Man muss kein Wirtschaftsweiser sein, um die Schlagzeile "Seat geht's nicht gut" abzunicken. Rund eine Milliarde Euro haben die Spanier 2012 verbrannt, die Produktion in einem Teil der Werke läuft auf Sparflamme, um die Kosten zu senken. Wirtschaftskrise, Qualitätsprobleme, verfehlte Modellpolitik – die Liste der Seat-Probleme ist so lang, wie sie alt ist. Und doch ist die Laune im Team um den neuen Seat-Chef Jürgen Stackmann so gut wie schon lange nicht mehr. Weil die Marke ihren Platz im Konzern gefunden zu haben scheint. Und weil mit dem Seat Leon endlich ein Auto auf die Räder gestellt wurde, dass sich nicht verstecken muss. Nicht vor den Konzernbrüdern. Und schon gar nicht vor der Konkurrenz. Fast um 30 Prozent ist Seat vor allem dank des Leon im ersten Halbjahr 2013 gewachsen, während der Rest des Marktes im Vergleich zum Vorjahr über acht Prozent nachgab.

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Seat Leon ST Cockpit
Ergonomischer Innenraum mit bekannter VW-Logik. Hier findet sich jeder schnell zurecht.
Also weiter mit Schwung. Fünf- und Dreitürer sind schon am Start, jetzt kommt der Kombi. Der heißt nach neuer Seat-Nomenklatur ST und wird von den Händlern dringend erwartet. Vor allem Deutschland ist nach wie vor Kombiland (500.000 Fahrzeuge im Segment), und wer als Seat-Fan bislang ein bisschen mehr Platzbedarf hatte, musste entweder den umgeschminkten Alt-Audi-A4-Avant namens Exeo ordern, oder mit dem Alhambra gleich ins Familienvan-Segment umsteigen. Der Exeo ist seit gut zwei Monaten Geschichte. Keine schlechte Idee also, so ein Leon mit mehr Kofferraum. Das findet auch Seat-Chef Jürgen Stackmann und bezeichnet den Leon ST deshalb auch gleich als "schönsten Kombi seiner Klasse". Das mag abschließend beurteilen wer will. Technisch gibt es aber wenig zu mäkeln. Den Unterbau stellt der vielzitierte modulare Querbaukasten, aus dem sich auch Skoda bedient. 27 Zentimeter länger als der Fünftürer ist so ein Leon-Kombi, wobei das Längenwachstum voll auf das Kofferraumvolumen einzahlt. Im Cockpit und im Fond bleibt alles wie gehabt. Heißt: Vorne sitzt man bis über 1,90 Meter ziemlich gut, hinten wird es zumindest auf dem mittleren Platz schnell knapp. Die Bedienung folgt der bekannten VW-Logik, gegen Aufpreis gibt es ein Touchscreen-Navi, das etwas kleiner ausfällt als beim Plattform-Bruder Golf VII. Wie bei Skoda und VW gibt es kein zentrales Bedienelement à la MMI oder iDrive.
Seat Leon ST Kofferraum
Mit 587 bis 1470 Litern Kofferraumvolumen verliert der Seat Leon ST in der Kompaktklasse nur gegen seine Konzernbrüder Octavia Combi und Golf Variant.
Darauf soll's bei einem Familienauto aber auch gar nicht ankommen. Was zählt, ist der Kofferraum und der fällt mit einem Volumen zwischen 587 und 1470 Litern eine halbe Nummer kleiner als bei Octavia Combi (610 bis 1740 Liter) und Golf Variant (605 bis 1620 Liter) aus. Der Preis der Schönheit und der flachen Heckscheibe, wenn man so will. Im Alltag werden die fehlenden Liter aber wohl kaum auffallen, zumal die Konkurrenz außer Haus fast ausnahmslos kleinere Kofferräume zu bieten hat und weil das ST-Gepäckfach sehr gut nutzbar ist. Der doppelte Boden (und damit die ebene Ladefläche) ist serienmäßig, die im Keller verstaubare Gepäckraumabdeckung auch. Was fehlt? Eine vom Kofferraum auslösbare Umklappautomatik für die Rücksitze, wie sie bei vielen asiatischen Konkurrenten Standard ist. Die gibt es im Leon ST nur gegen Aufpreis. Genauso wie die umklappbare Rücksitzlehne. Wird die geordert, darf Stückgut mit einer maximalen Länge von 2,6 Metern mit auf Tour.
Als Antrieb dienen die bekannten Turbo-Benziner (86 bis 180 PS) und Diesel (90 bis 184 PS). Interessant ist die "Ecomotive"-Version, (110 PS, 1.4 TDI) die mit nur 3,3 Litern auf 100 Kilometer einen attraktiven Kilometerfresser für knapp kalkulierende Langstreckenfahrer abgeben dürfte. Ganz neu ist der 4Motion-Allradantrieb, der mit einigen Motoren des Leon ST kombiniert werden kann. Mit welchen? Darüber schweigt man in Matorell derzeit noch. Gegen Aufpreis ist alles erhältlich, was das VW-Hightech-Regal zu bieten hat. Darunter auch Voll-LED-Scheinwerfer und eine adaptive Fahrwerks- sowie Geschwindigkeitesregelung. Zu den Preisen sagt Seat ebenfalls noch nichts, der Enstieg in die ST-Welt dürfte aber bei etwa 16.000 Euro liegen. Los geht's im November 2013, zum Markstart werden alle Motoren verfübar sein, verspricht Seat. 2014 kommen dann auch die Modelle mit Allradantrieb.

Von

Jochen Knecht