Hohe Erwartungen wecken können sie bei Mercedes. Nichts weniger als das beste Auto der Welt soll die neue S-Klasse sein, versprach Daimler-Boss Dieter Zetsche Mitte Mai 2013 bei der Premiere der Luxuslimousine in Hamburg. Und er ging sogar noch weiter, die Limousine sei ein Jahrhundertereignis. Kein Wunder, dass er so dick aufgetragen hat: Die S-Klasse ist der Leitstern im Daimler-Universum – und Mercedes hatte zuvor mit dem missglückten Crashtest des von Renault übernommenen Mini-Vans Citan bei den Kunden eine Menge Vertrauen verspielt. Marketing-Prosa hin oder her, wir bei AUTO BILD glauben nur das, was wir selbst überprüft haben. Und so testen wir mit einem erfahrenen Team, überprüfen die Aussagen der Hersteller akribisch, fahren ausgiebig auf öffentlichen und abgesperrten Strecken – und fällen dann unser eigenes Urteil. Ring frei zum ersten Vergleichstest!

Überblick: Alle News und Tests zur Mercedes S-Klasse

Mercedes S-Klasse
Von wegen brandneu entwickelt: Die aktuelle S-Klasse basiert auf der Bodengruppe ihres Vorgängers.
Wie gut also ist die neue S-Klasse? Um darauf eine Antwort geben zu können, muss sich das Daimler-Flaggschiff der harten Konkurrenz von BMW und Porsche stellen. Denn auch die Bayern waren in den vergangenen Jahren nicht untätig, haben den seit 2008 angebotenen 7er immer wieder aufgefrischt und sind Vorreiter im Bereich des vernetzten Autos. Die Nachbarn aus Stuttgart haben den Panamera gerade eben erst optisch wie technisch überarbeitet und bieten nun erstmals eine Langversion ("Executive") an. Ein spannender Dreikampf also. Denn so neu, wie Mercedes es gern darstellt, ist die neue S-Klasse gar nicht. Sie ist zwar innen und außen komplett neu eingekleidet, übernimmt aber die weiterentwickelte Bodengruppe vom Vorgänger; gut zu erkennen am identischen Radstand. Dem Platzangebot jedenfalls schadet das nicht. Die S-Klasse bietet sowohl im Cockpit wie auch im Fond den meisten Platz. Und mit dem gegen Aufpreis angebotenen "First Class Fond" einen echten Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Die Luxus-Sitzanlage gestattet es, sich in halb liegender Position mit ausgestreckten Beinen chauffieren zu lassen, wobei sich der vordere Beifahrersitz diskret aus dem Weg faltet. Zwei ausklappbare Tische in der Mittelkonsole, kühl- und beheizbare Cupholder und Kissen für Kopf und Schenkel schrauben den Wellness-Faktor für diese Klasse in ungeahnte Höhen – solange der Passagier kleiner als 1,85 Meter ist. Vermisst hier noch jemand einen Maybach?

Überblick: Alle News und Tests zum BMW 7er

BMW 7er
Gut zu bedienen: Da iDrive des BMW 7er ist ausgereift, lenkt weniger ab, als die Systeme der Konkurrenz.
Die Konkurrenten jedenfalls können da nicht mithalten. Zwar lassen sich auch bei BMW und Porsche die Rücksitze verstellen, eine Liegeposition ist aber bei beiden nicht möglich. Hier hat Mercedes die Maßstäbe in der Luxusklasse tatsächlich nach oben verschoben. Die Gestaltung des neuen S-Klasse-Cockpits ist hingegen nicht ganz so gut gelungen. Auf den ersten Blick wirkt der riesige Bildschirm futuristisch. Die Bedienung hingegen gelingt selbst iPad-Junkies nicht intuitiv – Mercedes versteckte viele Funktionen in Untermenüs, die nur über Umwege anwählbar sind. Das Feudal-Ambiente hingegen stimmt, die Designer haben die S-Klasse mit rautenförmig abgestepptem Leder sowie viel Glanz und Glitter aufgehübscht. Schwächen zeigt der Benz aber ausgerechnet bei der Verarbeitung, einer einstigen Mercedes-Tugend: Aus Armaturenträger und Mitteltunnel klappert es unfein, das große Glasdach knistert auf unebenen Strecken. Das können die Konkurrenten genauso gut oder besser, vor allem der Porsche. Der Panamera überzeugt mit einer Top-Verarbeitung und liebevoller Materialauswahl. Einzig die Bedienung müssen wir kritisieren – die verstreuten Schalter auf dem ausladenden Mitteltunnel erfordern Gewöhnung. Hier gefällt der BMW. Das iDrive des 7ers ist mittlerweile ausgereift. Sämtliche Funktionen lassen sich einfach und schnell aufrufen, das lenkt deutlich weniger vom Straßenverkehr ab als in Mercedes und Porsche.
Materialauswahl und Verarbeitung des 7ers gehen in Ordnung, allerdings ist hier im Detail noch Luft nach oben. Den größten Fortschritt bei der Entwicklung der neuen S-Klasse hat Mercedes nach eigenen Angaben bei der Konstruktion des Fahrwerks gemacht. Das bekannte aktive Fahrwerk ABC ("Active Body Control") haben die Ingenieure mit einer Stereokamera gekoppelt, die Fahrbahnunebenheiten erkennen soll und die Federung im Voraus anpasst. So weit die Theorie, in der Praxis jedoch stellt sich schnell Ernüchterung ein. Vor allem bei beidseitigen kurzen Stößen, aber auch bei einseitigem Einfedern – wie etwa bei Schlaglöchern – dringen die Versäumnisse der Straßenbauer unfein in den Innenraum. Auf langen Wellen hingegen brilliert das Fahrwerk und bügelt die Straße vollendet glatt.

Überblick: Alle News und Tests zum Porsche Panamera

Porsche Panamera
Sportlich: Der Porsche Panamera geht dynamisch ums Eck, bietet aber nicht den Komfort der Testgegner.
Obwohl auch der BMW an der Vorderachse über eine Stahlfederung verfügt, pariert der 7er kurze Stöße geschmeidiger als die S-Klasse. Über grobe Unebenheiten rollen sie ähnlich komfortabel. Beide zählen hier zur absoluten Spitze in ihrer Klasse. Der Panamera kann trotz neuer Fahrwerkabstimmung und langen Radstands beim Federungskomfort nicht mithalten. Gegenüber der ersten Generation haben die Entwickler zwar das Anfederverhalten verbessert, an das hohe Niveau des BMW kommt der Porsche aber nicht heran. Das ist okay – für alle, die das exzellente Fahrverhalten und die fast schon sportwagenartige Agilität des Panamera zu schätzen wissen. Fein ausbalanciert und wie auf Schienen fährt der Porsche durch Kurven, lässt sich selbst im Grenzbereich nicht provozieren – ein riesiger Spaß! BMW und Mercedes wirken behäbiger, auch wenn sich beide für Oberklasse-Verhältnisse vergleichsweise leichtfüßig anfühlen. Die mäßige Traktion des Mercedes kostet die S-Klasse beim Fahrverhalten Punkte, der BMW ist hier etwas besser – und der Porsche mit seinem serienmäßigen Allradantrieb eine Klasse für sich. Dass die neue S-Klasse nicht von Grund auf neu entwickelt wurde, ist am deutlichsten dem Antrieb anzumerken. Während ihr Achtzylinder-Biturbo auf Augenhöhe mit dem BMW arbeitet, ist die Siebenstufenautomatik ein echter S-Klasse-Nachteil. Die Schaltbox stört im Alltag mit langen Schaltpausen, beim Beschleunigen zusätzlich mit deutlichen Rucken.
Weitere Details zum Vergleich der drei Luxuslimousinen gibt es in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen technischen Daten und Tabellen gibt es als Download im Online-Heftarchiv. 

Fazit

von

Stefan Voswinkel
Der erste Vergleich mit der neuen Mercedes S-Klasse endet mit einem Paukenschlag: Sie ist nicht das beste Auto, muss sich dem älteren BMW 7er knapp geschlagen geben. Und das sowohl in der Eigenschafts- als auch in der Kostenwertung. Das liegt vor allem daran, dass die S-Klasse bei klassischen Mercedes-Tugenden noch nicht zur Topform aufläuft: Das aufwendige, kameraunterstützte Fahrwerk bietet auf kurzen Fahrbahnunebenheiten einen nicht klassengerechten Abrollkomfort, das Siebenstufen-Automatikgetriebe ist veraltet, und die Verarbeitung ist im Detail nicht so perfekt, wie wir es von Mercedes gewohnt sind. Besserung ist in Sicht: In Stuttgart wird derzeit eine Neunstufenautomatik entwickelt und die Fertigungsqualität mit der Zeit ebenfalls routinierter. Der BMW zeigt mehr Reife. Vor allem sein Antrieb mit dem kraftvollen, laufruhigen Achtzylinder und der nahezu perfekten Achtstufenautomatik überzeugt. Und über kleine Fahrbahnflicken rollt er eleganter als die S-Klasse – auch ohne Kameraunterstützung. Der Porsche Panamera hingegen ist zu spitz konzipiert, um einen Vergleichstest gewinnen zu können. Als Einziger im Test tritt der Panamera mit einem Sechszylinder an, der ihn zusammen mit dem agilen, sicheren Fahrverhalten fast wie einen Sportwagen wirken lässt. Leider ist der Spaß sauteuer, es reicht nur für Platz drei.

Von

Stefan Voswinkel