Seat wollten sie mal zum Alfa Romeo im VW-Konzern herausputzen, bis der vermeintliche Gigolo einfach vergessen wurde. Nun, da niemand mehr davon spricht, schlüpft die Marke verspätet in die zugedachte Rolle. Erst bekam der neue Leon so attraktive Blechfalten, dass sein Cousin Golf dagegen aussieht wie der Langweiler vom Konfirmandenball. Richtig gelungen. Und demnächst bringen die Spanier von ihrem Kompakten erstmals einen Kombi. Pardon, einen "ssstt", denn wer Alfa werden will, präsentiert keine schnöde Familienschachtel, sondern den ST: einen Sport Tourer mit schickem Schrägheck, das AUTO BILD im ersten Fahrvergleich mit dem Kia cee'd SW auslotet.

Überblick: Alle News und Tests zum Seat Leon ST

Play

Video: Seat Leon ST vs. Kia cee'd SW

Die neuen Kompakt-Kombis

Zur Begrüßung laufen wir einmal drum herum: Auch beim Leon Kombi würde man sich nicht wundern, trüge der ein Alfa-Wappen. Der ST setzt das feine Spiel aus wenigen Sicken und klaren Flächen bis in die Kofferraumklappe fort. Die Heckscheibe unten leicht V-förmig, der Türöffner im Markenwappen – der hätte beste Aussichten im Wettbewerb "Schönster Kombi im Konzern". Die flache Dachlinie signalisiert: Dem Seat geht es um Linien, nicht um Laderaum. Dafür hätte der hintere Überhang etwas kürzer ausfallen dürfen, immerhin bringt das ausladende Hinterteil einen standesgemäßen Kofferraum: 587 Liter bei aufrechten Rücksitzen, 1470 bei umgelegten. Ordentlich, aber die Baumarkt-Könige VW Golf (605–1620 Liter) und Skoda Octavia (610–1740) zeigen, dass der Spanier einen Preis für die Schönheit zahlt.

Überblick: Alle News und Tests zum Kia cee'd

Kia cee'd
Koreanisches Nutztier: Der Kia cee'd SW bietet viel Platz und bis zu 1642 Liter Kofferraumvolumen.
Auch der Kia cee'd SW stellt den Leon auf eine harte Probe. Nicht weil er nach dem Umräumen größer ist (528–1642 Liter), sondern weil er aussieht, als hätten die Koreaner den Wunschzettel einer fünfköpfigen Familie erfüllt. Auf der Rückbank haben die Kiddies genug Platz zum Toben, der Laderaum dahinter bietet so gut wie alles: Ladehaken, Rollo, Licht, ebenen Boden, darunter so viele Fächer wie ein Setzkasten, die Klappe schwenkt hoch genug – ein echtes Nutztier. Der Seat soll eher ein Edelkombi sein. Die Ladekante ziert eine Edelstahlleiste, eine zusätzliche Ladeluke schluckt die Skier, und die Rücksitzlehnen fallen durch bequeme Fernentriegelungshebel von hinten. Nachteil: Bei umgelegten Rücklehnen steigt der Ladeboden im Seat leicht an, im Fond gehen die Knie auf Tuchfühlung mit den Vordersitzen. Ob beim Kunststoff, dem feineren Teppich oder der solideren Verarbeitung – der Leon fühlt sich bei jedem Griff etwas hochwertiger an.
Zum ersten Fahrvergleich standen leider nur ungleiche Testwagen zur Verfügung: der Kia als 1,7-Liter-Diesel mit 128 PS und Handschaltung für 23 690 Euro, der Leon als Topmodell FR mit 1,8-Liter-Turbobenziner, 180 PS und Direktschaltgetriebe (DSG) für 27.270 Euro. Ganz unterschiedliche Antriebe, doch der jeweils eigene Charakter der beiden ist bis in jede Pore zu spüren.
Kia cee'd Seat Leon
Dynamiker mit Golf-Genen: In Sachen Fahrfeude fährt der Seat Leon dem Kia cee'd deutlich davon.
Die Golf-Gene trimmen den Leon zu einem Sportkombi mit souveräner Federung und fein austarierter Lenkung, sein Turbomotor schiebt mit der Gelassenheit eines bärigen Drehmoments von unten heraus. Auch das ausgereifte Getriebe bietet einen Schaltkomfort, den der cee'd nicht draufhat. Dessen Diesel ist ein ehrlicher, laufruhiger Alltagsmotor, aber ein Dynamiker wird der Koreaner kaum. Die leicht holperige Federung und eine träger ansprechende Lenkung ersticken eher die Fahrfreude, als sie zu fördern. Mehr Vergnügen bereitet seine umfangreiche Ausstattung mit Tempomat, Rückfahrkamera oder Regensensor. Aufmerksam: Die Frontscheibe lässt sich unten separat heizen, damit im Winter nicht der Wischer anfriert.
Das kann der Seat nicht bieten, obwohl er den großen Techniksegen von VW abbekommt – von der elektronischen Differenzialsperre bis zum Abstandsradar. Es gibt (fast) alles, das meiste kostet Aufpreis. Die Dachreling ist immer serienmäßig, eine geteilte Rückbank jedoch erst ab der Version "Reference". Passt irgendwie zum neuen Alfa im VW-Schaufenster.

Fazit

von

Joachim Staat
Seats erster Kompakt-Kombi passt auf Anhieb: geräumig genug für den Alltag, in Optik und Preis eine Alternative zum Klassenmaßstab Golf Variant. Ein echter Lastesel wie der Kia cee'd SW schluckt zwar mehr, hält aber in Dynamik und Technik nicht ganz mit.

Von

Joachim Staat