In den 80er-Jahren prägten Autos der Mittelklasse das Straßenbild in Westdeutschland. Doch die Wagen, die einst Millonen mobil machten, sind heute aus dem Straßenbild verschwunden. Wer hat noch einen Renault 14, einen frühen VW Passat Variant oder gar einen Fiat 131 Mirafiori? Die Brot- und Butterautos des Jahrzehnts sind verschwunden. niemand hob die Helden von einst auf. Man fuhr sie, bis sich die Reparatur nicht mehr lohnte, dann wurden sie schnöde entsorgt. So war die Wegwerfmentalität jener Jahre, heute würde man sich um die Alltagshelden der 80er vielleicht besser kümmern. Damit diese Autos nicht in Vergessenheit geraten: Hier ein genauerer Blick auf VW Passat Variant, Daihatsu Charmant, Ford Escort Turnier, Renault 14 und schließlich Fiat 131:

VW Passat Variant L: Die ewige Arbeiterklasse

Wo sind die Bestseller der 80er geblieben?
Große Klappe in Manilagrün: Der Passat Variant L von 1980 ist eine Ausnahmeerscheinung. 
Ein Passat Variant der ersten Generation wie dieser von 1980 rettet sich nur mit viel Glück in die heutige Zeit, so wie das Fotoauto. Es stand in einer Garage, wurde vergessen. Unverbrauchtes braunes Kunstleder und rissfreies Plastik zeugen davon. Der Entdecker dieses Passats restaurierte und lackierte ihn im originalen Manilagrün. Autos wie dieses sind so selten, weil ein Variant B1 nie chic oder begehrenswert sein sollte, sondern nur hilfreich. EA (Entwicklungsauftrag) 400 hieß er, als VW das Audi-80-Original zum Passat ummodelte. Vorderradantrieb, Leichtbau, Motoren – die Idee kam aus Ingolstadt. Erst erschien das Schrägheck im Mai 1973, dann folgte der Variant.
Dass der mit großer Klappe und Kombiheck der bessere – weil praktischere – Passat war, wurde sein Schicksal. Handwerk, Kleingewerbe, Taxler und Kommunalbehörden ritten ihn gnadenlos herunter. Dazu kam der Winterdienst: Ungeschützte Hohlräume und Recycling-Stahl hatten Nässe und Salz nichts entgegenzusetzen. Von den einstmal fast 2,6 Millionen Stück blieb kaum einer übrig. Wer will so einen heute? Menschen wie Bastian Schnurr. Als "Autojäger" handelt er mit Klassikern. Heute reichen quirlige 55 PS aus 1,3 Litern, um mit dem Passat Spaß zu haben. Nur finden muss man einen.

Ford Escort III Turnier mit der geringsten Ausstattung

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Die geringstmögliche Ausstattung, aber immerhin mit kräftigem 69-PS-Motor: Ford Escort Turnier von 1981.
An diesem Ford Escort Mk III Turnier fehlt fast alles, was möglich war: Radio, Ausstellfenster, Teppich im Gepäckraum, Armlehne, und auch beim zweiten Außenspiegel heißt es: Fehlanzeige. Immerhin das Gebläse hat zwei Stufen. Wer fuhr früher solche Autos? Mitarbeiter von Stadtwerken und Bundespost-Angestellte quälten sich oft in nackten Behörden-Versionen durch den Berufsalltag. Und der Chef eines Handwerksbetriebs, der sich den Turnier als Privatauto in frischem Taubengrau bestellte – und sich als einziges Extra den größeren 1,3-Liter-Motor mit 69 PS leistete. Er fuhr ihn nur wenig und auf kurzen Strecken, was immerhin das zähe, unfrohe Temperament des damals fortschrittlichen OHC-Triebwerks erklärt. Dann fuhr er gar nicht mehr. Wie sonst, wenn nicht im Hühnerstall eines älteren Herrn, hätte der Escort die kritische Zeit im Gebrauchtwagenzustand überlebt? Die Gattung Kleinkombi war nie zum Hätscheln oder Aufheben, immer nur zum Ranklotzen und Verbrauchen gemacht. Dabei überzeugt sein Konzept noch heute: Vorderradantrieb, quer gestellter OHC-Motor sowie hinterer Einzelradaufhängung – und ganz nebenbei der meistverkaufte Ford in Deutschland. Heute gefällt, neben Seltenheit und Kargheit, die schnittige Shooting-Brake-Linie des Dreitürers. Was wäre besser für den Einstieg in die Oldtimer-Szene geeignet als ein kompakter Kombi mit H-Kennzeichen und Alltagsqualitäten? Wer braucht schon Luxus?

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Sportskanonen der 80er-Jahre
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Renault 14 TS: Der etwas andere Kompakte

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R14 TS von 1981: Eine Komposition aus planen und bauchigen Flächen.
Fast eine Million R14 baute Renault – 999.093, um genau zu sein. In Deutschland brachten die Franzosen ihren Kompakten Jahr für Jahr in deutlich fünfstelliger Zahl an Mann und Frau, damals, Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre. Und heute? Ganze drei sollen noch zugelassen sein. Das Fotoauto ist einer davon. Seine Erstbesitzerin bestellte 1981 die 71 PS starke, komplett ausstaffierte Topversion TS in "Schilf-Gold-Metall". Renault glaubte Mitte der 70er-Jahre wohl, dass die Kundschaft auf ein Auto wie den Renault 14 warte. Falsch. Der R14 war ein Missverständnis, denn der große Kompakte passte nicht in die Lücke zwischen seinen biederen Vorgänger R6, dem schicken R5 und dem braven Stufenheck R12. 30 Zentimeter länger als ein Golf war er, aber mit 59 PS zunächst nur müde motorisiert.
Auch gab das seltsame, schmucklose Design mit seinen planen und bauchigen Flächen Rätsel auf, genauso wie die Werbung. Dort priesen die Verkaufsstrategen die Vorzüge der üppigen R14-Form und verglichen sie – kein Witz! – mit einer liegenden Birne. Die Kunden respektierten den R14, aber sie liebten ihn nicht. Weil er so selten ist, hat ein R14 heute das Zeug zum Star jeder Youngtimer Rallye. Hinzu kommt, dass sich kaum jemand an ihn erinnert oder ihn gar als Renault erkennt. Dem R14 ist das Kunststück geglückt, trotz einst massenhafter Verbreitung dem kollektiven Gedächtnis verloren zu gehen. Es lag vielleicht auch daran, dass seine Besitzer ihm beim Rosten zusehen konnten. Dieser schilfgoldene TS kam durch, weil er sein Leben in einer trockenen Tiefgarage verbrachte und dort zehn Jahre lang auf einen Liebhaber wartete. Der freute sich nun: Denn das exklusive Vergnügen kostete praktisch nichts.

Daihatsu Charmant Le Altair: Vernünftiger Japaner

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Dieser Daihatsu Charmant war einst ein opulentes Angebot für Sparfüchse.
Schon früher war der Daihatsu Charmant eher selten. Er ist hier eher der Stellvertreter für all die Honda Civic, Mitsubishi Colt, Mazda 323, Toyota Corolla und Nissan Cherry, die früher massenhaft die Straße bevölkerten. Die solide Mobilität und viel Inhalt zum sympathischen Preis boten und sich so beim Volk beliebt machten. Heute fragen wir uns: Wer kaufte sich damals ein konservativ-plüschiges Stufenheck-Nischenprodukt wie den Daihatsu Charmant LE, Sondermodell "Altair"? Und vor allem: warum? Realschul-Rektor Helmut Schmidt, Jahrgang 1913, erwarb ihn dort, wo er zuvor schon VW 1600 L und Ford Taunus gekauft hatte: bei seinem Händler. Herr Schmidt kaufte also nicht nur ein Auto, sondern auch Vertrauen. In das Urteil des Fachmanns, in verlässliche Technik und ein neidfreies Image. Der Japaner liefert all das. Ausreichend Raum und Motor, von allem genug, von nichts zu viel. Der Daihatsu ist solider Durchschnitt. Und mit drei Jahrzehnten Abstand sogar ein bisschen charmant.

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Autos der 80er aus Frankreich und Italien

Fiat 131 Mirafiori CL: Die italienische Alternative

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Der Charme dreier Schuhkartons, aber heute begehrenswert: der Fiat 131.
Von den paar Millionen Fiat 131 Mirafiori, die zwischen 1974 und 1984 gebaut wurden, hat nur die Elite überlebt: Abarth, Sport und Racing Volumetrico heißt sie. Einen stinknormalen Viertürer mit 1600er-Vierzylinder aufzutreiben, grenzt dagegen fast schon an Unmöglichkeit. Die strenge Form kuschelte sich nicht ins Herz. Der schlichten Technik fehlte jeder Reiz. Die Materialien gerieten günstig, die Machart war sorglos. Und auch mit dem Image war es nicht weit her. Selbst überzeugte Fiat-Fans scheitern im Nachhinein illusionslos an der Ehrenrettung der unprätentiösen Mittelklasse. Dass für Menschen ohne Schweißgerät nach sechs Jahren Alltagsgebrauch beim dritten TÜV-Termin die Trennung anstand, war eher die Regel als die Ausnahme. Restwert in Studentenkreisen: 20 bis 100 Mark, je nach Ausstattung. Der 131 Mirafiori hatte etwas von einem Wegwerfartikel und wurde auch genauso behandelt. Dadurch ging der öffentlichen Wahrnehmung leider ein überraschend unterhaltsames Auto verloren. Der 131 ist der Beweis dafür, dass es wenig braucht, um anzukommen. 75 PS aus einem kernigen Stoßstangenmotor an der starren Hinterachse bereiten bei rund einer Tonne Gewicht altmodischen Spaß im leichten Drift. Das Platzangebot ist ausreichend, und die 70er-Jahre-Optik besitzt lässigen Charme. Kaum zu fassen, dass ein höhenverstellbares Lenkrad an Bord ist. Rund 2500 Euro kostet ein Fiat 131 im Zustand 3. Dafür sollte man jeden kaufen, den man finden kann.
In der Bilderserie finden Sie neben den fünf beschriebenen Autos noch eine Vielzahl anderer vergessener Helden. Wir meinen: Erhaltet sie, die Alltagshelden der 70er und 80er!

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Vergessene Helden der 80er-Jahre: Wo sind sie geblieben?