Es war bereits am Formel-1-Wochenende in Singapur das große Randthema neben den Sebastian-Vettel-Festspielen auf der Strecke: Wie geht es mit Red Bull weiter? Im Vorfeld des Nacht-Grand-Prix wurde das Ende der Partnerschaft mit Renault schon für 2016 bekannt gegeben – trotz bestehender Verträge. Am Freitag dann der nächste Schock. Red Bulls Motorsportberater Dr. Helmut Marko machte unmissverständlich klar: "Wenn wir keinen wettbewerbsfähigen Motor haben, gibt es Red Bull Racing 2016 nicht mehr in der Formel 1." Ferrari sei die einzige Option, die Verhandlungen würde laufen. Sowohl Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz als auch Ferrari zeigten sich vorsichtig optimistisch, dass bald ein Deal abgeschlossen werden könnte. "Das wäre für die nächsten zwei, drei Jahre eine sehr akzeptable Lösung", sagte Mateschitz und ließ damit bereits durchblitzen, dass das Team auf lange Sicht wohl noch ein anderes Eisen im Feuer hat.
Marko schockt Fahrerlager: Red Bull droht mit Ausstieg!

Positive Grundsatzentscheidung steht

Marko & Mateschitz
Neues Kapitel bei Red Bull: Helmut Marko (l.) und Dietrich Mateschitz (r.) arbeiten in der F1 bald mit Audi zusammen
Gespräche mit Branchenprimus Mercedes waren zuvor gescheitert – am Veto der Stuttgarter, die sich mit dem Beliefern des für seine gute Aerodynamik bekannten Teams von Red Bull keine unnötige Konkurrenz im Weltmeisterschaftskampf heranzüchten wollen. Doch genau das ist damit nun auf ganz andere Weise geschehen. Denn wie AUTO BILD exklusiv erfahren hat, fehlen nur noch ein paar Unterschriften – die Grundsatzentscheidung aber, dass 2018 Audi in die Formel 1 einsteigen wird, steht! Das Motoren-Veto der Silberpfeile hat nebst der sich daraus entwickelnden Eigendynamik bei Red Bull zu einer Situation geführt, die nun die Ingolstädter auf den Plan ruft. Und in Zukunft wohl für ein großes Duell der beiden deutschen Premiumhersteller, die sich aktuell bereits in der DTM bekriegen, auch auf internationaler Bühne sorgen wird. Zuletzt am Rande des Rennens zur Sportwagen-Weltmeisterschaft im texanischen Austin hatte Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich das Thema noch heruntergespielt und verkündet: "Für mich hat sich nichts verändert."
Seitens Audi hält man sich nach außen hin also noch bedeckt. "Marketing-Untersuchungen haben die Bedeutung der Formel 1 noch einmal klar und deutlich unterstrichen," heißt es aber aus der Ingolstädter Vorstandsetage. "Mit dem neuen Reglement sind ab 2018 die Voraussetzungen gegeben, aus der F1 wieder die Königsklasse des Motorsports zu machen. Erfolge in dieser Rennserie zahlen direkt in die Marke ein." Bleibt die Frage der Umsetzbarkeit eines so ambitionierten Unterfangens. Wie schwer ein F1-Einstieg ist und wie er auch marketingtechnisch nach hinten losgehen kann, zeigt gerade Honda. Die Japaner fahren im Jahr ihrer Rückkehr, trotz großer Ressourcen und der Koppelung mit dem erfahrenen Traditionsteam McLaren inklusive Werksstatus, gnadenlos hinterher. Kann sich Audi den hohen Aufwand also leisten, besonders vor dem Hintergrund, dass bereits alternative Antriebe und Connectivity das Budget belasten?
Renault ist verärgert: Der Singapur GP 2015 im Splitter

Ausstieg aus der DTM und Langstrecken-WM!

Domenicali
Er wird Audis neuer starker Mann für das F1-Projekt: Der Italiener Stefano Domenicali ist ehemaliger Ferrari-Teamchef
O-Ton Ingolstadt: "Nach unserer Rechnung ist das F1-Engagement annähernd kostenneutral. Zum einen werden Investoren aus Middle East einsteigen, die nicht an Product Placement, sondern ausschließlich am finanziellen Erfolg ihres Engagements interessiert sind und damit nicht wie klassische Sponsoren denken. Zum anderen können wir bei Red Bull in eine bestehende, sehr erfolgreiche Infrastruktur einsteigen." Allein: Das F1-Abenteuer würde zeitgleich den werkseitigen Ausstieg aus allen anderen Rennserien bedeuten! Die DTM wird aus Audi-Sicht durch das Reglement mit dem umstrittenen Strafgewicht-Handicap immer mehr zur Farce. Hinzu kommt der Imageschaden, den man kürzlich wegen der Funkaffäre um Sportchef Wolfgang Ullrich in Spielberg hinnehmen musste. Die Langstrecke ist nicht ausreichend medienwirksam, in Le Mans verpulvert der Konzern mit dem Duell Audi gegen Porsche unnötige Ressourcen. Die Strategie 2018 sieht vor, mit der Entwicklung des Motors nach dem neuen Reglement zu beginnen, sobald der Drei-Wege-Deal in trockenen Tüchern ist.
Der Vertrag mit Sportchef Ullrich wurde um zwei Jahre verlängert, danach soll der frühere Ferrari-Rennleiter Stefano Domenicali übernehmen. Als langjähriger Strippenzieher bei der Scuderia gilt Domenicali, der auch beste Kontakte zur FIA besitzt, als Idealbesetzung für das Projekt F1-Einstieg. Schon nach Bekanntwerden des Engagements des ehemaligen ersten Mannes am Ferrari-Kommandostand, waren immer wieder Gerüchte über ein Formel-1-Team Audis entstanden. Diese bewahrheiten sich nun. "Um ein schlagkräftiges Team aufzubauen, müssen wir die Mannschaft aufstocken und die Integration mit Red Bull in Angriff nehmen," erklärt ein Audi-Top-Manager. Red Bull würde in diesem Szenario nur noch als Sponsor auftreten, denn die Herren der Ringe bevorzugen eine Komplettlösung mit eigenem Motor, Fahrzeug und Rennteam. Ganz so, wie es der große Konkurrent Mercedes bereits hat.

Von

Georg Kacher