Als sie den Daumen immer höher reckte, begann meine Stimmung zu sinken. Die Begeisterung der attraktiven Anhalterin galt ausschließlich dem neuen Renault Kadjar, den Fahrer hatte sie glatt übersehen. Woran es lag? Schwer zu sagen, ich hätte aber eine Idee. Der französische Kompakt-SUV punktet neben optischen Qualitäten nämlich auch mit inneren Werten – siehe Einzeltest letzte Woche. Wer kann da schon widerstehen? Zustimmung auf der Straße ist das eine, ein knallharter Vergleich das, was zählt. Also baten wir Kadjars japanischen Bruder und Technik-Twin Nissan Qashqai sowie den koreanischen Garantie-Weltmeister Kia Sportage zum Wettkampf nach Punkten.

Der Kadjar macht es seinen Passagieren am bequemsten

Renault Kadjar
Länge läuft: Der Kadjar streckt sich mit 4,45 Metern am meisten – das kommt auch den Passagieren zugute.
Mit 4,45 Metern macht sich der Renault hier am längsten, ohne auszuufern. Und er spendiert auch innen ein paar Zentimeter mehr Luft als seine Mitstreiter. Kein Klassenunterschied, aber wer öfter mit mehr als zwei Personen im Auto sitzt, weiß das zu schätzen. Auch den Kofferraum hat Renault auf Familienausflüge ausgelegt. Hinter die Fondbank passt mit 472 Litern das meiste Gepäck, wer die Lehnen umlegt (geht anders als bei Kia und Nissan auch vom Kofferraum aus), kann mit 1478 Litern immer noch ausreichend einladen – auch wenn Bruder Qashqai mit 1585 Litern protzt. Das Interieur des Kadjar wirkt modern und manierlich verarbeitet. Die Bedienung von Navi und Radio über Touchscreen gelingt während der Fahrt aber nicht so entspannt wie in den betont klaren Mitstreitern. Die robusten Materialien genügen eher Alltagsanforderungen als Luxusbedürfnissen. Bei den Sitzen überzeugt der Kia mit festen, gut unterstützenden Polstern – vor allem im Nissan erscheinen sie weicher und weniger Halt gebend. Der Kadjar bietet zwar eine gute Passform, ärgert aber mit der zu weit nach vorn reichenden Kopfstütze. Spätestens nach zehn Kilometern nervt das Gefummel am Hinterkopf.
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Beim Fahrkomfort schlägt der Nissan seinen Technikbruder

Nissan Qashqai
Ruhiger als sein Technikbruder: Dank kleinerer Reifen liegt der Nissan beim Komfort etwas vor dem Renault.
"Fahren doch alle gleich" – wer nur mal eben um den Block fährt, mag das so erleben. Ein paar Hundert Testkilometer weiter sehen wir das anders und finden die Unterschiede. So verschenkt der Kadjar als Bose Edition mit 19-Zoll-Rädern die Komfortwertung. Das Fahrwerk verleitet auf sanft geschwungenen Sträßchen durchaus zum Schwärmen, gerät auf schlecht geflickten Nebenstrecken aber schon mal aus der Fassung. Unfein polternd stolpern die dicken Alus durch die Schlagloch-Schikanen, der Aufbau gerät mächtig in Aufruhr, und Gäste mit empfindlichem Magen beginnt es zu schütteln. Zugegeben, der Nissan kann das in der Grundtendenz auch nicht besser, bleibt dank gemäßigter Bereifung in 215/60 R 17 aber geringfügig ruhiger. Die Überraschung liefert der Kia, der auf 235/55 R 18 vorfährt. Grobe Straßenschäden stoßen auch im Koreaner unangenehm auf, das straffe Fahrwerk-Set-up lässt die Karosserie aber weniger zappeln. Große Räder, stramme Waden? Geht da sportlich was? Wenig. Der Renault wirkt zwar satter und schwerer als der Nissan, seine Servounterstützung fällt geringer, die erforderliche Lenkkraft also höher aus – zum Kurvenräubern taugen aber beide nicht. Zu behäbig das Fahrverhalten, zu diffus die Lenkung.
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Das unterbietet der Sportage, dessen Servohilfe jede Rückmeldung über die Lenkung ausblendet und dessen ESP früher regelt, als sich Grenzbereich denken lässt. Macht nichts, so ein SUV soll ja nicht möglichst schnell ins, sondern entspannt ans Ziel kommen. Dank ESP und zuverlässiger Bremsen gewährleisten das alle drei Kandidaten. Der Kia muss trotz guter 36,2 Meter aus Tempo 100 aber aufpassen, nicht den Anschluss zu verlieren – Renault braucht im Schnitt nur 35 Meter, Nissan reichen sogar 34,6 Meter. Was dann doch ganz schön sportlich ist.

Mit dem stärksten Motor sprintet der Sportage davon

Kia Sportage
Klare Sache: Beim Sprintvermögen bis Tempo 100 liegt der Kia Sportage deutlich vor der Konkurrenz.
Entspannter lassen es die Motoren angehen. Mit zwei Liter Hubraum und 136 PS liegt der Sportage nicht nur auf dem Papier vorn. Im Sprint bis 100 km/h raubt er dem französisch-japanischen Duo rund eine halbe Sekunde, darüber liefern sich die Kompakt-SUV ein totes Rennen. Leichte Vorteile zieht der Kia dabei aus seiner gut geführten Schaltung – Nissan und Renault arbeiten auf längeren Wegen und flutschen nicht ganz so leicht. Die Plattform-Brüder nutzen den gleichen 1,6-Liter mit 130 PS. Und dennoch erscheint der Nissan beim direkten Umsteigen leichtfüßiger und munterer. Was zumindest die Elastizität belegt. Von 80 bis 120 km/h geht der Qashqai im fünften/sechsten Gang ein bis zwei Sekunden schneller – keine Welt, aber wahrnehmbar. Ansonsten bleiben die Unterschiede zwischen den beiden am Rande der Merkschwelle. Wer will, erlebt den Kadjar eine Spur laufruhiger und im Gegenzug den Nissan minimal drehfreudiger – für einen Punktunterschied reicht das aber nicht. Der ergibt sich erst beim Verbrauch, allerdings zwischen Renault/Nissan und Kia. Wo Qashqai und Kadjar mit guten 5,9/6,0 Litern vorliebnehmen, fordert der Sportage alle 100 Kilometer einen Liter mehr (6,9 l). Was drei Gründe hat: Mit zwei Litern gibt der Kia hier den Hubraumriesen, Start-Stopp gibt es nur für die Basismotorisierungen (warum auch immer), und mit 1661 Kilo muss er die größte Masse bewegen.
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Nissan unterbreitet mit dem Qashqai das beste Angebot

Drei Kompakt-SUVs im Test
Alle drei kosten um die 30.000 Euro, am günstigsten und am besten ausgestattet ist der Qashqai.
Den Qashqai 1.6 dCi gibt es ab Ausstattungslinie Acenta – und das ist auch gut so. Zu den 29.500 Euro Grundpreis müssen dann nur noch 900 Euro für die Navigation addiert werden, fertig ist der Rundum-sorglos-SUV. Inklusive Tempomat, Zweizonen-Klimaautomatik, App-Zugang und drei Jahren Garantie.Klar, der Kia bietet sieben Jahre und schließt auch noch die Wartung ein – ihm fehlen aber fast sämtliche Assistenzsysteme sowie ein modernes Multimediaangebot. Und als Spirit kostet der Sportage 2.0 CRDi dann trotzdem 32.140 Euro. Noch mehr verlangt Renault für den Kadjar dCi 130 Bose Edition. Für 33.490 Euro gehören dann zwar so sinnvolle Extras wie LED-Licht, Navi und Safety-Paket dazu, allerdings zahlen Sie auch für rumpelige 19-Zoll-Räder und ein verzichtbares Bose-Soundsystem. Zudem beschränkt Renault die Garantie auf zwei Jahre, während die Versicherer bei Haftpflicht und Vollkasko statt 16/23 wie bei Bruder Qashqai locker die Klassen 17/24 aufrufen. Aber das konnte die traumhafte Tramperin ja nicht wissen.

Fazit

Das Bruderduell bleibt Geschmackssache. Der günstigere Nissan Qashqai fährt am Ende ganz nach vorn, der neue Renault Kadjar gewinnt allerdings die Eigenschaftswertung und wird Zweiter. Und andere Ausstattung, anderer Motor – schon hätten wir womöglich das Siegerauto. Dem Kia auf Platz drei merkt man vor allem bei Konnektivität und Assistenzsystemen an, dass er schon etwas älter ist.