AUTO BILD urteilt noch selbst. Und übernimmt keine Pressetexte. Doch es gibt Ausnahmen. Platz da für den Kernsatz des Infoblattes zum Ford F-650: "Hier ist man der unumstrittene King of the Road, blickt mitfühlend auf die Fahrer von so kleinen SUV wie BMW X5 und Mercedes GL-Klasse herab und zieht die Blicke der übrigen Verkehrsteilnehmer unwiderstehlich auf sich." Ist das wirklich so? Eine alte Dame nimmt mit einem Hackenporsche am Verkehr teil, im Münchener Stadtteil Nymphenburg begegnet sie an einer Tankstelle dem Monster-Ford. Das große Auto macht ihr Angst. "Ein Irrsinn, wer braucht das? Für solche Angeberautos können wir nicht das Öl unserer Erde aufbrauchen."

Die Disziplin des Ford F-650: sehen und gesehen werden

Ford F-650
Im Univiertel Münchens staunen und wundern sich die Studierenden.
Bild: Wolfgang Groeger-Meier
Der letzte Teil der Presseinfo scheint zu stimmen. Der Ford F-650 ist ein Blickfang. Auch woanders in München. Vor der Uni dreht sich Studentin Tanja Gerlach zwar nach dem 325 PS starken Laster um, aber nicht gleich durch. "Man vermutet da eher irgendeinen Macker am Lenkrad", sagt die hübsche Blonde. Kommilitone Philipp David findet den Brummer mit 6,7 Liter Hubraum zwar "untauglich, um zur Arbeit zu kommen, zum Spaßhaben aber super". Es läuft, der Ford F-650 ist ein Gefährt, wie gemacht für zeigefreudige Großstadtcowboys. Aber was taugt der Fünfsitzer im Alltag?

Ein echter Truck: 6,7-Liter-V8-Diesel, Luftdruckbremse, Zwillingsbereifung

Dank Sechsstufen-Tastenautomatik, Luftdruckbremse und guter Servolenkung lässt sich das Monstrum zwar erstaunlich leicht durch enge Gassen bugsieren. Und der Fahrer thront auf einem stattlichen Hochsitz, der so manchen Jäger vor Neid erblassen ließe. 1000 Newtonmeter Drehmoment machen viel Druck, Lärm – und viele neue Freunde. Lkw-Fahrer warten, winken den fetten Ford solidarisch lächelnd durch. Dabei muss der Steuermann gar keiner von ihnen sein. Denn fahren darf den knapp 125 km/h langsamen Diesel jeder, der einen alten Führerschein Klasse drei hat. Doch zwei oder drei Stunden auf Münchens Asphalt machen müde. Denn der ständige Blick in die ausladenden Seitenspiegel ist Pflicht – und auf Dauer ganz schön anstrengend. Muss aber sein, um die 22,5 Zoll großen Zwillingsreifen in der Spur zu halten.
Und wie ist es mit dem anderen Teil der Presseinfo? Werden gewöhnliche SUV wirklich zu Winzlingen? Ab in die Maximilianstraße. Aufgrund diverser Luxusboutiquen ist die Millionärsmeile eindeutig SUV-Land. Und tatsächlich: M-Klasse, X5, Touareg – alles Spielzeug, aus dem Ford lässt sich vorzüglich durch deren getönte Sonnendächer luschern. Doch wer den Größten hat, passt oft nicht in enge Lücken. Beim Querparken ragt das Heck über den kompletten Bürgersteig. Das würde ein Ticket einbringen – wenn die Politesse es denn schafft, das Verwarnpapier hinter den 1,80 Meter hohen Scheibenwischer zu klemmen. Also Landflucht.

Kein Auto für Landwirte, aber ein ideales Show-Fahrzeug

Ford F-650
Für den Landwirt mag der Traktor praktischer sein, den beeindruckenderen Auftritt erzielt man mit dem F-650.
Bild: Wolfgang Groeger-Meier
Bauer Josef Gruber rollt gerade im Trecker vom Feld. Wäre der Ford was für seine Farm? Nein. "Zu kleine Ladefläche und nur Hinterradantrieb – nix für mich." Doch wer kauft so ein Monstrum, das angeblich nur 14 Liter Diesel pro hundert Kilometer schluckt? Importeur Karl Geiger hat bereits zwei Exemplare unter das Volk gebracht, unter anderem an einen Bauunternehmer. Die Kritik an seinem 109.000 Euro teuren Riesenspielzeug ärgert ihn. Er ignoriert sein vibrierendes Handy. "Wir würden noch viel mehr verkaufen, wenn es nicht so viel Neid in Deutschland gäbe." Und Platz wie in den USA. Geigers Freund, Schauspieler Wolfgang Fierek, lebt dort. Sein Urteil: "Der Ford F-650 würde da gar nicht so auffallen."

Fazit von AUTO BILD-Reporter Claudius Maintz

Leiden Sie unter zu wenig Aufmerksamkeit? Dann ist der Ford F-650 genau richtig. Denn in der City dreht sich jeder nach dem 5,2-Tonnen-Koloss um – Freunde wie Gegner. Der Ford polarisiert. Weil er einerseits ein mutiges Statement gegen CO2-Hysteriker, andererseits aber auch vollkommen sinnfrei ist.

Von

Claudius Maintz