Als gute Tochter hat Skoda es bislang vermieden, der Konzernmutter VW auf die Füße zu treten. Ob Fabia, Yeti oder Superb – die Modelle der Tschechen gingen nie in direkte Konkurrenz zu ihren Technikspendern aus Wolfsburg. Doch nun erscheint ein Kompakter, der auf direkten Konfrontationskurs geht. Und das ausgerechnet zum Bestseller: Dem Golf kommt aus Mladá Boleslav der neue Rapid Spaceback entgegen – während bei VW die Alarmsignale schrillen, dürfen Käufer sich die Hände reiben. Wie viel VW steckt im rollenden Sparschwein von Skoda?

Überblick: Alle News und Tests zum Skoda Rapid Spaceback

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Video: Neuer Rapid gegen Golf

Skoda kommt dem Golf entgegen

Optisch eine ganze Menge, vergleicht man nur die Silhouetten. Der Spaceback streckt sich sogar ein paar Millimeter länger und höher als der Golf, wobei sein Design jeden Anflug von Piefigkeit geschickt vermeidet. Klare Formen, markante Schnitte – das Schrägheck gefällt jenen, die was anderes wollen als Golf und trotzdem dessen modische Mindesthaltbarkeit schätzen: Der Spaceback wirkt gefällig, nicht beliebig. Praktisch veranlagte Besitzer freuen sich über den Kofferraum (415 Liter) im Limousinen-Format und eine Rückbank mit Taxi-Qualität. Herrlich bequem, diese große Tür hinten, und die lieben Kleinen kommen mit ihren Strampelbeinchen noch nicht mal an die Vordersitzlehne – Spaceback heißt der Neuling zu Recht: Den meisten Platz hat er hinten. Der Einstieg vorn zeigt, wo der Rapid kneift: Er ist sechs Zentimeter schmaler als der Golf und fühlt sich dort eher nach Kleinwagen an. Man atmet automatisch flacher aus. Zwar hat Skoda die Einrichtung zum Modellstart noch mal aufgehübscht, doch die Finger ertasten hartes Plastik und einen Bodenteppich, dessen Kunstfasern vermutlich sogar Staub abstoßen. Umsteiger werden sich trotzdem heimisch fühlen, sie treffen viele alte Bekannte aus dem VW-Programm, vom Lichtschalter links bis zum pixeligen Display zwischen den Instrumenten.

Überblick: Alle News und Tests zum VW Golf

VW Golf
Maßstab bei den Kompakten: Der Golf ist hochwertiger als der Skoda und deutlich besser verarbeitet.
Der Golf kann das alles eine Generation moderner. Die Verarbeitung stimmt bis in die hinteren Winkel, der zusätzliche Knieairbag ist serienmäßig, und was ihm an Kofferraum fehlt, macht die vollständig geteilte Rückbank wieder wett: Im VW klappt auch die Sitzfläche geteilt hoch. Der Tochter spendierte VW dafür eine andere eine schöne Mitgift – den laufruhigen 1.2 TSI, der im Spaceback noch flotter wirkt, weil seine 105 PS immerhin 79 Kilo weniger schleppen müssen. Deshalb zieht er dem gleich motorisierten Golf an der Ampel ein paar Meter weg und klingt eine halbe Oktave kerniger. Dieser lebendige Turbozwerg unter der Haube kitzelt doch tatsächlich den Gasfuß, verbraucht aber im Skoda immer etwas mehr als im Golf. Das liegt am einfacheren Zweiventilkopf des Spaceback und am Start-Stopp-System, das nur im VW vor der Ampel den Saft abdreht. Im Alltagstrott gefällt der Spaceback, der zum Vergleich auf 16-Zoll-Rädern antritt, mit einem schönen Kompromiss aus straffer VW-Art und genug Verwöhn-Potenzial. Das bekommen die Koreaner, die wichtigste Konkurrenz, nicht so fahraktiv hin. Dass der Skoda mit einem aufmerksamen ESP bei jedem Notmanöver narrensicher bleibt und selbst mit warmen Bremsen schon nach 37 Metern steht, versteht sich von selbst.
Meckern? Na ja, lange Fahrer möchten die Lenksäule weiter herausziehen, um die Beine besser ausstrecken zu können. Wo der Klassenunterschied zum Golf steckt, zeigen wahlweise flotte Fahrweise oder volle Beladung. Dann neigt sich der Skoda in Kurven stärker zur Seite und entlastet dadurch die Vorderachse, sodass die Räder haltsuchend über den Asphalt scharren. Auf Schlaglochpisten stößt das Fahrwerk früher an seine Grenzen, weil die Federung nicht so aufmerksam und schnell reagiert wie im Golf. Man fühlt förmlich, dass der Skoda vorn auf einer schmaleren Spur steht – die Vorderachse stammt vom Polo. Ein Klassenunterschied.
Skoda Rapid Spaceback VW Golf
In Sachen Fahrkomfort liegt Wolfsburg vorne: Der Golf fühlt sich schon sehr nach Mittelklasse an.
Der Golf streckt die Vorderbeine 86 Millimeter weiter auseinander, schluckt Löcher gelassener und federt lange Wellen souveräner weg. Kein Wunder bei dem längeren Radstand und der moderneren Konstruktion des VW, der zu diesem Vergleich erstmals als Kassengestell vorfährt: mit der einfachen Verbundlenkerachse aller Gölfe bis 122 PS und vor allem ohne die Adaptiv-Dämpfung DCC. Siehe da, eine überzeugende Vorstellung! Wie ruhig der Kompakte selbst schlimmste Straßen nimmt, das hat schon fast Mittelklasse. Haben wir's doch geahnt. Unser Tipp: DCC weglassen und 1000 Euro sparen. Beim Flöhen der Preislisten wird schnell klar, dass die VW-Strategen peinlichst darauf geachtet haben, dem Golf nicht zu schaden. So muss der Skoda auf Energierückgewinnung ebenso verzichten wie auf die Armee elektronischer Assistenten (Auffahr-, Totwinkel-, Einparken-), die der Golf zumindest gegen Aufpreis bereithält. Verzichtbar? Okay, aber eine moderne Automatik oder Verkehrsinfo in Echtzeit hätte man gern – beides gibt’s nur im VW.
Weitere Details zu den beiden Konzern-Konkurrenten gibt es in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen technischen Daten und Tabellen gibt es als Download im Online-Heftarchiv.

Fazit

von

Joachim Staat
Wir dachten, es gäbe schon alles in der Kompaktklasse. Skoda tritt den Gegenbeweis an und bringt eine reizvolle Alternative: den Kleinwagen in Stretch-Version, adrett verpackt und mit moderner Antriebstechnik. Ein Polo oder Fabia als Spender hat schließlich genug Fahrqualität, um eine Klasse höher gegen die Koreaner zu bestehen. Gegen den Golf reicht es nicht für den Spaceback. Der Klassenmeister gewinnt jedes Testkapitel und liegt beim Thema Geld unterm Strich nicht mehr weit weg. Die Preise bei Skoda sind zweifellos selbstbewusst kalkuliert.

Von

Joachim Staat