Mercedes EQS: Test, Elektro, Reichweite, Akku, MBUX, Preis, S-Klasse, cw-Wert
Herrlich fährt am längsten: Mercedes EQS überzeugt mit Reichweite
Mercedes EQS im Test
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Luxus ohne Ende und viel Reichweite. Der vollelektrische Mercedes EQS 580 verführt auch Verbrenner-Fans, wie der AUTO BILD-Test zeigt.
Bild: Daimler AG
Manchmal brauchen die guten Dinge tatsächlich etwas mehr Zeit. Oder auch viel mehr Zeit. 1921 präsentierte Edmund Rumpler seinen aerodynamisch optimierten Tropfenwagen. Der cw-Wert betrug gerade mal 0,28. Für Mercedes damals Grund genug, in Lizenz und für den Renneinsatz den Benz-Tropfenwagen zu entwickeln. Ein Jahrhundert später haben die Schwaben ihr eigenes Aerodynamik-Wunder: Der EQS ist viel mehr als ein vollelektrischer Verwandter der S-Klasse, sein cw-Wert von 0,20 ist tatsächlich Weltrekord bei den Serienautos.
Viel Konsequenz bei der Entwicklung ist ihm schon äußerlich anzusehen. Statt des großen Grills ziert die Front ein geschlossenes Black Panel mit darüber angeordnetem durchgehenden Leuchtenband. Die Seitensilhouette wird vom "One Bow"-Design (ein Bogen) dominiert. Die strenge Form bietet viele Vorteile. Durch die perfektionierte Windschlüpfigkeit sinkt der Energieverbrauch, die Reichweite steigt. Zudem vereint das klassische Fließheck beste Raumausnutzung mit hoher Variabilität. So schluckt der Kofferraum des EQS 610 bis 1770 Liter. Zum Vergleich: Ein E-Klasse-Kombi ist mit bis zu 1820 Litern kaum größer. Mit einer Länge von 5,22 Metern sortiert der EQS sich zwischen Kurz- und Langversion der S-Klasse ein, steht aber auf einer eigenen Elektroplattform. Dadurch entfällt der sperrige Mitteltunnel.

Großes Kino: Das Display des EQS ist 1,41 Meter breit. Die neueste Version des MBUX-Systems macht die Bedienung sehr leicht.
Bild: Olaf Itrich / AUTO BILD
Das MBUX passt zu einem Elektro-Luxusliner
Dass der Sitzkomfort hinten trotz fürstlicher Beinfreiheit nicht vollends überzeugt, liegt an den Akkus im Fahrzeugboden, die für stark angewinkelte Beine sorgen. Vorn reist es sich auf höchstem Niveau. Feinstes Leder auf sehr komfortablen Sitzen mit weitem Verstellbereich, so stellen wir uns die Luxusklasse vor. Besonders auffällig ist der riesige, von A-Säule zu A-Säule reichende MBUX-Hyperscreen. Das 1,41-Meter-Element aus Glas beherbergt drei Monitore. Alle nötigen Fahrdaten sieht der Fahrer direkt hinter dem Lenkrad auf einem 12,3-Zoll-Bildschirm. Der 17,7-Zöller in der Mitte versorgt mit allen Navigations-, Einstellungs- und Entertainmentinfos, während der Beifahrer sich über einen eigenen 12,3-Zoll-Schirm freuen kann. Nur er übrigens. Läuft gerade ein Film und der Fahrer linst rüber, wird das sofort von einer Kamera bemerkt und der Bildschirm entsprechend abgeblendet.
Auch sonst hat Mercedes bei seiner neuesten MBUX-Version noch mal kräftig nachgelegt. "Zero Layer" soll dafür sorgen, dass alle Funktionen direkt aus der obersten Ebene erreichbar sind. "Magic Modules" merkt sich das Benutzerverhalten und ordnet die häufig verwendeten Menüeinträge entsprechend ein. Das funktioniert im Alltag angenehm intuitiv. Zumal die Sprachsteuerung gut mit natürlicher Sprache zurechtkommt. Wer sich trotzdem die alte MBUX-Version zurückwünscht, drückt nur einmal lange den Home-Button, und alles sieht wie früher aus.

Ganz ordentlich: Bei einem gemessenen Verbrauch von 26,9 kWh/100 km kommt der EQS rund 400 Kilometer weit.
Bild: Olaf Itrich / AUTO BILD
Die Reichweite des EQS soll bei 672 km liegen
Ganz klassisch wird auch per Knopf gestartet. Im aktuellen Topmodell EQS 580 4Matic sitzt je ein E-Motor an Vorder- und Hinterachse, die Systemleistung beträgt 523 PS, das maximale Drehmoment 855 Nm. Brutal, ansatzlos und ohne Unterbrechung peitscht das 2,6-Tonnen-Schiff bei Bedarf in 4,2 Sekunden auf 100 km/h, 200 sind nach 15,5 Sekunden erreicht, kurz danach läuft er bei Tempo 210 direkt in den Begrenzer. Die Verbindung aus Top-cw-Wert und dem riesigen 107,8-kWh-Akku soll bis zu 672 Kilometer am Stück ermöglichen. Dank Schnellladen mit bis zu 200 kW sind nach 15 Minuten wieder 300 Kilometer drin. So verliert das E-Auto auch für Vielfahrer seinen Schrecken. Auf unserer Testrunde kam der EQS 580 auf einen Verbrauch von 26,9 kWh/100 km, macht etwa 400 Kilometer Reichweite. Für so einen Luxusdampfer nicht schlecht.

Der geht ins Geld: Für einen EQS 580 4Matic verlangt Mercedes mindestens 135.529 Euro. Unser Testwagen kostete 150.631 Euro.
Bild: Olaf Itrich / AUTO BILD
Beim Preis langt Mercedes richtig zu
Ein weiterer Vorteil der guten Aerodynamik sind die sehr niedrigen Windgeräusche. In Verbindung mit dem leisen Abrollen und den – sieht man vom minimalen Pfeifen ab – fehlenden Motorgeräuschen ist der EQS so eines der leisesten Autos am Markt. Die aufmerksame Luftfederung arbeitet fast perfekt. Nur bei sehr langsamer Fahrt schaffen es kleine Unebenheiten in den Innenraum, um dann im dick gepolsterten Sitz zu verhungern. Die Lenkung arbeitet mit der markentypischen Ruhe und Präzision. Nur das Bremsgefühl leidet unter der enormen Rekuperation (bis zu 290 kW) und erfordert etwas Eingewöhnung.
Ansonsten nimmt sich der EQS so elegant zurück wie ein aufmerksamer Butler und verwöhnt diskret. In elektrischen Sportwagen mag man den Geist eines Verbrenners vermissen, in der Luxusklasse ist der E-Motor perfekt. Da möchte man nicht mehr aussteigen. Bis man den Preis hört: 135.529 Euro plus Extras. Ein Vermögen. Aber so ein Tropfenwagen vor 100 Jahren war vermutlich auch kein Schnäppchen.
Fazit
Der EQS verzichtet auf die große Show und bietet stattdessen ausgefeilte Ingenieurskunst. cw-Wert und Reichweite überzeugen, Komfort und Power begeistern. Der einzige Spielverderber ist der Preis. AUTO BILD-Testnote: 2+
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