Der Autohandel ist im Umbruch. Zwar weiß keiner so recht, wohin die Reise geht. Doch dass die Idee vom Eigentum nicht mehr so richtig aktuell ist, spricht sich herum. Seit den ersten Handyverträgen wird das Prinzip "pay per use", in etwa Zahlen pro Einsatz, populärer. Immer weniger Menschen sind bereit für etwas zu bezahlen, nur um es zu besitzen, wenn sie mit einer Art Nutzungsgebühr viel billiger davonfahren. Davon leben Streamingdienste wie iTunes, Netflix oder auch Amazon Prime nicht schlecht. Weil das auch die PS-Branche erkannt hat, sucht sie händeringend nach Alternativen zum konventionellen Kauf und dem langweiligen Leasing. "Fahren mit Flatrate" lautet das Motto. Das Ideal ist eine Art Abo, mit dem man zu jeder Gelegenheit jedes Auto der Wahl nutzen kann – vollgetankt, versichert und frisch gewaschen natürlich.

Byton, Nio und Faraday zeigen innovative Ideen

BYTON Concept
Byton will mit seinem SUV vor allem Tesla potentielle Interessenten streitig machen.
Bild: Robin Hornig / Auto Bild
Am kreativsten sind dabei neue Marken, die auf keine gewachsenen Strukturen Rücksicht nehmen und sich ihr Händlernetz erst noch aufbauen müssen. Und wenn sie dann noch aus dem Silicon Valley oder aus China kommen, erwartet man von ihnen keine konventionellen Preislisten mehr. Doch Firmen wie Byton, Nio, Faraday Future oder Lynk & Co haben natürlich leicht reden. Denn was sie von Abo-Modellen und Flatrate-Fahren erzählen, sind bislang meist nur Theorie-Gebilde. Bevor sie sich ernsthaft über den Vertrieb ihrer Autos Gedanken machen können, müssen sie diese erst einmal in Serie produzieren oder im ungünstigsten Fall erst noch entwickeln.

Volvo setzt als erster etablierter Hersteller aufs Abo

Volvo XC40 D4 AWD
Wer sich für "Care by Volvo" entscheidet, muss sich um den XC40 nicht mehr selbst kümmern.
Bild: Roman Raetzke / AUTO BILD
Umso bemerkenswerter ist deshalb er Vorstoß von Volvo. Die Schweden haben sich offenbar von ihrer chinesischen Schwester Lynk & Co mitreißen lassen und als erster etablierter Hersteller in Europa mit der Premiere des XC40 eine innovative Alternative zu den klassischen Eigentums- und Nutzungsmodellen gestartet. Das Programm heißt "Care by Volvo" und soll die Nutzung des Autos so transparent, einfach und problemlos machen wie den Handykauf. "Zu einer fixen Monatsrate sind Kunden nicht nur alle 24 Monate in einem neuen Volvo unterwegs, sondern auch sorgenfrei: Anzahlungen oder Kosten für Steuern, Versicherungen, Wartung, Reparaturen, Bereifung, Räderwechsel und Einlagerung fallen nicht an," teilt Volvo mit. Je nach regionaler Verfügbarkeit lassen sich Dienstleistungen wie das regelmäßige Betanken oder die Autowäsche dazu buchen. "Damit bieten wir das Mobilitätsmodell für die heutige Zeit", sagt Firmenchef Hakan Samuelsson: "Während Kunden Flatrates und All­-Inclusive­-Abos für unterschiedlichste Dienstleistungen bereits gewohnt sind, ist der Autokauf bislang noch recht kompliziert. "Care by Volvo" ändert das."

"Book by Cadillac" kommt nach München

Cadillac Escalade 6.2 AWD
Unter anderem wird das Dickschiff Escalade (Bild) bei "Book by Cadillac" in München im Angebot sein.
Bild: Thomas Müller
Ganz ähnlich funktioniert das System "Book by Cadillac", das die noble GM-Tochter in New York (USA) etabliert hat und jetzt über den Atlantik holt. Ein 2017 in München gelaufenes Pilotprojekt sei so erfolgreich gewesen, dass die Amerikaner ihren Service noch 2018 – ebenfalls zunächst wieder in München – in den Regelbetrieb übernehmen wollen, sagt Pressesprecher Rene Kreis: Für einen noch nicht näher spezifizierten Pauschalpreis pro Monat hat man Zugriff auf ein knappes Dutzend Modelle vom Geländewagen Escalade bis zum Sportwagen Corvette. Die Auswahl trifft man auf dem Smartphone und die Überführung zum gewählten Einsatzort übernimmt ein Concierge-Service.

Mercedes, BMW und Porsche in den USA aktiv

Porsche 911 T
Amerikanische Porsche-Kunden können mit dem "Accelerate-Passport" Elfer wie den T (Bild) fahren.
Bild: STEFFEN JAHN
Die deutschen Hersteller tun sich mit solchen Programmen schwer – vor allem auf ihrem Heimatmarkt. In den USA sind sie schon ein wenig weiter. So haben Mercedes und BMW auf der Autoshow 2018 in Detroit entsprechende Pilotprojekte für neuartige Abo-Modelle in den USA angekündigt. Und Porsche hat seinen "Passport" am Standort der US-Zentrale in Atlanta jüngst eingeführt: Damit können sich entscheidungsschwache Vollgas-Fetischisten im Paket "Launch" wahlweise aus Boxster, Cayman, Macan oder Cayenne und im Paket "Accelerate" aus 911-Varianten, Panamera oder den GTS-Versionen verschiedener Baureihen bedienen. Über eine App lässt sich jederzeit das Auto tauschen. Das Abonnement wird monatlich abgeschlossen und ermöglicht häufige Fahrzeugwechsel, unbegrenzte Kilometerleistung und On-Demand-Zugriff auf bis zu 22 verschiedene Porsche-Modelle: "Wir möchten unseren Kunden den Wunsch erfüllen, unsere Sportwagen auf völlig neue Arten zu erleben", sagt US-Chef Klaus Zellmer: "Mit dem Porsche "Passport" bieten wir eine einfache und flexible Lösung für Fahrvergnügen auf Knopfdruck." Doch die Sache hat zwei Haken: Erstens kosten die Pakete 2000 oder 3000 Dollar im Monat und zweitens gibt es "Passport" bislang nur in Amerika.

Experten halten Flatrate-Fahren für teuer

Experten halten solche Versuche noch für Augenwischerei. Bislang seien das Marketing-Aktionen, mit denen die Hersteller einen gewissen Aktionismus demonstrieren wollen, unkt Autopapst Ferdinand Dudenhöffer: "Aber im Leasing-Geschäft ist die Idee nicht neu", moniert der Professor der Universität Duisburg-Essen. Die jetzigen Angebote mit einem Mietwagen am Urlaubsort oder dem spontanen Wechsel vom Cabrio zum SUV oder dem Sportwagen würden zwar gut klingen, seien aber in der Regel keine Schnäppchen. "Da holt man sich das Wunschauto bei Bedarf lieber deutlich billiger vom Vermieter." Dennoch seien die Hersteller gut beraten, solche Konzepte auszuprobieren: "Die Digitalisierung hat die Verbraucher auf den Geschmack für derart einfache Lösungen gebracht", sagt der Marketing-Professor Franz-Rudolf Esch. Und was man bei Apple oder Netflix haben könne, das erwarte man schließlich auch von Audi oder Mercedes.

Von

Timo Gohler