Kaum ein Messestand ohne Offroader

Neue Modelle stehen wie Blei in den Verkaufsräumen, verschwinden nach wenigen Jahren von der Bildfläche oder werden gar nicht erst gebaut – keine Frage, die automobilen Zeiten waren schon besser. Positive Stimmen hört man, wenn überhaupt, von Autobauern, die rechtzeitig auf teure Sport Utility Vehicles gesetzt haben. Alle anderen jammern über den Erfolg der Konkurrenz und versuchen hektisch, sich doch noch das eine oder andere Stück vom Geländewagen-Kuchen zu sichern. Kaum ein Stand auf der IAA in Frankfurt, den nicht ein Offroad-Modell schmücken wird.

Allen voran: Audi. In Ingolstadt hat man, den Allrad-Rekordzahlen zum Trotz, den SUV-Trend verschlafen. Den Rückstand aufholen soll der Q7, ein XXL-Geländewagen (Länge: 5,02 Meter), der anders als die mindestens 25 Zentimeter kürzeren Brüder VW Touareg und Porsche Cayenne, um allzu tiefe Matschlöcher einen Bogen fahren soll. Statt Reduktionsgetriebe und Achssperren gibt es auf Wunsch eine dritte Sitzreihe, starke Motoren (Benziner ab 260 PS, Diesel ab 225 PS) und sportliche Fahrleistungen. Die Offroad-Diät bringt ganz erstaunliche Gewichtsvorteile: Trotz der größeren Abmessungen soll der Q7 gut 50 Kilo leichter sein als ein identisch motorisierter Touareg. Start und Preis: Anfang 2006, mindestens 50.000 Euro.

Zurück auf den Feldwegen der Republik meldet sich Opel mit dem neuen Frontera. Der Fünfsitzer ist jedoch alles andere als ein Rüsselsheimer Eigengewächs. Unter der Hülle im Astra-Design steckt vielmehr biedere Großserien-Technik made in Korea. Der Frontera ist schlicht die kurze Version des Chevrolet S3X, der dann sein Serien-Debut als Siebensitzer gibt. Auch kein Einzelkind ist Suzukis neuer Vitara. Das kompakte SUV fürs leichte Gelände startet Anfang 2006 und wird spätestens zu den Olympischen Winterspielen von Turin ein Geschwisterchen von Fiat bekommen.

S-Klasse mit neuem Bedienkonzept

Die Italiener haben aber in Frankfurt bereits einen Allrad-Neuzugang zu vermelden. Das Panda-SUV auf Basis der Studie Simba startet im November 2005. Hauptunterschied zum bereits erhältlichen Panda 4x4: bullige Anbauteile und exklusive Ausstattungsdetails. Hauptkonkurrent aller Klein-SUV ist Toyotas RAV4, dessen dritte Generation seine Weltpremiere feiern wird. Neben stärkeren Motoren (Diesel: mindestens 140 PS) soll der Bestseller ein deutlich markanteres Design bekommen. Fleißig renoviert wird auch bei den koreanischen SUV-Pionieren von SsangYong Motors.

Bereits fertig ist der Nachfolger des behäbigen Musso, der mit frischem Design und neuem Namen die Modellpalette verjüngen soll. Außerdem in Vorbereitung: ein kleiner Wühler im RAV4-Format, der einen bekannten SsangYong-Namen erben soll: Korando. Endlich in Europa Fuß fassen will Hummer mit dem H3, den es neben einem 223-PS-Benzinmotor mittelfristig auch mit einem Dieselaggregat geben soll. Und bei Hyundai steht schließlich der neue Santa Fe.

Die wichtigste Neuheit aus dem Bereich der Oberklasse kommt von Mercedes-Benz. In Frankfurt an den Start geht die neue S-Klasse, mit der die Schwaben die Spitzenposition im Segment zurückerobern wollen. Helfen sollen dabei vor allem neue Sicherheitssysteme. So werden beim Mercedes-Flaggschiff erstmals Radarsensoren das Geschehen rund ums Auto erfassen und die gesammelten Erkenntnisse mit Daten von Bremse, Stabilitätssystem ESP und Lenkung kombinieren. Fast schon selbstverständlich ist ein Längenzuwachs von gut fünf Zentimetern. Zusätzlich werden sich S-Klasse-Kunden an eine neue Bedienlogik mit einem zentralen Drehknopf gewöhnen müssen, wie bei Audi (MMI) und BMW (iDrive).

Große Auswahl an Sportwagen

Deutlich vielfältiger wird die Auswahl an Sportwagen ausfallen. Neben Bugatti und Chrysler ist Porsche erste Anlaufstelle für PS-Freunde. Viel Staub dürfte ab Frühjahr 2006 der 911 Turbo aufwirbeln – mit Allradantrieb, gewaltigem Heckspoiler und knapp 500 PS. Ab 2007 sollte das Flügeltier dann auch mit einem neuen Doppelkupplungsgetriebe zu haben sein. Nicht ganz so kräftig, dafür aber deutlich volksnäher ist der Porsche Cayman S auf Boxster-Basis. Der neu entwickelte Sechszylinder-Boxermotor hat 3,4 Liter Hubraum, 295 PS und 340 Newtonmeter Drehmoment zwischen 4400 und 6000 Umdrehungen.

Die Fahrwerte: 5,4 Sekunden von null bis 100 km/h und 275 km/h Höchstgeschwindigkeit. Der Clou: Das Coupé mit Heckklappe bietet hinten einen 260 Liter fassenden Kofferraum und vorn einen mit 150 Liter. Der Cayman S rangiert mit einem Preis von 58.529 Euro deutlich unterhalb des 911 (ab 75.200 Euro). Verkaufsstart: 26. November 2005. Der Lamborghini Gallardo Spider spielt in der Porsche-Turbo-Liga mit. Zehn Zylinder, 500 PS und Allradantrieb sollen dafür sorgen, daß der "kleine" Lambo mit der Stoffmütze schnell Freunde findet. Einziger Haken: der Preis. 160.000 Euro wird man schon anlegen müssen, um den Stier zu einem Tänzchen auffordern zu dürfen.

Nach den vielen Katastrophenmeldungen rund um englische Autobauer werden sich Jaguar-Fans ganz besonders über den neuen XK freuen. Das Coupé ist dann nicht nur ausgesprochen hübsch anzuschauen, es kann auch technisch mit der europäischen Konkurrenz mithalten. So baut der Jag auf einer Aluminium-Karosserie auf und ist ab Mitte 2006 zunächst mit einem gut 300 PS starken V8-Sauger oder einem V8-Kompressor (400 PS) zu haben. Der Basis-XK mit 258 PS läßt, wie der Roadster, noch bis Ende 2006 auf sich warten.

Klotzen statt kleckern in der Mittelklasse

Munter mit Weltpremieren geklotzt wird in der Kompakt- und Mittelklasse. Auf dem riesigen Volkswagen-Stand wartet mit dem Passat Variant die Neuauflage eines echten Firmenwagen-Klassikers. Im Vergleich zur Limousine wird der Passat-Kombi mit maximal 1695 Liter Kofferraumvolumen noch einmal deutlich an Stauraum zulegen. Immer für Bestleistungen zu haben ist auch der Golf R32. Der große Bruder des GTI verteilt die 250 PS seines 3,2-Liter-V6 per 4Motion-Antrieb auf alle vier Räder und führt die vom GTI eingeschlagene Designlinie konsequent fort: tiefer, breiter, lauter! Da darauf vermehrt auch Diesel-Fahrer nicht verzichten möchten, stehen die Chancen für die Rückkehr des GTD nicht schlecht.

Der Heizöl-Ableger des GTI wird wahrscheinlich als seriennahe Studie auftauchen. Unter der Haube ein aufgeblasener 2.0 TDI, der es auf 170 PS bringt. Start: Mitte 2006. Ebenfalls zu sehen: der frisch geliftete Beetle. Bei Alfa Romeo steht der 159 Sportwagon in den Startlöchern. Der hübsche Italiener soll seine Fans ab Frühjhar 2006 eher mit seinen sportlichen Linien überzeugen als mit seinen Transportqualitäten. Damit ist er in bester Gesellschaft, denn auch der neue BMW 3er Touring kann mit seinem maximal 1385 Liter großen Gepäckabteil nicht mit Klassenprimus Passat mithalten. Der Kombi-Dreier startet im September 2005.

Ihr neues Blechkleid zeigt Opels Mittelklasse. Vectra, Vectra Caravan und Signum erben das Astra-Gesicht und starten kurz nach der IAA in den Verkauf. Neu: ein V6 Turbo mit 250 PS als Topmotorisierung. Aus Frankreich macht sich das Peugeot 407 Coupé auf, die Herzen der Löwen-Fans zu erobern. Dabei helfen soll ein fulminanter V6-Diesel mit 207 PS. Noch in diesem Jahr sollen die ersten Coupés bei den Händlern stehen. Weitere IAA-Premieren: der neue Honda Civic, der ab Anfang 2006 sportlich, geduckt und kompakt auftritt, die Avant-Version des Audi RS4, ein mindestens 200 PS starker Skoda Octavia RS und der Lexus IS 500 mit an die 400 PS.

Alle Neuheiten auf einen Blick

Neben den SUV setzen viele Autobauer auf den anhaltenden Cabrio-Boom. Ende 2005 startet das VW Cabrio. Der Nachfolger des "Erdbeerkörbchens" positioniert sich zwischen Golf und Passat und liegt mit seinem aufwendigen Metall-Verdeck absolut im Trend. Dagegen kommt Volvos offener C70 erst Frühjahr 2006 – ebenfalls mit Metall-Klappdach. Technisch ist er mit S40/V50 und damit auch mit dem Ford Focus verwandt. Das spart Entwicklungskosten und beschert den Kölnern Ende 2006 auch ein Cabrio – mit dem Volvo-Klappdach.

Ab der IAA ebenfalls Mitglied im Club der Blechmützen ist das Opel Astra Cabrio. Dafür haben sich die Rüsselsheimer ein extrem platzsparendes Klapp-Dach einfallen lassen. Folge: mehr Platz für die Passagiere als bei der Konkurrenz. Außerdem stehen in der Mainmetropole auch das facegeliftete Audi A4 Cabrio und eine "Studie" des Alfa Romeo Spider. Bei den Kleinwagen stehen mehrere Modellwechsel an. Zu sehen sein werden erstmals der erwachsene gewordene Toyota Yaris und Renaults neuer Clio, der Design und Technik vom Modus erbt. Für 2006 liebäugeln die Franzosen sogar mit einer gut 200 PS starken RS-Version.

Nicht ganz so gewaltig, dafür existentiell für die Fiat-Zukunft ist der Punto. Er wird ab Ende Oktober mit Motoren zwischen 70 und 130 PS zu haben sein. Technisch ist er das letzte Ergebnis der inzwischen beendeten Opel (GM)/Fiat-Kooperation. In Rüsselsheim kommt die Plattform ab Mitte 2006 beim neuen Corsa zum Einsatz. Noch ein "Kleiner" mit großer Bedeutung: der Peugeot 207 als seriennahe Studie. Verkaufsstart: Ende 2006, das Coupé-Cabrio erst 2007. Um in die neue Peugeot-Familie (107, https://www.autobild.de/aktuell/neuheiten/artikel.php?artikel_id=8586, 307) zu passen, wird der 207 deutlich zulegen. Eine Länge von über vier Meter wäre daher keine Überraschung.

Von

Jochen Knecht