Am Telefon flüsterte mir Natalie süßen Unfug ins Ohr, und als sie mir eine halbe Stunde später die Tür öffnete, hatte sie nur das Radio an. Stimmt, ist erfunden, und der erste Satz hat auch nichts mit diesem Vergleich zu tun. Aber erste Sätze sind dazu da, Interesse zu entfachen – etwas, das drei asiatischen Kleinwagen bei vielen Lesern nur schwer gelingt. Zu Unrecht, wie Kia Rio, Nissan Micra und Toyota Yaris beweisen. Denn der Rio mischt die Kleinwagenklasse derzeit auf. Vorletzte Woche hat er sich schon gegen drei Rivalen durchgesetzt, musste sich nur dem Skoda Fabia geschlagen geben. Jetzt rangelt er mit dem neuen Yaris und dem seit knapp einem Jahr angebotenen Micra um den Titel des besten Kleinwagens aus Fernost. Dabei nimmt der Kia gleich mal eine überragende Rolle ein – in der Länge. Der Toyota ist 16, der Micra gar 26,5 Zentimeter kürzer.

Überblick: Alle News und Tests zum Kia Rio

Kia Rio
Angenehm: Dank der üppigsten Raumfülle reist es sich im Kia Rio am bequemsten.
Dafür allerdings fällt der Vorsprung des Rio beim Raumangebot zumindest gegenüber dem Yaris überschaubar aus. Denn während vier Passagiere im Micra mit knappem Kopfraum vorn und im engen Fond nur gedrängt unterkommen, bieten die beiden anderen selbst für vier Erwachsene ausreichend Platz. Zwar rücken Pilot und Co im Yaris enger zusammen, doch erlaubt seine höhere Karosserie eine aufrechtere Sitzposition im Fond. Den möbliert Toyota mit einer nun nicht mehr verschiebbaren, kaum ausgeformten Rückbank. Auch den Vordersitzen mangelt es an Seitenhalt. So reisen die Passagiere im Rio am angenehmsten, auf bequemen Sitzen und in der üppigsten Raumfülle. Mit seinen hochbockigen, knapp geschnittenen und rutschigen Ledersitzen (Option) fällt der Micra hier ab. Wie bei der Verarbeitungsqualität. Den Micra steckt Nissan in Indien zusammen. Höflich formuliert gibt es da durchaus Verbesserungspotenzial in puncto Sorgfalt und Materialgüte. Das zeigen wackelige Cockpitverkleidungen, grobe Blechfalze an der Karosserie oder eine labile Motohaubenstütze.

Überblick: Alle News und Tests zum Toyota Yaris

Toyota Yaris
Für die Stadt reicht's: Wie beim Kia fällt der Motor im Toyota eher müde aus.
Rio und Yaris kommen deutlich solider daher, am Toyota stören aber kratzempfindliche Oberflächen. Wie hochwertig selbst Hartplastik wirkt, wenn es nett gemasert ist und ein wenig Chrom glitzert, beweist der Rio. Sein höheres Gewicht gleicht er bei den Fahrleistungen durch den stärksten Motor aus. Dabei entwickelt der müde ansprechende 1400er trotz der kurzen Drehzahlsprünge des präzisen Sechsganggetriebes nur verhaltenes Temperament, wirkt dabei kaum energischer als der matte Toyota-Vierzylinder. Wie beim Rio genügt das Temperament des Yaris für die Stadt. Aber, hey, wir sind hier in der 100-PS-Klasse, da darf man auch ein wenig Reisetalent erwarten. Doch was sich beim Yaris in den oberen Übersetzungen der hakeligen Sechsgangbox im Bereich über 120 km/h an Tempozuwachs abspielt, verdient den Namen Beschleunigung nicht mehr. Gegen den Mangel an Durchzugskraft hilft nur Drehen, dann plärrt der Motor, zeigt wenigstens etwas Tatkraft.
Die Nissan-Burschen gehen das Durchsetzungsproblem kleinvolumiger Benziner nachdrücklicher an und zwirbeln einen Kompressor an den Dreizylinder. Der Verdichter plustert den Motor auf 142 Nm. Dass er die Kompressor-untypisch erst bei 4400/min erreicht, liegt an der Abstimmung. An sich sind Kompressoren wegen ihres frühen Ansprechens für Druck aus niedrigen Drehzahlen prädestiniert. Bei hohen Touren reduziert sich ihr Wirkungsgrad, weil der Kompressor für seinen eigenen Antrieb viel Leistung vom Motor schmarotzt. Beim Micra schaltet er sich über eine Magnetkupplung je nach Gaspedalstellung zwischen 1200 und 1600 Touren zu. Darunter arbeitet der hoch verdichtete Direkteinspritzer als Saugmotor, was den Konsum niedrig halten soll. Klingt in der Theorie clever, überzeugt in der Praxis aber nur zum Teil.

Überblick: Alle News und Tests zum Nissan Micra

Nissan Micra
Klarer Sieg beim Verbrauch: Der Nissan schluckt 0,4 Liter weniger als die Konkurrenz.
Im Verbrauch liegt der Micra tatsächlich 0,4 Liter pro 100 km unter den anderen. Doch auf der Autobahn fängt er dann das Saufen an. Zudem stört die unharmonische Kraftentfaltung im Stil früher Turbomotoren. In der Stadt bei geringer Last und niedrigen Drehzahlen öddelt der Micra im Saugbereich herum, und obwohl sich der Kompressor schon früh zuschaltet, setzt der Schub erst um 3500/min ein – und zwar gleich so, als sei dem Micra ein Lieferwagen ins Heck gedonnert. Dann heult der Kompressor zum trommeligen Laufgeräusch des Dreizylinders, was die Inszenierung des Ladereinsatzes dramaturgisch fördert. Mal unter uns, das ist weit weg von Perfektion. Sehr weit weg. Dafür aber auch sehr kurzweilig. Über Landstraßen schunkelt der stark unterdämpfte Micra, während der Fahrer im hakeligen Fünfganggetriebe herumrührt und mit der unverbindlichen Lenkung versucht, den Kurs in seinem Sinne zu beeinflussen. Weil das ESP autoritär und früh regelt, bleibt alles sorgenfrei. Doch auch beim mäßigen Federungskomfort und dem hohen Geräuschpegel fragt man sich, ob das der alte Micra nicht besser konnte als der neue. Auch die reichhaltig ausstaffierte Tekna-Ausstattung inklusive Navi, schlüssellosem Zugang und Panoramadach bringt den Nissan nicht weit nach vorn, weil er eben deutlich teuer ist als der Rio.
Wie viel kompetenter Kleinwagen heute auftreten, zeigen Kia und Toyota. Wobei sich der Japaner mit der zielgenauen Lenkung, dem agilsten Fahrverhalten, dem besten Federungskomfort und den bissigsten Bremsen in der Eigenschaftswertung noch eng an den Rio heranschiebt. Der wirkt in vielem der Kleinwagenklasse schon entwachsen, was sich allerdings auch an seiner schlechten Rundumsicht und dem sperrigen Wendekreis zeigt – wobei auch der des Yaris auf dem Niveau einer Mercedes E-Klasse liegt. Noch fehlt dem Rio Feinschliff – ein wenig bei Bremsleistung sowie der Abstimmung des unterdämpften und zu straff gefederten Fahrwerks, und ein wenig mehr bei der ESP-Regelung. Bei starken Lastwechseln hängt das Heck ein Stück raus, bevor das System etwas unentschlossen eingreift. Doch weil sich der Kia mit sieben Jahren Garantie und dem günstigsten Preis auch mit großem Vorsprung das Kostenkapitel sichert, ändert all das nichts an dem klaren Sieg des Rio, der die asiatische Kleinwagen-Krone nach Korea holt. Und damit wieder zurück zu süßem Unfug.

Fazit

von

Sebastian Renz
Spätestens jetzt müssen sie bei Toyota und Nissan den Schuss gehört haben. Auf die Frage, welche Wettbewerber sie am meisten fürchten, antworten fast alle Massenhersteller: Hyundai/Kia. Zu Recht, denn der Rio lässt Micra und Yaris wenig Chancen. Dabei zählten die Japaner vor Kurzem noch zu den Herausforderern von Polo und Corsa. Jetzt überrascht vor allem das schlechte Abschneiden des Micra. Der war mal ein Trendsetter in seiner Klasse, jetzt ist er bestenfalls noch Durchschnitt.

Von

Sebastian Renz