Vorsicht in der Boxengasse! Hier kommen zwei kompakte Extremsportler – die unterschiedlicher kaum sein könnten. Grau gegen grell, schießt es uns durch den Kopf. Auf der einen Seite rauscht der Seat Leon Cupra in die Szene. Ein echter Tiefstapler: 300 PS verstecken sich in einer streng zurückhaltenden Hülle. Einen sportlichen Kompakten – ja, den nimmt man ihm ab. Aber Zwofuffzich Spitze? Sprintkraft für sechs Sekunden auf 100? Schwer zu glauben bei so viel Diskretion.

Schon auf den ersten Blick ist der Type R ein Brandstifter

Honda Civic Type R
Klare Kante: Der vollverspoilerte Honda Civic Type R macht schon optisch keinen Hehl aus seiner Leistung.
Kameraschwenk auf den Honda. Alaaaarm! Ein Civic Type R lässt es aus jeder Karosseriefuge krachen: Ich hab 320 PS! Ich renn 272 (!) km/h schnell! Ich knacke die Hundert in unter sechs Sekunden! Mehr Kriegsbemalung als am neuen Civic geht kaum. Lufteinlass- und -austrittsöffnungen durchsieben das Auto, Finnen und Spoiler wuchern an allen Ecken und Kanten. Ginge es hier nach Wow-Faktor, wäre jetzt Schluss. Null Zähler nach Spanien, volle Punktzahl nach Japan! Nur: Ein Test rein nach Optik ist uns viel zu öde. Insgesamt 620 PS, verteilt auf zwei Typen der Golf-Liga – so etwas soll auf der Rundstrecke liefern, nicht vor der Eisdiele. Theoretisch bremst den Seat ein kleines Kraftdefizit aus. Zum Honda fehlen 20 PS und noch einmal genauso viele Drehmoment-Meterchen. Unfair? Nein, dafür pappen sich besonders klebrige Michelin Pilot Sport Cup 2an den Asphalt. Gleichzeitig wiegt der Cupra rund 30 Kilogramm weniger. Also, spanisches Leichtgewicht mit Saugnapf-Füßen: Lass jucken!
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Der Cupra kann sein Leistungsdefizit wettmachen

Seat Leon Cupra
Untersteuern? Fehlanzeige! Dank Sperrdifferenzial sind auch 300 PS kein Problem für den Frontantrieb.
Tatsächlich geht der Cupra wie die gesengte Sau. Sprinten fällt ihm leicht. Nach einem kurzen Scharren nach dem Fliegenlassen der Kupplung geht's nahezu linear und äußerst nachdrücklich vorwärts. Vom dritten in den vierten Gang plumpst der 2.0 jedoch in ein kleines Leistungsloch, hier hätte ein kürzerer vierter Gang flüssigeren Elan zugelassen. Die Schaltung sollte ebenfalls geschmeidiger durch die Gassen flutschen – leicht kantig schiebt der Schalthebel die Gangräder vor sich her. Erste Kurve. Und wir wundern uns. Fronttriebler? Wo denn? Wie verzahnt zieht sich der Leon durch die Biegung. Das vordere Sperrdifferenzial zeigt Wirkung. Statt am Gas nach außen zu schwimmen, zieht sich der Cupra nochmals enger rein – großes Kurvenkino. Allerdings: Zur Korrektur kurz vom Gas, schon findet sich der Cupra einen halben Meter weiter außen wieder, so sehr verändert der Lastwechsel die Spurtreue. Vollends rund lässt sich so kaum eine schnelle Kurve fahren.
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Auch auf der Bremse zeigt der Seat ein störrisches Eigenleben. Geht es direkt nach dem Anbremsen schlingernd – und damit leider auch temporaubend – auf die Kurve zu, verhagelt die ABS-Regelung dann den Rest der gut gemeinten Linie. Gelegentlich packt die Zange des kurveninneren Vorderrades zu vehement an – ein über mehrere Meter blockierendes Vorderrad ist dann die Folge. Das kostet wertvollen Platz in der Anbremszone, mindert das Vertrauen in die Fahrstabilität und vernichtet am Ende auch teures Reifenprofil. Die kleinen blauen Wölkchen unterm Gummi belegen das auch optisch.

Im Honda gibt es Fahrfreude satt

Honda Civic Type R
Ganz großes Kino: Auf der Renntrecke spürt man die Seele des Type R – und das macht echtes Kribbeln.
Ganz anders der Civic. Eine halbe Runde auf dem Kurs, und schon traust du dem Auto (und dir) alles zu. Auch wenn die Lenkung aus der Mitte heraus bei Weitem nicht so verbindlich arbeitet wie im Seat – eine präzise Abschreitung des Kurvenradius ist immer drin. Korrekturen sind zudem im Zentimeterbereich möglich – so muss das auf letzter Rille sein. Auch die Bremse des Civic lässt sich nicht gehen. Hitze oder lauwarm? Die Anker haken sich da ein, wo es das Ende der Geraden fordert. Außerdem bleibt der Druckpunkt stabil, die erforderliche Pedalkraft stimmt. Dann der Motor: Brachialer als der TSI im Leon, gieriger in Richtung roter Bereich und so ungestüm, wie es sein soll am Drehzahlbegrenzer – meckernd-ratternd und nicht so wachsweich abatmend wie der Seat. Sorry nach Spanien – aber in dieser Krachliga muss es genau so zornig zugehen wie in einem Type R. Genug Lob für den Honda? Nee – der kann nämlich noch viel mehr als schnelle Runden drehen. Er hat etwas, was den meisten geschliffenen Typen heute abgeht. Er hat eine Seele. Er verursacht großes Kribbeln.
Die klare Schaltung – mit aufregender Drehzahlanpassung beim Herunterschalten – hat etwas Sinnliches, die Sitze packen mit wohlwollender Härte zu, und der Klang der schuftenden Maschine ist ein ehrliches Spektakel ohne zu viel künstliches Sound-Engineering. Kurz: Der Honda liefert ein perfekt zu seinen 320 PS passendes (Fahr-) Erlebnis. Herrlich, dass es so etwas noch gibt. Schade fast, dass im extrem lauten Japaner viel Alltagskönnen auf der Strecke bleibt und es enorm viel Geld kostet, das Erlebnis Type R auszufahren.

Fazit

Wer etwas Aufregendes mit Schweiß am Rücken und Hormonrausch im Blut erleben will, fährt am besten Honda. Seat liefert das bravere und alltagstauglichere Paket, am Limit zeigt der Cupra aber einen zickigen Charakter. Macht Platz zwei in der Sportwertung.