Zwei Cabrios von Stardesignern

Mustang oder Mangusta ist keine Frage des Geschmacks. Es ist eine Frage der Verfügbarkeit. Schon das Ford Mustang GT Cabrio (ab 39.950 Euro) verkauft sich weltweit derart erfolgreich, daß selbst in Amerika saftige Spekulations-Aufpreise von bis zu 5000 Dollar beim Vertragshändler gezahlt werden müssen. Doch einen Qvale Mangusta auf der Straße anzutreffen, grenzt an einen Sechser im Lotto. Denn der Vertrieb des schrillen Spiders wurde nach nur 292 Autos und drei Jahren Bauzeit (1999 bis 2002) eingestellt. Mit fast 90.000 Euro Grundpreis war er einfach zu teuer.

Von Beginn an stand seine Produktion unter keinem glücklichen Stern. Ursprünglich wollten Alejandro De Tomaso († 2004) und sein US-Importeur Bruce Qvale den Mangusta als Gemeinschaftsprojekt realisieren. Stolz präsentierten die beiden das Cabrio 1998 auf dem Genfer Autosalon als De Tomaso Bigua. Doch wie eigentlich immer bei zwei Exzentrikern, kommt es zum Eklat. Bruce Qvale zieht die Cabrio-Fertigung ab 1999 schließlich allein durch. Zunächst mit dem Doppelnamen "Qvale De Tomaso Mangusta". Nach einem Gerichtsstreit muß Qvale das De-Tomaso-Emblem von seinem Heck entfernen, bekommt aber die Rechte am Namen Mangusta.

Beide Cabrios wurden von Stardesignern gezeichnet: Das Mustang Cabrio stammt aus der Hand von J. Mays, der bereits Ford Thunderbird und den New Beetle in Szene setzte. Der neue Mustang erinnert mit seinen Retro-Details wie den dreigeteilten Heckleuchten an das 1966er Modell. Designfreaks erkennen am Qvale Mangusta die Handschrift von Enrique Scalabroni: Den kecken Knick in den hinteren Radläufen hatten bereits Lamborghini Countach und Maserati Shamal.

Ein Herz mit zwei Seelen

Die Außenhaut des Mangusta besteht aus drei hochfesten Kunststoffteilen: der Frontnase, dem Windschutzscheibenrahmen und dem Heckteil. Unter der GFK-Beplankung verbirgt sich ein 600 Kilo schweres Stahlchassis des Ferrari-Hoflieferanten Vaccari & Bosi aus Modena. Um die strengen Crashnormen in den USA zu erfüllen, wurden die Seitenschweller bis auf Kniehöhe des Fahrers hochgezogen. Die Plattform wurde aus über 100, zum Teil zwei bis drei Millimeter dicken Stahlblechen zusammengeschweißt.

Der Innenraum des Mustang GT Cabrio ist bis zur letzten Interieurleiste durchgestylt. Die chromeingefaßten Instrumente versprühen das Flair der 70er. Verspielte Extras wie die individuell einstellbare Tachobeleuchtung (grün, rot, blau, weiß) machen einfach Spaß. Im Gegensatz dazu ist es schon schade, daß Bruce Qvale beim Mangusta-Arbeitsplatz auf billigste Schalter des Ford-Zulieferers Visteon gesetzt hat. Einzig das handvernähte Nappaleder im Innenraum wird dem Anspruch eines Sportwagens gerecht.

Das Herzstück beider Autos ist der 4,6-Liter-Smallblock von Ford. Trotzdem gibt es Unterschiede: Dank des neuen Dreiventil-Zylinderkopfs leistet der aktuelle Mustang-V8 jetzt 300 PS, die bei US-untypischen 5750 Umdrehungen anliegen. Neue, flüssigkeitsgefüllte Motoraufhängungen sollen Vibrationen bei hohen Drehzahlen vermeiden. Im Qvale arbeitet noch der alte Zweiventiler, der seine 260 PS bereits bei 5000 Umdrehungen abgibt. Der Sound, der mit jedem Gasstoß durch die vierflutige Abgasanlage entweicht, ist gigantisch. Der V8 brüllt dumpf wie ein Stier. Dabei hallt die Baßwelle in den Häuserschluchten bisweilen noch Sekunden nach.

Beim Fahrverhalten glänzt der Mangusta

Das Mustang Cabrio spricht die gleiche Sprache, nur erheblich leiser. Die moderne Fünfstufen-Automatik im Mustang GT ist der alten Mangusta-Automatik mit vier Gängen plus Overdrive weit überlegen. Beim Kickdown dauert es nur Sekundenbruchteile, bis der passende Gang anliegt. Der Mangusta braucht für alles etwas länger. Qvales Automatik-Versionen waren ja ohnehin nur für den Export nach Amerika vorgesehen – gleiten statt hetzen.

In Europa wurde der Mangusta als Fünfgang-Schalter mit Vierventil-V8 aus dem Mustang Cobra (320 PS) verkauft. Beim Fahrverhalten dagegen macht dem italo-amerikanischen Spider keiner etwas vor. Tiefer Schwerpunkt, breite Spur (1590 Millimeter) sowie doppelte Dreieckquerlenker vorn und hinten reichen immer noch, um aktuellen Sportwagen Paroli bieten zu können. Das Fahrwerk wurde von Bruce Qvale persönlich abgestimmt. Der war nicht nur Firmenchef, sondern auch Leiter seines eigenen Rennteams. Vom Start weg verputzte der Mangusta in der amerikanischen Trans-Am-Serie gleich im ersten Saisonrennen alles, was Rang und Namen hatte: Chevrolet Corvette, Ford Mustang und Jaguar XKR. Ein Teil dieser Rennsporterfahrung ließ Qvale in die Serie einfließen. So verbaut er zum Beispiel teure Hydratec-Sperrdifferentiale, die hervorragende Drifts am Limit und trotzdem verblüffende Kurvengeschwindigkeiten garantieren. Normalerweise findet man diese Sperren nur im Motorsport.

Das Ford Mustang Cabrio muß sich elektronisch behelfen: Ihm erleichtert eine Schlupfregelung das Anfahren. Querfahren geht nur nach Ausschalten des Ford Traction Control Systems (TCS). Mit Scheibenbremsen, McPherson-Federbeinen vorn und einer sauber geführten Starrachse hinten dürfte das erstaunlich verwindungsfeste Cabrio auf der Piste trotzdem ein Wörtchen mitreden können. Die Mustang-Bremsen sind okay, an den Biß des Mangusta mit gelochten, 324 Millimeter messenden Brembo-Scheiben kommen sie jedoch nicht heran.

Technische Daten, Fahrleistungen und Preise

Der Mustang punktet vor allem beim Alltagsnutzen: Viel Platz innen sowie ein elektrohydraulisch zu bedienendes Softtop machen ihn zum Lieblingscabrio für alle Jahreszeiten. Beim Mangusta überlegt der Fahrer ernsthaft, ob er wirklich offen fahren will. Dabei war die Cabrio-Idee eigentlich gut gemeint: Der Mangusta sollte ein Coupé sein, das Targa und Vollcabrio zugleich ist. Leider wurde die Ausführung nie richtig serientauglich.

Mühsam muß man das Dachmittelteil aus den klebrigen Dichtungen herauswuchten und in den Kofferraum bugsieren. Erst wenn es dort umständlich verstaut wurde, kann die C-Säule samt Heckscheibe elektrisch nach hinten gefahren werden. Übrigens produziert der Mangusta ab 200 km/h selbst im geschlossenen Zustand ein Getöse, als würde man sich schutzlos mitten im Orkan bewegen.

Während das neue Ford Mustang Cabrio vor einer erfolgreichen Zukunft steht, hat der Qvale Mangusta seine kurze Karriere bereits beendet. Die meisten Exemplare sind in Sammlergaragen auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Das ehemalige Ersatzteillager in Modena wurde zum Bootsschuppen umfunktioniert. In der Qvale-Fabrik baut Ferrari heute Rennwagen für den Kundensport auf. Auch das Schicksal von De Tomaso ist endgültig besiegelt: Am 30. Juni 2005 hat der Konkursverwalter die Werktore für immer geschlossen. Nicht nur die Amis werden die Exoten mit dem Ford-V8 vermissen – wir auch.

Technische Daten Ford Mustang GT Cabrio V8, vorn längs • drei Ventile je Zylinder • Hubraum 4606 cm³ • Leistung 220 kW (300 PS) bei 5750/min • max. Drehmoment 434 Nm bei 4500/min • Hinterradantrieb • Einzelradaufhängung vorn, Starrachse mit Schraubenfedern und Panhardstab hinten • rundum Scheibenbremsen • Reifen 235/55 ZR 17 • Länge/Breite/Höhe 4770/1800/1410 mm • Radstand 2720 mm • Leergewicht 1580 kg • Kofferraumvolumen 275 l • Tankinhalt 62 l • 0–100 km/h in 5,9 s • Höchstgeschwindigkeit 235 km/h • Preis: 39.950 Euro

Technische Daten Qvale Mangusta 16V V8, vorn längs • zwei Ventile pro Zylinder • Hubraum 4601 cm³ • Leistung 191 kW (260 PS) bei 5000/min • max. Drehmoment 410 Nm bei 4000/min • Hinterradantrieb • Viergangautomatik mit Overdrive • rundum doppelte Dreieckquerlenker • rundum Scheibenbremsen • Reifen 225/40 ZR 18 vorn, 265/35 ZR 18 hinten • Länge/Breite/Höhe 4194/1900/1315 mm • Radstand 2670 mm • Leergewicht 1520 kg • Kofferraumvolumen 220 l • Tankinhalt 61 l • 0–100 km/h in 7,0 s • Höchstgeschwindigkeit 250 km/h • Preis (2002): 87.431 Euro

Von

Oliver Lauter