Nur keine voreiligen Schlüsse: Sie sollten den neuen Jaguar erst mal sehen, leibhaftig, draußen, im wirklichen Leben. Dort wirkt er – flach, schlank, schnörkellos und hochelegant. Seine Schokoladenseiten sind das Profil und dieses coupéhafte Heck. Vorn lässt der Wow-Faktor dann etwas nach: Die glupschäugigen Scheinwerfer, na ja, und den neuen Glitzergrill könnte er etwas aufrechter tragen. Dennoch: Auch wenn die Traditionalisten wegen der Abkehr vom klassischen Design in die Kissen weinen, der Schritt in die Moderne ist gelungen. Und neben dem XF nimmt sich der 5er aus wie ein Posaunenengel auf Rädern, dicklich und ziemlich aufgeblasen. Dabei ist er das kompaktere Auto. Wir vergleichen den Jaguar XF 4.2 mit dem BMW 550i, beide mit acht Zylindern.

Das Design des neuen XF räumt auf mit dem Retro-Look

Jaguar XF V8
Ganz neuer Look: Das neue Blechkleid des XF macht Schluss mit dem Retro-Look des Vorgängers.
Unfair? Sicher, der BMW hat 69 PS mehr unter der Haube. Aber er liegt mit 63.500 Euro für die Basisversion nur knapp über dem XF (62180 Euro). In dieser Liga sind 1320 Euro nicht mehr als eine Übernachtung im Sieben-Sterne-Hotel Burj al Arab, Dubai. Eine echte Kampfansage aus England, zumal der Jaguar serienmäßig mit Luxus wie 18-Zoll-Rädern, Park-Pieper und Automatik ausgestattet ist. Aber wird er auch dem sportlichen Maßstab aus München gerecht? Einsteigen und Luft holen. Denn innen setzt sich fort, was bereits außen nicht zu verkennen ist: ein neues Jaguar-Feeling. Statt wie in einem Londoner Klub sieht es nun aus wie in einer New Yorker Szene-Bar – cooler Chic statt Altherren-Romantik. Alu-Look ergänzt sich harmonisch mit poliertem Holz und Leder. Klares, frisches Design, wohin der Blick auch schweift. Dazu ein paar Gags aus der Trickkiste: Beim Start hebt sich ein Drehknopf für die Getriebepositionen aus der Versenkung, und die zuvor blinden Belüftungsdüsen drehen sich in Aktion.

Im Detail herrscht im Innenraum des Jaguar Sparzwang

Jaguar XF V8
Im Detail sparsam: Lichtschalter oder Blinkerhebel gehorchen dem Sparzwang.
Aber: Auch der XF-Neuling findet sich sofort zurecht. Nur der Bildschirm mit Tippfunktion ist bei Sonneneinstrahlung schwer ablesbar. Andererseits wird klar, dass Jaguar unter der Ford-Regie finanziell an der kurzen Leine gehalten wird. Details wieder Lichtschalter im Blinkerhebel oder die dürftig ausgepolsterten Sitze sparen Geld. Und auf schlechten Straßen leistet sich der noch aus der Nullserie stammende Testwagen Knistergeräusche. Da wirkt der BMW insgesamt schon deutlich hochwertiger, von den perfekt modellierten Sitzen ganz zu schweigen. Mehr Platz bietet er auch, denn das flache Dach des Jaguar kostet hinten Kopfraum. Man kann halt nicht alles haben. Immerhin mangelt es dem XF nicht an Kofferraum: 540 Liter statt 520 im BMW. Im Übrigen können die Raum-Defizite einen Jaguar-Fan nicht erschüttern. Das ist er gewohnt. Schwerwiegender dagegen die Frage: Ist die neue Katze noch geschmeidig? Antwort: teils, teils.
Spontan kommt einem der XF nämlich etwas ruppig vor: Bei langsamer Fahrt in der Stadt stelzt er auf den optionalen 19-Zoll-Rädern eher hölzern über den Asphalt, und auch die kleinen Querwellen auf der Autobahn dringen durch. Gib ihm die Sporen, und sein Fahrwerk brilliert mit Talenten, die auch dem blasiertesten Piloten ein Lächeln ins Gesicht zaubern. So unbeschwert, wie er selbst über Straßen unterster Ordnung tanzt, wie er Kurven quasi aus dem Handgelenk nimmt und wie schön er sich dabei mit dem Gas ausbalancieren lässt, das macht ihm so leicht keiner nach. Auch der BMW nicht, der härter federt, beim Lenken mehr Nachdruck verlangt und dem bei schneller Fahrt auf unebener Strecke früher die Traktion ausgeht. Dafür läuft er auf der Autobahn besser geradeaus, während der XF bei hohem Tempo und ganz speziell bei Seitenwind mehr Konzentration erfordert.

Bei Fahrleistungen und Verbrauchswerten ist der BMW überlegen

BMW 550i
Überlegen: Wegen des deutlichen PS-Vorteils ist der BMW der Sprintsieger des Vergleichs.
Die Kultur ist dem Jaguar also nicht abhanden gekommen, da passt dann auch der 298-PS-V8, der aus anderen Modellen bekannte Säusler, gut ins Bild. Er röhrt sogar ein bisschen – ganz dezent, versteht sich. Dazu die großartige Sechsstufenautomatik von ZF, und die Welt wäre für den Jaguar-Fahrer in Ordnung. Nur: Das Bessere ist halt wieder einmal des Guten Feind. Und noch eindrucksvoller setzt sich ganz klar der 367 PS starke V8 des BMW in Szene. Kein Wunder, bei dem PS-Vorsprung. Dazu verbraucht er auch noch weniger Sprit. Ein durch und durch deutscher Techniker eben. Doch was nützt das alles? Der Charme des Briten drückt sich nicht in Punkten aus – dieser Jaguar berührt statt dessen endlich wieder das Herz.

Das Fazit von AUTO BILD-Redakteur Wolfgang König

Jaguar XF sportlicher als der 5er von BMW? Im Handling schon. Oder sagen wir lieber: vergnüglicher, denn das trifft den Kern des Jaguar besser. Ein Auto, das beim Fahren Lust auf mehr macht. Und dessen Form aus der Masse hervorsticht. Dafür vergeben wir zwar keine Punkte, aber unsere ganze Sympathie ist dem XF sicher. Dank seiner stärkeren Gesamtleistung erarbeitet sich der BMW den Sieg.

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Wolfgang König