Golfspielen mag ein elitäres Vergnügen sein. Aber Golf fahren tut jeder. Und weil sich auch sonst alle in der Kompaktklasse tummeln, hat Nissan vor sieben Jahren einen neuen Weg gewählt. Als einer der ersten haben die Japaner damals mit dem Qashqai auf einen Crossover gesetzt, das Beste von Kombi, Geländewagen und normalem Schrägheck vereint und nach dem Motto "Anders, nicht artig" ordentlich abgeräumt: Statt der geplanten 100.000 Autos haben sie im Jahr bis zu 250.000 Autos verkauft und damit viele andere Importeure ganz schön alt aussehen lassen.
Doch mittlerweile ist die Konkurrenz groß und das Angebot schier unüberschaubar. Deshalb hat Nissan beim Generationswechsel ordentlich nachgelegt: Ein sportlicheres Design, ein höherwertiger Innenraum mit mehr Platz auf allen Plätzen, sparsamere Motoren und mehr Assistenzsysteme sollen den Führungsanspruch des Grenzgängers untermauern. Und falls das nicht überzeugend genug ist, haben die Japaner auch noch am Preis gefeilt. Es sind zwar nur 50 Euro Unterschied. doch wenn Mitte Februar für 19.940 Euro die Auslieferung beginnt, gibt es mehr Auto für weniger Geld.Im Zuge des Generationswechsels geht auch der Großstadtabenteurer wieder ein bisschen aus dem Leim: Er wird fünf Zentimeter länger und einen Hauch breiter, duckt sich dafür aber etwas flacher auf die Straße. Zusammen mit dem stärker konturierten Design, dem neuen Gesicht und der bis über die Kotflügel umlaufenden Motorhaube sieht der Qashqai damit etwas sportlicher und schnittiger aus. Außerdem bietet er ein bisschen mehr Platz: Dank neuer Sitze wachsen Kopf- und Kniefreiheit und mit der Länge der Kofferraum, der um 20 auf 439 Liter zulegt. Außerdem gibt es einen praktischen Ladeboden, der auch als Raumteiler genutzt werden kann. Was es allerdings nicht gibt, ist eine sonderlich variable Rückbank: Die Lehne ist nur zwei-, statt dreigeteilt, verschieben lässt sich das Sofa der Hinterbänkler auch nicht, und der Qashqai+2 mit verlängertem Radstand und dritter Sitzreihe wird gestrichen. An seine Stelle tritt im Sommer die Neuauflage des X-Trail.

Pfiffiges Infotainment-System mit vielen Apps

Nissan Qashqai Cockpit
Die Materialanmutung im Innenraum wurde verbessert, auch bei Technik und Ausstattung legten die Japaner beim neuen Qashqai nach.
Außen sportlich, innen edel – das zumindest war die Absicht der Designer, die das Innenleben ordentlich aufgemöbelt haben. Die bunte Ambientebeleuchtung, die aus der Einfassung des Schaltknüppels herausstrahlt, mag ein wenig albern sein. Aber das Cockpit sieht klasse aus, die Bildschirme sind brillant und die Materialanmutung ist um längen besser als früher. Außerdem gibt es ein pfiffiges neues Infotainment-System, das online gehen und eine Reihe von Apps einspielen kann.

360-Grad-Panorama und Lenkroboter

Weil man mit Ambiente allein in dieser Klasse nicht punkten kann, legen die Japaner auch bei Ausstattung und Technik nach. Deshalb gibt es nicht nur zum ersten Mal bei Nissan LED-Scheinwerfer, sondern vor allem ein kräftig aufgerüstetes Heer von Assistenzsystemen: Eine Kamera liest Verkehrszeichen und regelt das Fernlicht, der Abstandswarner leitet im Ernstfall eine automatische Notbremsung ein, die Elektronik überwacht die Aufmerksamkeit des Fahrers und Parken wird dank 360-Grad-Panorama und Lenkroboter zum Kinderspiel.

Optische Sportlichkeit täuscht ein wenig

Mit Birdview-Überwachung und einer betont leichtgängigen, in zwei Stufen verstellbaren Lenkung wirkt der Qashqai in der Stadt damit so handlich und wendig, als sei er nach unten aus der Kompaktklasse herausgefallen. Über Land allerdings würde man sich den Wagen ein wenig bestimmter wünschen. Das neue, viel komfortablere Fahrwerk ist zwar freundlich zum Rücken und die Mägen der Hinterbänkler. Aber so sportlich wie der Qashqai aussieht, fährt er dann halt doch nicht.

Unter der Haube wurde abgerüstet

Aber das war auch gar nicht das Ansinnen der Entwickler. Sie wollen vor allem den SUV-Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Deshalb haben sie unter der Haube ein wenig abgerüstet, den Verbrauch auch mit bis zu 40 Kilo Gewichtsreduktion und die schnittigere Form um bestenfalls ein Drittel gedrückt. Daher kommt der Qashqai jetzt auf Werte, die sich von normalen Kompakten wie dem VW Golf oder dem Renault Mégane kaum mehr unterscheiden: 3,8 Liter für den sparsamsten Diesel und 5,0 Liter für den besten Benziner sind jedenfalls eine ordentliche Ansage.

Kaufberatung kompakte SUV

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Video: Nissan Qashqai (2014)

Der Qashqai ist gewachsen

Allerdings ist die Motorauswahl eher bescheiden. Denn starten wird der Qashqai in der Benzin-Fraktion mit einem neuen 1,2-Liter-Turbo, der 115 PS leistet und von einem 1,6-Liter flankiert wird. Auch der kommt als Turbo-Direkteinspritzer und kommt deshalb auf 150 PS. Ebenfalls zwei Alternativen gibt es zunächst bei den Dieseln: Einen 1,5-Liter mit 110 und einen 1,6-Liter mit 130 PS. Zwar sind vier verschiedene Antriebe nicht schlecht, sowohl der kleine Benziner als auch der große Diesel machen bei der ersten Testfahrt einen ganz munteren Eindruck, das optionale CVT-Getriebe für den 1,6-Liter ist nicht mehr ganz so nervig und wahrscheinlich sind 190 km/h Spitze für den 130-PS-Motor allemal genug für eine Familienkutsche. Doch die Spreizung der Motorpalette ist viel zu gering, die Unterschiede sind kaum messbar. Und dass es den Allradantrieb für 2000 Euro Aufpreis nur für den stärkeren Diesel gibt, ist vielleicht auch nicht die beste Entscheidung.Schnittiger und sparsamer, intelligenter und hochwertiger und obendrein noch ein bisschen geräumiger – eigentlich hat der neue Qashqai damit alles, um seine Rolle als Trendsetter unter den Crossovern zu verteidigen. Aber so ganz traut Nissan dem Braten offenbar nicht. Denn für all jene, denen so ein Grenzgänger doch ein bisschen zu modisch und markant ist, bereiten die Japaner für den Herbst 2014 einen konventionellen Kompakten vor, der direkt gegen Golf & Co positioniert werden soll.

Von

Thomas Geiger