem IUV (r.) auch das Urban Vehicle (UMV/l.) und das Safe Light Regional Vehicle (SLRV).
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