Nissan X-Trail 1.5 VC-T e-4orce gegen Toyota RAV4 Hybrid AWD-i
Zwei SUV-Vollhybride mit Allrad im Test-Vergleich

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Wie der bewährte Toyota RAV4 AWD-i zählt auch der Nissan X-Trail e-4orce zur seltenen Art der Allrad-Vollhybride. Wer kann mehr?
Bild: Tom Salt / AUTO BILD
Keine Stecker, kein Ladefrust, aber auch keine Förderung und keine Parkprivilegien: Wer einen Voll- oder Selbstladehybrid fährt, sucht nach echter Sparsamkeit abseits des Diesels, der sich wegen hoher Fixkosten eher Langstreckenfahrern anbietet.
Und wer einen Vollhybrid mit Allrad sucht, sieht sich mit einem schmalen Angebot konfrontiert: Honda bietet so etwas an (CR-V e:HEV), Lexus (etwa: UX 250h E-Four), Hyundai (Tucson), Kia (Sportage) und Hybridpionier Toyota mit dem RAV4 AWD-i. Nissan beansprucht nun seinen Anteil an dieser Marktnische mit der Allrad-Hybridversion des neuen X-Trail, dem 1.5 VC-T E-4orce.

Zwei Vollhybride, beide in Japan gebaut. Der neue Nissan X-Trail setzt das Thema ganz anders um als der seit 2019 bewährte Toyota.
Bild: Tom Salt / AUTO BILD
Abgesehen von einem unübersehbaren Qualitätssprung gegenüber der dritten Serie bietet der Newcomer originelle Technik. Der aufgeladene, komplexe 1,5-Liter-Dreizylinderbenziner mit variabler Verdichtung dient nur als Generator, treibt die Räder nie direkt an – im Prinzip wie bei dieselelektrischen Triebwagen, die Eisenbahner seit Jahrzehnten nutzen.
Das soll das Beste aus zwei Welten vereinen: das spontane Drehmoment eines Vollstromers, aber ohne Reichweitenangst. Weitere Vorteile: Getriebe und Kardanwellen entfallen und zum Heizen muss der X-Trail nicht den Fahrstrom-Vorrat antasten, dafür lässt sich die Abwärme des Benziners nutzen.
System führt Eigenleben
Wie sich der seit vier Jahren bewährte RAV4 Vollhybrid fährt, haben wir schon oft beschrieben: Bei Stadttempo summt der 2,5-Liter-Saugbenziner leise vor sich hin; beim Beschleunigen steckt das stufenlose Planetenradgetriebe Verbrenner und E-Motor sinnreich zusammen oder trennt sie wieder.

Kleiner 1,5-Liter-Turbo, dient nur als Generator. Der unpraktisch versenkte Öleinfüllstutzen erfordert einen Trichter.
Bild: Tom Salt / AUTO BILD
Leider passen akustischer Eindruck und das tatsächlich gefahrene Tempo selten zusammen. Das System führt ein irritierendes Eigenleben, überzeugt aber mit 7,7 Liter Testverbrauch.
Nissan verspricht mit seinem System ein annähernd natürliches Geräuschbild; die Drehzahl werde analog zur Gaspedalstellung moduliert. Beim entschlossenen Hochbeschleunigen ertönt von vorn, wenn auch gut gedämmt, ebenfalls ein klagendes Geräusch – auch das wirkt synthetisch, aber feiner und weniger jaulig als bei anderen Vollhybriden. Toyota hat sein System akustisch beruhigt gegenüber alten Prius-Zeiten: Wenn er nun jault, spurtet er auch.
FAHRZEUGDATEN
Nissan X-Trail 1.5 VC-T e-4orce
Toyota RAV4 Hybrid AWD-i
Motor Bauart/Zylinder
Einbaulage
Leistung Verbrennungsmotor
Leistung E-Motoren (vorn/hinten)
max. Drehmoment (Benzin/E/E)
Systemleistung
Höchstgeschwindigkeit
Abgas CO2
Verbrauch
Tankinhalt
Kraftstoffsorte
Anhängelast gebr./ungebr.
Stützlast
Kofferraumvolumen
Grundpreis
Testwagenpreis
Rein elektrisches Fahren ist mit beiden nur wenige Hundert Meter möglich, denn die Akkus sind klein (1,6 kWh beim Toyota, 2,1 kWh beim Nissan). Letzterer ist immerhin bis etwa 75 km/h bereit, elektrisch zu fahren (Toyota: ca. 30 km/h). Darüber verweigert er die Annahme des EV-Tastenbefehls.
Beide bieten knister- und klapperfreie Karosserien auch bei Minusgraden. Ähnlich sind sich die Kontrahenten auch beim Handling: Die Lenkungen beider sind nicht die direktesten und mitteilsamsten, zeigen einen leichten Dreh ins Teigige, sind aber ausreichend abgekoppelt, und auf unserer Marterstrecke klopft es nicht im Lenkrad. In beiden Fällen nichts für Dynamiker, aber zu dieser Sorte Auto passend. Vor allem der Nissan fühlt sich beim Fahren so schwer an, wie er ist.
Nissan mit zwei E-Maschinen Ausgeglichener
Unser X-Trail mit 20-Zoll-Rädern rollt auf Kanaldeckeln und Kopfsteinen naturgemäß kantiger ab als der RAV4, der mit hochflankigeren 18-Zoll-Rädern kam.

Toyota-Saugbenziner ohne Direkteinspritzung. Klassischer Ölmessstab, Haube mit Stange wie Nissan.
Bild: Tom Salt / AUTO BILD
Für Geländeausflüge bietet der Nissan eine ausgewogenere Kraftverteilung. Während an den Vorderrädern des Toyota die 178 PS des Benziners und/oder ein 120 PS starker E-Motor zerren, während der hintere E-Motor nur mit 54 PS mitschiebt, bietet der Nissan mit seinen zwei E-Maschinen (204 PS vorn/136 PS hinten) mehr Ausgeglichenheit.
Dass so ein RAV4 kein Geländemonster ist, wissen wir. An einer verschneiten 23-Grad-Steigung blieb er schon früher mit brummendem Verbrenner und ruckenden Vorderrädern stehen, als es ihm zu viel wurde. Der Nissan wirkt hier dank mehr Kraft auf der Hinterachse talentierter, allerdings sind beide mit gemessenen 18 Zentimeter Bodenfreiheit nur begrenzt schlechtwegetauglich.
Verbrauch kein Ruhmesblatt
Beim Verbrauch dreht sich das Bild, der Nissan fährt sich elektrischer, verbraucht aber mehr: 9,1 Liter auf 100 Kilometer sind kein Ruhmesblatt für ein Hybridauto jüngsten Datums. Prinzipbedingt senken Stadtfahrten den Verbrauch eher.

Der neue Nissan X-Trail ist nach hinten schlimmer zugebaut als der Toyota RAV4 mit seinen halbwegs schlanken Dachsäule.
Bild: Tom Salt / AUTO BILD
Bei flotter Fahrt aber mit zwei Dritteln Autobahn inklusive Vollgasanteil (was hier 180 km/h heißt) kann man auch mal über elf Liter durch die Düsen jagen – offenbar schlägt die Kraftumwandlung des Antriebs auf den Wirkungsgrad. (So schlägt sich der RAV4 im Vergleich mit dem Kia Sportage)
Nur: Verglichen mit dem 2,0-Liter-Benziner der ersten X-Trail-Serie ist das sparsam. Bei ihm waren die elf Liter der Testverbrauch, mit Bleifuß bewegt waren es 19 Liter. Und das, obwohl er 1430 Kilogramm leicht war.
Gewicht bleibt ein Rätsel
Der ganze Hybridisierungsaufwand bringt eben doch etwas, und früher war keineswegs alles besser. Weshalb der Neue aber 1,9 Tonnen wiegt, bleibt ein Rätsel. Am Akku kann es nicht liegen. Auch fühlen sich beim Nissan die Türen leichter an als die rustikal-schweren des RAV4.
Die offizielle Kofferraumangabe des X-Trail von nur 1400 Litern erscheint uns zu bescheiden; da hat der Hersteller wohl etwas zu seinen Ungunsten gemessen. Der X-Trail-Laderaum bietet ein bestens nutzbares Format und rechtfertigt den Mehrpreis gegenüber dem Qashqai; ein 28-Zoll-Herrenrad passt hinein.
Dem Preis nicht angemessen sind bei beiden die Motorhauben-Haltestäbe; in dieser Klasse sollten Gasdämpfer Standard sein. Die nunmehr vierte X-Trail-Serie wirkt trotz ein paar nicht perfekter Spaltmaße – etwa um den Tankdeckel, der praktischerweise auch der Tankverschluss ist – insgesamt solide zusammengefügt und überzeugt im Detail: einladende hintere Türen, die um 85 Grad öffnen, längs verstellbare Fondbank, modernes Navi mit Zugriff auf die Verkehrszeichenerkennung und halbautomatischer Einhaltung der Tempolimits – der Neue gefällt. Auch ohne Stecker.
Fazit
Fast ein Patt: Der Toyota, als Taxi zigtausendfachbewährt, löst das Sparsamkeitsversprechen eines Vollhybrids besser ein, der deutlich weniger sparsame Nissan aber ist das ringsum modernere Auto. Sparsam sind beide eher in der Stadt, auf Langstrecken können sie einen Diesel nicht ersetzen.
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