Jetzt nur kein Neid, liebe Wolfsburger. Schließlich seid ihr selbst schuld. 1964 habt ihr die marode Auto Union GmbH von Mercedes übernommen, sie unter dem Namen Audi aufgepäppelt – und werdet jetzt von ihr überholt. Nicht bei Stückzahlen oder Umsatz, sondern ausgerechnet bei eurem Vorzeigestück – dem Golf. Der nagelneue A3 darf als Erster im Konzern die technische Basis des Golf VII über die Straßen fahren. Der Golf selbst muss noch bis zum Ende des Jahres warten, bis er komplett neu durchstarten darf. Deshalb tritt zu unserem Vergleich noch mal der gute alte Golf VI an. Dazu gesellt sich mit dem 1er von BMW noch der Chef-Dynamiker unter den Kompakten.

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Video: VW Golf, BMW 1er, Audi A3

Ist der A3 reif für die Krone?

Der A3 rückt seine Achsen bei unveränderter Außenlänge (4,24 m) um zwei Zentimeter weiter auseinander, spendiert im Fond und im Kofferraum einen Hauch mehr Platz als bisher. Das spüren die Gäste in der zweiten Reihe an Kopf und Knie, die hohe Fensterlinie vermittelt allerdings das Gefühl, eingemauert zu sein. Die einen mögen das als sicher und solide empfinden, die anderen – vor allem Kinder – dürften aber über die beschränkte Aussicht meckern. Und bei allem Raumgewinn reicht der A3 an den Golf nicht heran. Der bleibt in Sachen Alltagstauglichkeit das Maß der Dinge. Da kann auch der neue 1er mit dem alten Wolfsburger nicht Schritt halten. In seinem Fond wird es fast so eng wie im Audi, der Einstieg fällt wegen der kurzen Türen vorn und des zu überwindenden Radhauses hinten auf allen Plätzen schwer. Noch ein wenig unbequemer ist das nur im A3, der hier als Dreitürer antreten muss. Der Fünftürer folgt erst noch. Bei BMW ist es genau umgekehrt. Der 118i kommt im November 2012 ohne hintere Türen.

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Audi A3
Sahneteil unter der Haube: Der 1.8 TFSI macht den Audi zum schnellsten Kandidaten im Dreierfeld.
Der A3 ist ein echter Reiseprofi. Allein der Motor: ein Sahneteil! Im Prinzip handelt es sich ja um ein gut bekanntes Aggregat. Also vier Zylinder, 1,8 Liter Hubraum, Turbo. Was bisher für 160 PS reichte, haben die Audi-Jungs durch gezieltes Feintuning auf 180 PS hochgeschraubt. Und die haben es in sich. Der A3 1.8 TFSI spricht wunderbar spontan aufs Gas an, dreht sehr gleichmäßig und ohne Murren hoch, macht den Audi hier zum schnellsten Kandidaten im Dreierfeld. Wer die letzten Reserven aus dem A3 herauskitzelt, erntet zwar ein wohl sportlich gemeintes Knurren, das sich der Golf erfreulicherweise verkneift – dennoch würden wir den Audi-Motor nicht gegen das Golf-Aggregat eintauschen wollen. Zumal der Audi dank kombinierter Direkt- und Saugrohreinspritzung auch noch weniger verbraucht (6,8 l zu 7,1 l). Der Golf hinterlässt einen braven, fast schon gehemmt wirkenden Eindruck. Der 1,4-Liter, dem Turbo plus Kompressor den Marsch blasen, fühlt sich eher dem spaßarmen Spardiktat verpflichtet, als einfach mal die Sau rauszulassen. Auch wenn die reinen Fahrleistungen keinen Grund für eine Dynamik-Depression liefern, kommt der Golf 1.4 TSI doch spürbar verzögert in Schwung und dreht lange nicht so lustvoll in den roten Bereich wie sein bayrischer Gegner.
Was uns zum zweiten Vertreter Süddeutschlands bringt. Mit einer Leistung von 170 PS genau zwischen den Kollegen des VW-Konzerns positioniert, orientiert sich der 118i charakterlich ebenfalls an der goldenen Mitte. Der 1,6-Liter-Turbo, der nicht aus eigenem Hause, sondern aus der Kooperation mit Peugeot stammt, versucht mit Ausgewogenheit zu punkten. So stellt sich der Vierzylinder nicht als bajuwarische Wuchtbrumme vor, sondern eher als frankophiler Vernunftantrieb. Keine Sorge, der 118i geht flott von der Ampel weg und lässt auch auf der Autobahn niemanden verhungern. Doch ungestüme Temperamentsausbrüche oder wilde Drehzahlorgien sollte keiner erwarten. Und selbst der Klang erinnert leider eher an eine seelenlose Küchenmaschine als an bayrische Motorenbaukunst.

Überblick: Alle News und Tests zum BMW 1er

BMW 1er
Der 1er zeigt präzises Handling, kombiniert mit einer feinen Lenkung und einem agilen Hinterradantrieb.
Was die Münchner nach wie vor draufhaben, fördert die Teststrecke zutage. Präzises Handling, kombiniert mit einer feinen Lenkung und einem agilen Hinterradantrieb zum Verlieben. Der 1er ist halt noch immer die ganz besondere Fahrmaschine in der Golf-Klasse. Allerdings beweist sein Nachbar aus Ingolstadt, dass sich auch mit Frontantrieb jede Menge Fahrfreude erleben lässt. Der A3 schnürt mit traumwandlerischer Sicherheit und fast schon telepathischer Vorahnung durch Kurven aller Radien. Untersteuern? Kaum. Das unterbindet fast unmerklich, aber unglaublich effektiv das ESP. Trotz ausgewogener Lenkung und hoher Sicherheitsreserven wirkt der Golf dagegen fast schon behäbig, neigt sich in Kurven deutlich stärker und lässt dem Fahrer mit seinem einstufigen, aber doch nie ganz abschaltbaren ESP viel weniger Freiheiten. Beim Komfort macht der Golf dann aber wieder alles richtig. Mit den verstellbaren Dämpfern an Bord des Testwagens (DCC für 975 Euro) findet er meistens die passende Antwort auf Straßenschäden. Das macht der 1er, der seine Dämpfer ebenfalls automatisch der Fahrsituation anpasst (adaptives Fahrwerk für 1100 Euro), klar schlechter. Folgen mehrere kurze Wellen aufeinander, verliert die Hinterachse den Überblick und versetzt den Insassen mahnende Schläge.

Den Vergleich im Original-Layout gibt es im Artikelarchiv

Audi A1 BMW 1er VW Golf
Schnäppchen sehen anders aus: Unter 23.960 Euro geht bei den drei Kompakten gar nichts.
Der A3 liefert hier eine echte Überraschung. Statt adaptiver Dämpfer trägt er untendrunter das S-line-Sportfahrwerk für 345 Euro – und das passt trotz immerhin 25 Millimeter kürzerer Federn ganz hervorragend. Während Absätze und Kanten bei gemütlicher Fahrt noch deutlicher aufstoßen als im Golf, gewinnt das Fahrwerk mit zunehmendem Tempo und anspruchsvollerem Fahrprofil immer mehr an Klasse. Wellige Wechselkurven sowie lang gezogene Berg-und-Tal-Passagen bügelt der A3 gelassen weg, vom Lustgewinn für den Fahrer ganz zu schweigen. Schluss mit lustig ist aber spätestens an der Kasse. Denn so ein A3 hat seinen Premium-Preis. Mindestens 25.900 Euro kostet der 1.8 TFSI – wohlgemerkt als Dreitürer. Das liegt voll auf dem Niveau des 118i, der mit fünf Türen ab 26.750 Euro vorfährt. Womit sich die ungewohnte Situation ergibt, dass ausgerechnet der Golf 1.4 TSI mit 23.960 Euro mal den Billigheimer spielt. Allerdings muss sich der Golf VI kurz vor seiner Ablösung beim Wiederverkauf hinten anstellen – der brandneue A3 und der noch junge BMW 1er wecken laut Schwacke gebraucht erheblich mehr Begehrlichkeit. Nur eine Momentaufnahme. Mit Erscheinen des Golf VII wird sich das wieder ändern. Garantiert.

Fazit

Dieser Vergleichstest untermauert zwei Thesen. Erstens: Die Kompaktklasse hat mittlerweile eine Reife erreicht, die noch vor zehn Jahren undenkbar schien. Zweitens: Fortschritt findet an der Spitze nur noch in kleinen Schritten statt. Der neue A3, technisch ein Golf VII, schlägt den aktuellen Golf VI mit nur fünf Punkten. Und der fahraktive 1er bleibt dem VW-Duo ganz dicht auf den Fersen. Gewinner aber sind auch die Kunden. So eine Leistungsdichte hatten wir noch nie.