Sollen wir? Wagen wir es? Trauen wir uns in Zeiten wie diesen, Autos mit reichlich PS lieb zu haben, das "Rasen" auf freier Bahn zu feiern, uns juchzend in Kurven zu werfen? Eigentlich: Nee! Uneigentlich: Na, logo! So etwas klappt nämlich auch mit ganz wenig Auto, also in Maßen. Politisch korrekter Tempospaß mit Kleinst-Sportwagen sozusagen. Auf diesen Schmalspurzug springen ohnehin immer mehr Hersteller auf. Jüngstes Beispiel: Kia pustet den Picanto auf eine 100 PS starke Rennsemmel auf, stellt den Knirps auf dicke Aluräder und klackst etwas Kriegsbemalung auf die knapp 3,60 Meter kurze Karosserie.

Rein preislich sind die Kraftzwerge echte Riesen

Renault Twingo GT
Mindestens 15.690 Euro kostet der stärkste Renault Twingo – und ist im Test damit der Billigste.
Nach gleichem Muster hat VW bereits erfolgreich abgeliefert. Die Winz-Kanonenkugel Up GTI mit sogar 115 PS hat in früheren Tests bestens gezündet. Auch Renault mischt mit: Der Twingo ist als TCe 110 GT vielversprechende 109 PS stark, setzt dabei sogar auf einen Heckmotor inklusive Hinterradantrieb – wenn das nicht supersportlich ist. Wir haben diese aktuellen drei Knallerbsen aus der Schachtel geholt und auf die Straße gepfeffert. Peng – ein erster Schreck lässt nicht lange auf sich warten. Denn der Spaß ist nicht billig. Mindestens 15.690 Euro kostet der stärkste Renault Twingo. Viel Holz für ein Exemplar aus der Plastikliga – am Ende steht hier schließlich immer noch ein Kleinstwagen aus der Billigkategorie vor uns. VW überbietet das noch. Für einen Up mit Powerpaket unter der Haube sind mindestens 16.975 Euro anzulegen. Ein Picanto mit Schuss kostet wie hier getestet sogar 17.080 Euro (16.090 Euro Grundpreis). Knallerbsen? Wohl eher Knalldiamanten. Jetzt muss aber zum Ausgleich ein üppiges Feuerwerk kommen.

Bei den Fahrleistungen liegt der VW ganz vorne

VW Up GTI
Rote Rakete: Mit 9,1 Sekunden bis Tempo 100 und 196 km/h Vmax hängt der Up GTI die Konkurrenz ab.
Tut es auch. Beispiel VW: Der Up GTI hat eine herrlich kurze Lunte. In 9,1 Sekunden stürmt das Biestchen auf Tempo 100, der 1,0-l-Dreizylinder dreht, schnauft und rumort, dass es eine Freude ist. Lebendig und stark zerrt er das nur 1005 Kilogramm leichte Auto vorwärts, die Schaltung flutscht, die Bremsen beißen beherzt in die vorderen Scheiben (und knabbern hinten erfolgreich an den Trommeln), die Reifen krallen – es macht wirklich einen Heidenspaß, den Up von Kurve zu Kurve zu schmeißen und den Turbobenziner bis über 6000 Touren auszuwringen. Außerdem fühlt sich das Auto besonders leicht an, in die Lenkung haben die Wolfsburger eine passable Rückmeldung eingebaut und dem Motor einen reizvollen Klang (künstlich verstärkt und auf Dauer stressend) angedichtet. Schade: Trotz fester abgestimmter Federung gibt's in schnellen Kurven Schräglage. Das macht der Kia etwas besser. Allerdings federt der Picanto auch entsprechend unwillig – das stresst auf längerer Fahrt. Ständig rumpeln kurze Stöße durchs Auto. So viel sportliche Ignoranz muss man mögen.
Der Einliter-Dreizylinder ist nicht so drehgierig wie das Aggregat im Up, entwickelt dafür früh seine Kraft. Erstaunlich: Tempo 100 erreicht der Picanto bereits im zweiten seiner fünf lang übersetzten Gänge so kann er zunächst am viel stärkeren VW dranbleiben. Erst mit zunehmender Geschwindigkeit lässt seine Sprintlust nach, der VW zieht deutlich in Richtung Horizont voraus. Der Kia hat andere Talente: Getriebe entspannter, Leistung kleiner, Leergewicht kaum höher – da muss doch ein passabler Verbrauch herumkommen?

Dem Kia Picanto fehlt an Lenkung und Bremsen Feinschliff

Kia Picanto
Um die Mittellage dürfte die Lenkung des Kia feiner arbeiten, die Bremsen sollten giftiger sein.
Leider nein, der Kia trinkt über einen halben Liter mehr als der VW. Auch sonst bleibt ein Abstand zwischen Picanto und Up. Dafür sorgen subjektive Differenzen. Die Lenkung des Kia sollte um die Mittellage herum feiner arbeiten, die Bremsen sollten auch unter Hitze giftiger packen (das gilt auch für die objektiven Eigenschaften) und die Sitze bitte etwas sorgfältiger führen – so kann die Korea-Kanone fahrerisch nur den Renault auf Abstand halten. Der Twingo hat zwar Pfeffer auf dem Papier, im richtigen Sportfahrerleben lässt er es aber leider fad angehen. Die gefühllose Lenkung in Verbindung mit dem leichten Vorderwagen lassen den TCe unruhig auf der Fahrbahn umherschnüffeln. Der Motor hat vergleichsweise wenig Drehmoment bei recht später Drehzahl – so muss man den 0.9er reichlich bei Laune halten, um flüssige Kraftabgabe zu erleben. Am besten emsig in der manuellen Schaltgasse des Automatikgetriebes zwischen "Plus" und "Minus" umhertippen – dann passen die Drehzahlen besser zum Beschleunigungswunsch.
Zwar klingt der Motor im Heck unter Last und mit zunehmender Tourenlage wie ein ganz Großer – irgendwann jedoch stört das sonore Brummen aus dem voluminösen Auspufftopf. Dazu kommt eine unharmonische Federung inklusive hart abrollender 17-Zoll-Bereifung. Kurz: Gemächliche Landstraßenfahrten sind nicht gerade sein liebstes Metier, wer reisen will, macht lieber einen Bogen um den GT. Trost: Ein Twingo mit 109 PS wird beim Ausweichen nie zur heiklen Sache. Die Bremsen arbeiten ordentlich, das ESP streng, und das früh einsetzende Untersteuern stufen wir als hilfreich tempohemmend ein.
Wie sich die drei Rennknirpse im Alltag schlagen, erfahren Sie in der Bildergalerie.

Fazit

Fahrspaß? Gibt's bei allen drei Krachern reichlich. Kein Wunder, wenn über 100 PS auf so angenehm wenig Auto treffen. Das meiste Tempo liefert VW. Die besten Fähigkeiten unter dem Strich der Kia. Somit gewinnt der Picanto diesen Vergleich deutlich.

Von

Berend Sanders