Auf sie mit Gebrüll! Gereizter Gesichtsausdruck und aggressiv aufgestellter Heckbürzel lassen keinen Zweifel: Dieser Ford will nach vorn. Nein, nicht in der GTI-Klasse. Dafür gibt es ja den Focus ST mit zurückhaltenden 225 PS. Fords neuer Angreifer spielt noch eine Liga höher und hat es aufs bayerische Sport-Establishment abgesehen. Im Ernst: Keine Geringeren als Audi S3 und BMW 130i hat der aufgemotzte Focus im Visier, der nach sechs Jahren Pause wieder das legendäre RS-Emblem tragen darf. Ein Name, der mehr verlangt als simples Chiptuning. Darum wurde der von Konzerntochter Volvo gelieferte Fünfzylinder an Ventilen, Nockenwellen, Pleueln, Ansaug- sowie Abgassystem kräftig überarbeitet. Zum ernsthaften Sportmotor adelt den 2,5-Liter-Block erst sein großer Turbolader, der die Luft mit bis zu 1,4 Bar in die Brennräume presst.

Gegen den Ford wirken S3 und 130i geradezu schüchtern

Aber durch dieses Brachial-Tuning steht hinterm Focus RS ein großes Fragezeichen. Denn wie, bitte schön, soll der Fronttriebler 440 Newtonmeter und 305 PS auf die Straße bringen? Allradantrieb ist zu schwer und zu teuer. Um die gewaltige Kraft dennoch effektiv zu übertragen, verwendet Ford eine mechanische Differenzialsperre. Dazu kommt die sogenannte Revo-Vorderachse, die das Serienauto vom Wettbewerbs-Focus aus der Rallyeweltmeisterschaft erbt. Kann Renntechnik den Focus auf das Niveau des BMW mit Heckantrieb oder des Allrad-Audi bringen? So erleben wir auch einen Kampf der Antriebskonzepte. Das Ganze wirkt wie ein Spiel 1. FC Köln gegen Bayern München. Hier die lustige rheinische Karnevalstruppe, dort der vornehme Edelclub aus dem Süden. Der hat trotzdem kürzlich sein Heimspiel gegen die Kölner mit 1:2 verloren. Viva Colonia auch bei den Autos – denn der Focus geht den Dreikampf um die Sportkrone offensiv an. Optisch stellt er die beiden bajuwarischen Technokraten in den Schatten. Ob Spoiler, Flügel, Diffussoren oder Verbreiterungen – der RS schreit pubertär aus jeder Fuge: Platz da, jetzt komm ich! S3 und 130i wirken gegen dieses Tuning-Outfit unterkühlt, ja fast schüchtern.

Auf der Rennstrecke löst der Ford das Versprechen seiner Optik ein

Ford Focus RS
Und dann diese Stimme. Zischend, keuchend, bollernd brüllt der Focus die Bayern nieder. Reiner Rennstreckensound. Für einen Turbomotor erste Klasse und alles andere als leere Worte. Vor allem bei mittleren Touren fällt ein Drehmoment-Tsunami über die gesperrte Vorderachse her und reißt den RS mit Urgewalt nach vorn. Auf der AUTO BILD-Hausstrecke, dem Contidrom bei Hannover, hält der RS, was sein martialischer Auftritt verspricht. Den 3,8 Kilometer langen Rennkurs umrundet er in 1:40,15 Minuten – schneller als Audi und BMW. Für einen Fronttriebler eine Sensation. Auch auf dem trickreichen Nasshandlingkurs zeigt der Focus ein verblüffend neutrales Einlenkverhalten. Differenzialsperre und modifizierte Vorderachse arbeiten so gut zusammen, dass kaum spürbarer Radschlupf auftritt. Ob in engen Kehren oder weiten Kurven – der Focus lässt sich wunderbar mit dem rechten Pedal und der direkten Lenkung dirigieren.
Wie es sich für eine Sportkanone gehört, hat er einen gut kontrollierbaren Lastwechsel im Repertoire. Keine Frage: Traktionsfreudiger und agiler kann man einen Fronttriebler nicht abstimmen. Besonders gegen den vermeintlichen Chefdynamiker aus München schlägt er sich überraschend gut. Der Dreiliter-Saugmotor des BMW hat eine völlig andere Charakteristik. Klingt komisch, aber im Vergleich mit den aufgeladenen Audi- und Ford-Aggregaten wirkt der 130i durchzugsschwach. Erst jenseits von 5000 Umdrehungen jubiliert der Reihensechszylinder vehement genug, um nicht den Anschluss an die Turbo-Tiere zu verlieren. Auch beim Fahrspaß müssen BMW-Fans tapfer eine Niederlage ertragen. Natürlich hat der Hecktriebler die präziseste Lenkung, dennoch entzaubern ihn S3 und RS. Besonders alt sieht er auf nasser Fahrbahn aus. Dort rutscht er hektisch hin und her und findet nie eine akzeptable Linie.

Der Audi S3 bietet den besten Kompromiss zwischen Komfort und Sport

Audi S3
Ganz anders der Audi. Na klar, der hat Allradantrieb und auf rutschigen Straßen jederzeit perfekte Traktion. Unter Rundstreckenfahrern gelten 4x4-Systeme allerdings nicht als erste Wahl: höheres Gewicht und sperriges Handling ermöglichen normalerweise keine Topzeiten. Nicht so im S3. Trotz 40 PS weniger Leistung und gut einem Zentner mehr Gewicht als der Focus bleibt er ihm ganz dicht auf den Fersen. Das spricht für seine gekonnte Abstimmung, denn der Allradantrieb per Haldexkupplung bietet hier nicht nur ein Sicherheitsplus, sondern auch spürbar mehr Dynamik. So geeignet die drei Kompaktgranaten für Rennstrecken sein mögen, der Besuch abgesperrter Pisten dürfte eher die Ausnahme bleiben. Für öffentliche Straßen sind S3 und 130i besser geeignet als der RS. Weil sie viel geschmeidiger abrollen, werden Langstrecken nicht zur Tortur. Den besten Kompromiss zwischen Komfort und Sportlichkeit bietet der teure Audi, der zudem mit der besten Verarbeitung überzeugt.
Um die harte Federung des Focus RS auf Dauer zu ertragen, braucht es Leidensfähigkeit. Motto: nicht weich, nicht reich, aber schnell. Sicher, der Ford ist billiger. Allerdings nur, wenn man ihn wie der freundliche Rentner im Focus CC 1.6 durch die Gegend trägt. Sonst liegen Verbrauch (11,3 Liter im Test) und Reifenverschleiß höher als bei Audi und BMW. Bei unseren – zugegeben sehr harten – Fahrtests waren die Gummis vorn schon nach wenigen Runden kräftig runtergerubbelt. Aber wir wollen nicht klagen. Der Ford RS ist wieder da. Und das ist gut so. Wer einen haben will, sollte sich beeilen. 1030 Exemplare sind für den deutschen Markt bestimmt. Die meisten davon sind bereits verkauft.
Das Endergebnis des Tests und weitere Details gibt es in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen technischen Daten und Tabellen finden Sie als Download im Heftarchiv.

Fazit

Ich hatte dem RS die Daumen gedrückt. Auf der Rennstrecke ist er das spaßigste Auto. Er brüllt, spurtet und driftet. Große Klasse! Aber das war es schon. Bei verschärfter Fahrweise frisst er Reifen wie Krümelmonster Kekse, und auf schlechten Straßen klappern die Zähne – ein reines Sportgerät. Wer in Urlaub und zur Arbeit fahren will, ist mit BMW und Audi besser dran.