Fünf sportliche VW erhitzen die Gemüter am Stammtisch. Gibt es einen legitimen Nachfolger für den Ur-GTI von 1976? AUTO BILD hat die Antwort auf dem Lausitzring gefunden.
Auf der Rennstrecke fällt die Entscheidung
G-T-I – diese drei Buchstaben haben unter Autofans einen derart faszinierenden Klang, dass sie in Stammtischrunden sofort erregte Diskussionen auslösen. Welcher war der Beste von allen? Der Ur-GTI von 1976? Der GTI 16V von 1986? Oder etwa der GTI G60, Baujahr 1990? Kein Zweifel: Mit GTI-Geschichte(n) ließen sich ohne Probleme ganze Bibliotheken füllen. Der Kompaktsportler bewegte und bewegt die Gemüter. Auch noch – und besonders – im Jahr 31 nach Erscheinen des ersten Sport-Golf. Nie war der Gesprächsbedarf größer. Denn erstmalig in der GTI-Historie bietet VW gleich vier Modelle mit den drei legendären Buchstaben an: Polo GTI, Golf GTI, Polo GTI Cup Edition und Golf GTI Edition 30. Und darüber den Super-Golf R32.
Wer, bitte schön, soll da noch durchsteigen? Der Stammtisch tobt: Welcher ist der Schnellste, Schönste, Alltagstauglichste? Welcher der wahre GTI? Die Spontanumfrage in der Redaktion bringt nur ein diffuses Resultat: Unter zehn Befragten kürten jeweils drei den Golf GTI Edition 30 und den Golf R32 sowie zwei den Polo GTI Cup Edition zum Favoriten. Nur je eine Stimme gab's für die Normalversionen von Polo und Golf GTI. Zu Unrecht? Das unklare Ergebnis verlangt Neuwahlen. Und zwar auf der Rennstrecke. Der EuroSpeedway in der Lausitz bietet beste Bedingungen, um den ehrlichsten GTI unter den GTI zu finden: 14 Kurven und zwei Geraden auf viereinhalb Kilometer Länge fordern Motoren, Fahrwerke und Bremsen. Wer auf dem selektiven Wettbewerbskurs gut aussehen will, muss ein sportlich ausgewogenes Paket an den Start bringen.
Kandidat eins erscheint in puristischem Weiß. Der Polo GTI kommt mit einem Preis ab 19.620 Euro der Idee von einem günstigen Volkssportwagen am nächsten. Sein erdiger Fahreindruck erinnert an den Ur-GTI von 1976 – laut, direkt, kraftvoll. Auf dem EuroSpeedway bleibt der 150-PS-Polo gutmütig, schiebt untersteuernd über die Vorderachse und ist auch für weniger geübte Fahrer gut beherrschbar. Doch der Funke, der aus praktischer Kleinwagen-Kost glühende GTI-Leidenschaft lodern lässt, will leider nicht so ganz überspringen. Darum hat VW nachgelegt. Der Polo GTI Cup Edition hat mehr Ladedruck und ein angepasstes Kennfeld – schon steigt die Leistung des 1,8-Liter-Vierzylinders um 30 PS. Motortuning bei Turbomotoren ist kein Zauberwerk.
Gleich nach dem Start wird klar, dass hier ein außergewöhnlicher Polo GTI auf die erste Kurve zuschießt. Die größere Motorkraft ist sofort spürbar, und auch beim Bremsen gewinnt der Cup-Polo das Duell gegen den Normal-GTI sehr deutlich. Größere Scheiben vorn und 17-Zoll-Bereifung erlauben einen späteren Bremspunkt sowie fadingfreie Verzögerung. Die Folgen von mehr PS und kräftigerer Bremse sind dramatisch: Pro Runde ist der Cup Edition fast sechs Sekunden schneller. Das sind Welten. Aufpreis für die Fahrfreude: rund 3500 Euro. Zumindest für Formel-1-Teamchefs eine lächerliche Summe, müssten sie doch für eine derart gravierende Verschnellerung ihrer Autos zig Millionen springen lassen. Beide Polo sind mit circa 1250 Kilo relativ leicht (der Ur-GTI wog nur rund 850 Kilo), was auf der Rennstrecke deutlich spürbar wird. Leider hakt bei beiden die Schaltung, sobald blitzartige Gangwechsel gefragt sind. Außerdem ist die Lenkung zu leichtgängig und vermittelt wenig Gefühl für die Straße.
Dafür sorgt beim Editions-Polo allerlei Spoilerwerk für eine noch grimmigere GTI-Optik. Wenn das Cup-Modell neben dem Golf GTI auftaucht, bekommt selbst der größere Bruder einen harmlosen Ausdruck. Auch er erscheint in unschuldigem Weiß zum Prüfungstermin. Die Farbe steht ihm gut, weil sie die auffällige GTI-Front mit dem großen, schwarzen Plastikgrill noch kontrastreicher hervorhebt. Der Zweiliter-Direkteinspritzer tritt bullig an. Kaum zu glauben, dass unter der Motorhaube ein aufgeladener 200-PS-Vierzylinder Dampf macht, denn vom Turboloch und dem sonst bei starken Fronttrieblern verbreiteten Lenkradzerren keine Spur. Auch das Fahrwerk gehört zu den Sahnestücken des Golf GTI. Es nervt nicht mit unnötiger Härte, sondern glänzt selbst auf schlechten Straßen mit anständigem Abrollkomfort. Sogar die ruppigen Curbs auf dem Euro-Speedway schluckt die Federung überraschend gut.
Der wahre GTI ist und bleibt der Golf GTI
Weiterer Vorteil dieser Auslegung: Beim Einlenken in Kurven hilft ein leichter Lastwechsel dem Golf um die Ecken. Das ESP muss kaum eingreifen und falls doch, ist die Regelung kaum spürbar. Die Lenkung gehört ebenfalls zu den Schokoladenseiten des Golf GTI. Sie arbeitet so präzise und gefühlvoll, wie man es sonst nur von Hecktrieblern kennt. Probleme auf der Rennstrecke offenbart der Kompaktsportler nur beim Herausbeschleunigen aus engen Kurven. Hier bekommt er seine Kraft nicht richtig auf den Boden. Das kurveninnere Rad dreht durch, weißer Qualm steigt auf, und der Golf macht Geräusche wie ein liebestoller Kater in einer lauen Sommernacht.
Noch schlimmer ist das Gejaule im GTI Edition 30. Für jedes GTI-Produktionsjahr seit 1976 hat VW dem Geburtstags-Golf ein zusätzliches PS spendiert, sodass der Zweiliter jetzt 230 PS an die Vorderachse schickt. Entsprechend ausgeprägt ist sein Traktionsproblem, wenn der Fahrer im Kurvenscheitelpunkt zu früh aufs Gas steigt. Ganz klar: Ihm fehlt eine Differenzialsperre. Die gibt es aber leider nicht. Auch nicht gegen Aufpreis. Deshalb hilft nur ein sauberer Fahrstil: Anbremsen, einlenken und das Gas im Kurvenverlauf so fein dosieren, dass weder Vortrieb noch Seitenführung abreißen. Wer das ohne Lenkkorrekturen hinbekommt, ist mit dem Editions-GTI sauschnell unterwegs; seinem braven GTI-Bruder nimmt er auf dem EuroSpeedway immerhin mehr als eine Sekunde ab. Der Aufpreis von 3500 Euro ist wie beim Cup-Polo also gut angelegtes Geld, wenn Sportlichkeit oberstes Kaufgebot ist.
Man kann's allerdings auch so sehen: mehr Geld, weniger Komfort. Denn auf schlechten Straßen nerven die 18-Zoll-Räder mit einer harten Gangart, die an der Zumutbarkeitsgrenze liegt. Außer modifizierten Rädern und Motortuning gibt's GTI-Schminke in Form von Edition-30-Emblemen, jeder Menge roten Ziernähten und einem Golfball-Schaltknauf. Sein Glanzstück aber ist der bullige Turbomotor, der nach den Kurven noch kräftiger hochdreht als der Sechszylinder des R32. Respekt: Am Ende der Start-Ziel-Geraden ist er sogar fünf km/h schneller als der 3,2-Liter-Sauger, der satte 250 PS entfesselt.
Auf den meisten Streckenabschnitten kann das Leistungsplus die 200 Kilo Mehrgewicht des Golf R32 aber nicht wettmachen. Nur für enge Wechselkurven zeigt er das größere Talent. Dort, wo die beiden GTI mit Traktionsproblemen kämpfen, ist der R32 mit seinem Allradantrieb einen Tick schneller. Schon im Scheitelpunkt verträgt er Vollgas, ohne dass die Untersteuerseuche ausbricht. Trotz ebenfalls 18 Zoll großen Rädern ist sein Fahrkomfort höher als der des Editions-GTI. Zusammen mit der höherwertigen Ausstattung inklusive Klimaautomatik und Xenonlicht wird aus dem R32 eher ein Luxus- als ein Sport-Golf. Das zeigt auch sein Preis: Mit 33.541 Euro Grundpreis entrückt er dem Gedanken eines kostengünstigen Kompaktsportlers. Unterhaltskosten und Verbrauch liegen deutlich über denen seiner GTI-Brüder. Bei Vollgasfahrten schluckt er auf identischer Strecke rund 2,5 Liter mehr Sprit als der Golf GTI, ohne dabei ein wesentlich höheres Tempo zu erreichen.
Absolut sportlich ist sein Motorklang. Bereits bei Standgas blubbert das mittig angeordnete Doppel-Endrohr so vielversprechend wie bei einem rassigen Coupé. Bei höheren Drehzahlen gibt der V-Motor dann ein wunderschönes Sechszylinder-Konzert, das es problemlos mit Veranstaltungen aus dem Hause BMW und Porsche aufnehmen kann. Da kann keiner der vier Turbo-Vierzylinder mithalten. Kein Wunder: Ihre Turbinen wirken im Abgasstrang wie zusätzliche Schalldämpfer. Immerhin fauchen die GTI ab 4000 Touren in einer rauchig-rauen Tonalität, die besser klingt als die normalen Vernunft-Golf in der 100-PS-Klasse. Und es soll bitte schön keiner sagen, VW hätte sich nicht um sportlichen Sound bemüht. Bei allen GTI-Modellen führt im Motorraum ein dickes Resonanzrohr vom Ansaugtrakt zur Spritzwand. So soll den Insassen vermittelt werden, dass unter der Motorhaube auch akustisch der Teufel los ist. So ein "G-T-I" soll eben nicht nur am Stammtisch einen guten Klang haben.
Fazit von AUTO BILD-Redakteur Jörg Maltzan
Vier VW GTI plus Golf R32, ein Ergebnis: Der wahre GTI ist der Golf GTI. Er hält die richtige Balance aus Dynamik, Alltagsnutzen und Kosten. Die anderen sind faszinierende Sportgeräte, aber zu teuer. Den kompletten Vergleichstest mit allen Daten, Fakten und Testwerten können Sie aus unserem Heftarchiv herunterladen. Hier geht es direkt in den Download-Bereich.