So schnell auf Tempo 100 wie ein VW Golf GTI. Mehr Duchzug als eine Suzuki Hayabusa. Spontan in der Gasannahme wie eine 1000er-BMW. Würden Sie Ihrem 16-jährigen Kind so etwas für den Weg zur Schule unter den Hintern schieben?
Ach ja, Angst vor der Polizei müssen Sie nicht haben – der Wahnsinn ist nämlich legal, hier in Gestalt der Zero DS. Sie gehört zu jener Sorte Elektromotorräder, die im Nebel der EU-Typprüfungen verschleiern, wie viel Qualm sie wirklich am Hinterrad haben. Faszinierend oder gefährlich?
Zero DS
Die Zero hat mit 180 Nm mehr Durchzug als eine Honda Goldwing 1800.
Bild: Olaf Itrich / AUTO BILD

Johann, unser Fotofahrer, ist stolzer Besitzer der A1-Fahrerlaubnis, darf demnach 15 PS starke 125er aller Art bewegen, hat eine eigene Aprilia, auf der er on- und offroad unterwegs ist. Der Junge schreit also geradezu danach, die flüsterleise und extrastarke Zero auf Herz und Nieren zu prüfen.

Zero DS verstörend bissig

Doch mit dem, was kurz nach dem Anrollen passiert, hat weder Johann noch die Testcrew von AUTO BILD MOTORRAD gerechnet: Die DS geht vorwärts wie die gesengte Sau – der man zusätzlich einen 400-Volt-Stromschlag verpasst hat.

Gibt sie aus dem Stand heraus noch den gemütlichen Begleiter, legt sie kurz darauf verstörend bissig los. Bis etwa Tempo 140 surrt die Zero nachdrücklich-heftig voran. Vor allem die Durchzugswerte beeindrucken. Ortsende, Vollgas – an dieser Stelle werden gängige 600er-Maschinen klein im Rückspiegel.
Das Drehmoment am Hinterrad ist so gewaltig, dass bei Nässe höchste Vorsicht angesagt ist: Schon bei mäßigem Gasgeben kann der Grip abreißen und das immerhin 187 Kilogramm schwere Motorrad in den Heckschwenk übergehen.
Zero DS
Der Akku wird über einen Schukostecker aufgeladen, dessen Anschluss elegant im Rahmen versenkt ist.
Bild: Olaf Itrich / AUTO BILD

Eine moderne 125er-Viertakt-Enduro benötigt – brutal geschaltet – fast 20 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Die Zero schafft das mit einem kleinen Dreh des rechten Handgelenks rund dreimal schneller. Die Erklärung dafür suchte und fand unsere Testcrew auf dem Leistungsprüfstand: 56 PS, 180 Nm Drehmoment! Die Einstufung in die 15-PS-Klasse hat nur auf dem Papier ihre Berechtigung.

Zero mit Extra-Elektrokick

AUTO BILD MOTORRAD hakt beim Hersteller nach. Wir wollen wissen, unter welchen Bedingungen die enorme Power der Zero DS gedrosselt, wann auf die klassenübliche Leistung der 125er umgeschaltet wird. Die Antwort: "Prinzipiell kann man sagen, dass bei zu hoher Temperatur von Motor oder Batterie oder bei zu geringem Ladezustand die Leistung gedrosselt wird."
Das ist einigermaßen schwammig formuliert und lässt darauf schließen, dass die auf dem Prüfstand ermittelte Höchstleitung von 56 PS in den allermeisten Situationen zur Verfügung steht! (Bike-Neuheiten für 2022)
Illegal scheint das nicht zu sein. Laut Regelung Nr. 85 UN/ECE ist nämlich ausschließlich die Nenndauerleistung relevant für die gesetzliche Einstufung (Zulassungs- und Führerscheinklasse). Unter Nenndauerleistung versteht der Gesetzgeber die maximale Leistung, die ein Motor 30 Minuten lang dauerhaft halten kann. Den Extra-Elektrokick bewirbt Zero offensiv.
Titel AUTO BILD Motorrad 02-2022
Ab sofort erhältlich: die neue AUTO BILD MOTORRAD!
Bild: AUTO BILD

Die DS 11 kW biete ein "in ihrer Klasse außergewöhnliches Fahrerlebnis und einen absoluten Nervenkitzel. Egal ob Sie Fahranfänger sind oder wieder zum Motorradfahren zurückkehren".
Eine heikle Aussage, schließlich sind in diesem Segment 16-Jährige ebenso wie B196-Führerscheinbesitzer unterwegs, und die müssen nicht mal eine Prüfung absolvieren.

Top-Version mit 229 km Reichweite

Selbst ohne die beeindruckenden Leistungswerte ist die Zero ein wahrlich vollwertiges Motorrad. Die aufrechte Sitzposition auf dem angenehm ausgeformten Sattel taugt auch für längere Touren. Hier ist eher die Reichweite begrenzend – bis zu 191 km verspricht Zero für das Basismodell, die Version mit Top-Akkukraft (3699 Euro Aufpreis) soll dann 229 Kilometer weit surren.
Wir haben im Schnitt rund 140 Kilometer geschafft; die größte Reichweite ist im Stadtbetrieb möglich. Im breiten Cockpit lassen sich Tempo und alle anderen Angaben gut ablesen, dazu hilft eine Smartphone-App, Ladevorgänge zu verwalten oder Leistungscharakteristika einzustellen. Das ist schlau gemacht und übersichtlich aufgebaut.
Zero DS
"Druck, Tempo, Spaß – mehr geht nicht", sagt Testfahrer Johann (17).
Bild: Olaf Itrich / AUTO BILD

Auch sonst gefällt die Verarbeitung des US-Motorrads, alles ist fein montiert, die Materialien stimmen. Dazu kommen pfiffige Details wie die Ladebuchse im Rahmen oder das Kabelfach in der Tankattrappe.
Gehört sich auch so, bei einem Kaufpreis der Testmaschine von fast 19.000 Euro. So viel kosten drei ausgewachsene Adventure-Bikes vom Schlage einer Benelli TRK 502. Noch ein Grund, warum die Zero eigentlich nichts für den Weg zur Schule ist.

Technische Daten und Preis: Zero DS

Motor Permanent-Magnetmaschine
Akku 7,2 kWh
Dauerleistung 11 kW (15 PS) bei 3800/ min
max. Drehmoment 109 Nm
Spitze 139 km/h
Reifen v./h. 100/90-19 / 130/80-17
Sitzhöhe 843 mm
Leergewicht 187 kg
Reichweite 98 km
Preis ab 17.040 Euro

Fazit

von

AUTO BILD
Der Leistungstrick der Zero ist legal, aber moralisch nicht ideal. A1-Fahrer oder Auto-Umsteiger, die so schnell sprinten wie mit einer 900er? Heikel! Aber: Die DS ist auch beeindruckender Spaß-Apparat.