Ein Wunder muss her. Ein Wirtschaftswunder für Frankreichs kriselnde Autoindustrie. In den letzten acht Jahren sank die Produktion um rund ein Drittel auf knapp zwei Millionen Fahrzeuge in 2012. So verloren in dieser Branche etwa 110.000 Menschen ihre Arbeit. Vollmundige Versprechen von Staatspräsident Hollande helfen da wenig. Um wieder in Fahrt zu kommen, braucht es innovative Ideen und frische Fahrzeugkonzepte. So wie wir sie bei Peugeot 2008 und Renault Captur erkennen. Die beiden Baby-SUVs verzichten auf komplizierte Allradtechnik, setzen auf praktischen Hochbau und bleiben dabei kompakter als ein Golf. Billiger sowieso. Wir dürfen die beiden französischen Freizeit-Könige also zweifellos als Baby-Boomer bezeichnen, als Typen, die den Erfolg abseits des Konventionellen suchen.

Überblick: Alle News und Tests zum Renault Captur

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Video: Renault Captur vs. Peugeot 2008

Mit neuen Mini-SUVs gegen die Krise

Das gab's bei Renault in der Vergangenheit öfter – und tatsächlich: Der Captur hat was vom legendären R4. Auch der war geräumig, alltagstalentiert und günstig. Und er verkaufte sich über acht Millionen Mal. Renault legt viel Wert darauf, dass der Captur chic und bloß nicht so schachtelartig und schlicht wie ein R4 aussieht. Zahlreiche Chromblenden (Serie ab Dynamique) sowie Zweifarbenlack mit abgesetzten Spiegeln, A-Säulen und Dach (400 Euro, Serie bei Luxe) schenken dem Captur einen fast schon verspielten Auftritt. Innen setzt der sich mit farbigen Kontrastblenden und abnehmbaren Sitzbezügen (400 Euro, Serie bei Luxe) fort. Wichtiger als diese Wechsel-Wäsche wären allerdings eine straffere, mehr Halt bietende Polsterung sowie eine bessere Verarbeitung. Im Captur dominiert Hartplastik, das am Verschluss des Fachs auf der Mittelkonsole oder am Lenkradkranz sogar schmerzhaft scharfkantig ausfällt. Auch die zwischen den Vordersitzen eingeklemmte Ablageschale und das Handschuhfach im Schubladenstil, dem die Beine des Beifahrers immer im Weg sind, lassen noch Raum für Verbesserungen.

Überblick Alle News und Tests zum Peugeot 2008

Peugeot 2008
Hochwertiger: Der 2008 wirkt seriöser als sein Konkurrent – und im Detail auch solider gemacht.
Der 2008 wirkt auf jeden Fall seriöser – und im Detail auch solider. Die Chromakzente setzt der Peugeot etwas sparsamer und gezielter, das Interieur der Topausstattung Allure schmeichelt mit Leder und Klavierlack. Dazu gibt es ein angenehm kleines Lenkrad, wie es bei Peugeot gerade Stil des Hauses ist. Zwar passt die Sitzposition mit Blick auf die Instrumente übers Steuer hinweg nicht jedem, noch dazu sieht das unten abgeflachte Volant ein wenig unförmig aus, die Materialien und das Finish stimmen aber. Auch die Polster erweisen sich als stabiler und stärker unterstützend, vermitteln nicht den Eindruck eines durchgesessenen Sessels wie im Captur. Doch bei aller Modernität im Design: Der Peugeot ernüchtert mit seiner teilweise altbackenen Bedienung. Die hinteren Seitenfenster lassen sich kaum mehr als bis zur Hälfte versenken (beim Renault verschwinden sie fast komplett), die labil wirkende Hutablage schwingt nicht mit der Heckklappe nach oben und stört so beim Einladen. Dass die letzten zehn Zentimeter sich wegklappen lassen, hilft da wenig. Außerdem liegen die Regler fürs Klima an Bord zu tief, und das Navigationsmenü ist in einigen Punkten schwer zu verstehen – da gefällt uns die schlichte, aber vollkommen rätselfreie Lösung im Renault schon besser.
Vorteil Captur auch beim Platzangebot. Obwohl vier Zentimeter kürzer als der Peugeot, geht es in der zweiten Reihe des Captur spürbar luftiger zu. Kein Trick, sondern sieben Zentimeter mehr Radstand und eine um 16 Zentimeter längs verschiebbare Fondbank. Wenn im 2008 schon gekuschelt wird, kann im Captur noch gelümmelt werden. Auch der Einstieg gelingt beim Renault leichter. Großzügigere Türöffnungen, größerer Verstellbereich des Lenkrads, drei Zentimeter mehr Sitzhöhe und ein schlankerer Schweller machen den Captur nicht nur für Senioren zum perfekten Partner. Hier kommt jeder mit einem Lächeln rein und raus – wobei auch beim 2008 niemand in Tränen ausbrechen muss. Für ihn sprechen die niedrigere Ladekante und die bessere Ausstattung, im Vergleich zu einem herkömmlichen Kleinwagen hat er sowieso alle Vorteile auf seiner Seite.
Peugeot 2008 Renault Captur
Das Fahrwerk des 2008 weckt deutlich mehr Vertrauen als der leicht schaukelige Auftritt des Captur.
Tatsächlich schlägt die Stunde des Peugeot beim Fahren. Sein Fahrwerk weckt deutlich mehr Vertrauen als der leicht schaukelige Auftritt des Renault, der weicher gefedert ist und deutlich mehr Schlagseite zulässt. Auch im Grenzbereich kann der Captur nicht restlos überzeugen. Sein ESP arbeitet um einiges unharmonischer als das System seines französischen Kollegen. Wo der 2008 den Spurwechsel dezent an den Rädern zupfend meistert, wird der Captur sehr rüde eingebremst. Gefühlt erfolgt dieser Rettungseingriff viel zu heftig und auch erst dann, wenn das Auto schon wieder sicher in seine Fahrspur zurückgekehrt zu sein scheint. Eine merkwürdige Regelstrategie. Auch wenn der 90 PS starke Dreizylinder- Benziner des Renault und der 115-PS-Diesel des Peugeot keinen direkten Vergleich zulassen, wird eines klar: Captur-Käufer sollten lieber zum 120-PS-Benziner oder zum Diesel mit 90 PS greifen – der kleine TCe-Motor ist mit dem SÜVchen heftig gefordert. Richtig zäh wird es, wenn die ganze Familie verreist. Der 2008 kommt als HDi 115 dagegen bestens zurecht – mehr Leistung gibt es im kleinen Löwen-SUV aber auch gar nicht.

So summiert sich der Preis für den Top-Peugeot 2008 Allure e-HDi 115 auf stolze 21 750 Euro. Dann kosten zwar auch Kurvenlicht und Zwei-Zonen-Klimaautomatik keinen Aufpreis mehr, dennoch zerplatzt der verlockende Einstiegspreis von 14.700 Euro für den 2008 Access 82 VTi wie eine Seifenblase. Der Captur bleibt mit dem Basis-Benziner dichter am Volk. Los geht der TCe 90 bei 15.290 Euro, der hier getestete Luxe kommt auf 18.790 Euro. Allerdings fährt auch der Ober-Captur TCe 120 EDC Luxe mit Doppelkupplung nicht unter 20.890 Euro vor. Im Vergleich zu den 4115 Mark, die beim R4 1961 in der Preisliste standen, klingt das teuer. Ist es aber nicht. Denn heute kostet schon der einfachste viertürige VW Golf mit 122 PS mal eben 22.425 Euro. Das französische Wirtschaftswunder könnte also wahr werden.
Technische Daten Renault Captur TCe 90 Dreizylinder, Turbo, vorn quer • Hubraum 898 cm³ • Leistung 66 kW (90 PS) bei 5250/min • max. Drehmoment 135 Nm bei 2500/min • Vorderradantrieb • Fünfganggetriebe • Leergewicht 1238 kg • Tankinhalt 45 l • 0–100 km/h in 13,0 s • Spitze 171 km/h • EU-Mix 5,0 l S • CO2 115 g/km • Preis ab 15.290 Euro.
Technische Daten Peugeot 2008 e-HDi 115 Vierzylinder, Turbo, vorn quer • Hubraum 1560 cm³ • Leistung 84 kW (115 PS) bei 3600/min • max. Drehmoment 270 Nm bei 1750/min • Vorderradantrieb • Sechsganggetriebe • Leergewicht 1284 kg • Tankinhalt 50 l • 0–100 km/h in 10,4 s • Spitze 188 km/h • EU-Mix 4,0 l D • CO2 105 g/km • Preis ab 21.750 Euro.

Fazit

Die Franzosen haben das SUV konsequent weiterentwickelt – und zeigen mit 2008 sowie Captur die derzeit modernste Interpretation des Trendformats. Kein Allradantrieb, dafür sehr kompakte Abmessungen und hohe Alltagstauglichkeit. Das Ganze zu fairen Preisen – der Erfolg dürfte dieser neuen Fahrzeugklasse sicher sein.