Wenn Reifen kreischen und Gummi verbrennt, wenn Maffay rockt und Düsenjäger am Himmel drei Kondensstreifen ziehen, als Symbol für den unten präsentierten GTI adidas – dann ruft der See. Also, zum 29. Mal: GTI-Treffen am Wörthersee, das heißt Bierbuden, Show-Cruisen, Hardcore-Fans und Polizei-Kontrollen. Ein Mix aus Ballermann und von VW unterstützter Firmengaudi, längst sind alle Beteiligten berauscht und gefangen von diesem Event. Nachmittags um vier ist der Platzregen endlich vorbei. Die Klappstühle werden rausgestellt an der Seepromenade von Reifnitz, Defilee und Abnahme der Tuning-Schmuckstücke, die sich im Zuckelstau durch den kleinen Ort quälen. Viel junges Volk, viele Frauen, staunende Augen, demonstrative Lässigkeit in den vorbeiziehenden Autos. Beileibe nicht nur Gölfe, auch Polo, Audi, versprengte Seat und eine C-Klasse aus Kiel. "Begleitfahrzeug des GTI-Clubs", steht in der Heckscheibe. "Einer muss ja hinterher fahren."

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GTI-Treffen Wörthersee 2010
Eine Stimmung zwischen Oktoberfest und Tuningmesse, fachmännisch bis explosiv. Trotzdem ist das Blech heilig: "Unsere Show-Autos kehren vom Wörthersee in besserem Zustand zurück als von der IAA", verrät ein VW-Mitarbeiter. Johlend und bierbüchsen-schwenkend kommen die Fans an den Stand, um dort ehrfürchtig zu fragen, ob sie mal in den "Golf Extreme" hinein schauen dürfen, ein Show-Car vom Werk. Man mag als Besucher den Kopf schütteln über so viel Autoverrücktheit, doch kaum eine andere Veranstaltung zieht so viel junges Publikum an. Wer Reifnitz erlebt hat, fürchtet nicht um den Autonachwuchs – sondern vielleicht um dessen Verstand. Die wildesten Auswüchse früherer GTI-Treffen sind längst in rigide Bahnen gedrängt worden: Draußen auf den Landstraßen fischt die Polizei die schlimmsten Umbauten aus dem Verkehr, Burnouts sind im Ort bei Strafe verboten. Dafür gibt's die Aktionsfläche "Gummi Gummi", wo ein gechoppter A6 gerade seine Reifen in Rauchwolken auflöst. "Ist das geil?", fragt die blonde Moderatorin. "Supergeil", antwortet der Fahrer, nachdem er seine Atemmaske abgenommen hat. Geil, geil, geil.

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GTI-Treffen Wörthersee 2010
Franz wohnt gleich daneben, sozusagen im Auge des Taifuns, wo er seine Appartements vermietet. Zusammen mit seiner Frau sitzt er wie ein Sheriff vorm Haus und beobachtet das Treiben. "Wir können uns nicht beschweren, die Woche bringt richtig Geld." Seit die Gemeinde Glasflaschen verboten hat, glitzern die Splitter nicht mehr bis Herbst in seinem Garten. Seine Appartments sind auf Jahre ausgebucht, die Gäste pickt er sich mit jahrelanger Erfahrung heraus. Bis nachts um zwei geht er vor seinem Haus Streife, damit ihm die Besoffenen nicht in die Hecke kippen. Was er verbessern würde? "Jägermeister verbieten! Der Schnaps haut sie um, vor allem die jungen Frauen."
Das GTI-Treffen, sagen Insider, wäre ersoffen, hätte nicht VW-Patriarch Piëch, der hinten am See ein Anwesen besitzt, vor Jahren verordnet, dass das Werk einsteigt. Und das Niveau langsam hebt. Heute stehen ein Dutzend Autos am VW-Stand, Audi zeigt sieben umgebaute A1, vom Lowrider bis zur "Wörthersee Wasserwacht", präsentiert von einem Baywatch-Model im Schmalspur-Format. Egal, der Applaus ist ihr sicher, auch wenn der Drehteller am Ende der Bühne nicht funktioniert – ein Kurzschluss im Regen hat ihn lahmgelegt. Aber passt die noble Marke Audi in diese Bierzelt-Atmosphäre? "Wir können das ruhig wagen", antwortet Vorstandschef Rupert Stadler. "Die jungen Leute brauchen ein Live-Erlebnis, damit wir sie erreichen."

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Also darf das nächste GTI-Treffen nicht kleiner ausfallen. Zumal 2011 das 30. Mal ansteht und der GTI 35 Jahre alt wird. Was dann droht, lässt sich auf einem T-Shirt ablesen: "Wörthersee – noch geiler, noch sinnloser." Sein Nachbar trägt die Antwort am Leib: "GTI-Treffen – endlich normale Leute."

Von

Joachim Staat