Für eine Woche ist Shanghai die Auto-Hauptstadt der Welt. Und wer regiert diese Hauptstadt? Die Deutschen. Sebastian Vettel machte mit seinem Formel-1-Sieg den Auftakt, einen Tag später durften sich Volkswagen, Porsche, BMW und Co. beim Auftakt der Shanghai Auto Show im Glanz einer scheinbar heilen Auto-Welt sonnen. Auf der Automesse sind die deutschen Stände jedenfalls Hauptanlaufpunkt des Publikums. Ganz besonders stark frequentiert ist der Porsche-Stand. Dort feiert der viertürige Grand Tourismo Panamera Weltpremiere. Am Sonntag Abend (19. April 2009) war der große Schwabe bereits 300 Journalisten und Ehrengästen aus aller Welt über den Wolken präsentiert worden.
Ist Volkswagen mit seinen beiden Joint Ventures immer noch größter Autobauer Chinas, verschaffen sich die Konkurrenten nun immer lauter Gehör. Das kann man wörtlich nehmen. Wer die Messehallen betritt, wird mit ohrenbetäubender Musik bei den Fahrzeugpräsentationen befeuert. Ein Besuch der Frankfurter IAA ist im Vergleich dazu ein Kur-Aufenthalt. Laut, grell, bunt. Die Chinesen lieben es grell. Die Autos leuchten in allen Bonbontönen, auf die Bühne regnet es buntes Staniolpapier, die chinesischen Autobosse stecken sich Blumenschmuck so groß wie Grabgestecke ans Revers. Selbst riesige Lkw werden mit leuchtend roten XXL-Rosetten am Kühler geschmückt. Und die Besucher – vor allem die weiblichen – sehen aus wie Harlekine.

Der Messerundgang gleicht einem Saunabesuch

Apropos Besucher: Die ersten beiden Messetage sind traditionell der Presse vorbehalten. Eigentlich. Die "professionelle" Ausstattung vieler Besucher oder deren Alter lässt allerdings Zweifel an deren Professionalität aufkommen: als Kameras dienen Handys, halbe Schulklassen und Kleinkinder bevölkern das Gelände. Und am Porsche-Stand geht ein "Journalist" mit geöffneter Jacke auf Kundenfang: "Want to buy watch? Rolex-watch?" Der Messerundgang ist wie ein Saunabesuch. In der Halle von Volkswagen, Audi, Skoda & Co. gibt es keine Klimaanlage, nebenan bei der einheimischen Konkurrenz würde Schnee liegen bleiben, so kalt ist es dort.

"Zeit der Kopien ist vorbei"

Und was haben die chinesischen Hersteller außer kaltem Ozon zu bieten? Immer noch 1:1-Kopien der europäischen Vorbilder? Nein, in China tut sich was. Natürlich findet man immer noch die Repliken internationaler Autostars wie den "Lolls-Loyce" von Geely, den Mini Clubman von Lifan Motors oder das kopierte Mercedes-CLK-Cabrio von BYD (Build Your Dreams). Aber die eigenen Kreationen haben bei weitem die Oberhand gewonnen. "Die Zeit der Kopien ist vorbei", erklärt uns Wenlin Xing, Vizepräsident von Great Wall, die sich bislang besonders skrupellos am Design anderer bereichert hatten. "Wir haben jetzt genug Geld, um selbst zu entwickeln und namhafte Designer zu beschäftigen." Das tut Brilliance schon seit längerem. Die Chinesen, die sich als erste in größerem Stil auch bereits in Deutschland versuchen, lassen ihre Autos von den italienischen Star-Designern Giugiaro oder Pininfarina entwerfen. Und das mit Erfolg – jedenfalls was die Optik angeht.

In China wächst das Umweltbewusstsein

Schickes aus China: der FRV-Cross (Boulevard-SUV) von Brilliance.
Auch in Shanghai haben sie schicke Neuheiten zu bieten. Den FRV Cross (Boulevard-SUV) und den FSV (Stufenheck-Limousine) zum Beispiel, die übrigens bald nach Deutschland kommen sollen. Nicht so bald dürfte hingegen deren Elektro-Studie in Serie gehen. Aber sie zeigt, dass Umwelt selbst in China zu einem wichtigen Thema wird. Dafür sorgt auch der Staat, der kleine Autos (bis 1600 ccm) mit Steuererleichterungen fördert und hubraumstarke bestraft. Die großen Porsche, Mercedes, BMW oder Audi wurden so mal eben 30 Prozent teurer, wie Porsches Marketing- und Vertriebsvorstand Klaus Berning beklagt. Bereits zu kaufen ist ein erstes Hybrid-Fahrzeug von BYD. Fast alle anderen Hersteller zeigen Prototypen von Autos mit  Elektro- und Verbrennungsmotor. Fast so, als wolle Shanghai demnächst auch noch die grüne Hauptstadt der Welt werden. 

Von

Joachim R. Walther
Tomas Hirschberger
Claudius Maintz