Portugal, Cabo da Roca. Unten tost der Atlantik. Oben auf den Klippen säuseln sich zwei Sechszylinder warm. Hier, an Europas westlichster Spitze, treffen die beiden Erzrivalen erstmals aufeinander: BMW 5er und Mercedes E-Klasse, die Ikonen der deutschen Businessclass, Traum aller Dienstwagenfahrer, Maßstab für die Mitbewerber. Der Mercedes ist jetzt beinahe ein Jahr auf dem Markt und nimmt die Konkurrenz mit scharfem Scheinwerfer-Blick und einem Heer von Sicherheitssystemen ins Visier. Der neue 5er kommt im März 2010 – mit verfeinertem Fahrwerk, noch mehr Elektronik und beruhigter Formensprache. Wollte der alte 5er mit seinem wilden Linien-Mix noch provozieren, möchte der F10 (Werkscode) jedermanns Liebling. Nirgends eckt der BMW an; genüsslich folgt das Auge seinem 4,90 Meter langen Spannungsbogen.

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Mercedes E-Klasse
An der drei Zentimeter kürzeren E-Klasse bleibt es öfter hängen. Das hohe Heck, die konzentrierte Miene, der historisch inspirierte Hüftschwung: Vieles am Mercedes sorgt für Diskussionen. Fest steht aber auch: Gegen den bulligen Bayern wirkt der Schwabe zart, beinahe zerbrechlich. Der Schein trügt. Die Türen schließen satt und schmatzend wie beim 5er, die Verarbeitung im Cockpit wirkt im Benz noch einen Tick penibler. Der Armaturenträger strahlt die Solidität einer Burgmauer aus, vermittelt mit seiner konsequenten Kanten-Optik kühle Strenge. Zwar fühlt man sich wegen der flacheren Gürtellinie und der großen Glasflächen luftiger untergebracht als im BMW, Geborgenheit kommt aber eher im 5er auf, der seinen Fahrer mit einer tiefen Sitznische umarmt.

Auf Wunsch und gegen Aufpreis surft der neue 5er auch im Internet

BMW 5er
In beiden Autos wird die Vielfalt elektronischer Funktionen über ausgefuchste Ein-Knopf-Systeme gesteuert. Ob Comand oder iDrive: So kompliziert beide Benutzeroberflächen auf den ersten Blick erscheinen, so schnell durchschaut sind sie im Alltag. Im 5er schlüpft der Silberdrücker auf Wunsch sogar in die Rolle einer PC-Maus, denn nur BMW bietet einen Vollzugang fürs Internet an. Doch nicht allein der Preis schreckt ab – 3800 Euro für das große Navi plus 150 Euro Jahres-Flatrate sowie ab dem vierten Jahr nach Kauf 250 Euro Grundgebühr. Auch die Ladezeiten enttäuschen: Mit jedem iPhone ist man schneller "drin". Und während der Fahrt ist die Zufahrt auf den Datenhighway sowieso gesperrt.
Dann schon lieber auf die echte Autobahn. Ein Fest für 5er-Fahrer, denn mit seiner leicht nach links geneigten Mittelkonsole ist der BMW betont auf den Piloten zugeschnitten; in der E-Klasse herrscht Gleichberechtigung. Beim Bedienkomfort geht der Mercedes dennoch teilweise in Führung – mit seinem narrensicheren Automatikwählhebel zum Beispiel. Simpler als mit dem Stiel an der Lenksäule geht’s kaum: Tipp nach oben – rückwärts, Tipp nach unten – vorwärts, Knopfdruck – parken. Da macht es der schick gestylte BMW-Stick einem schon schwerer, weil es beim Hin-und-Herklicken an Feedback fehlt. Rückmeldung ist dafür die starke Seite von Fahrwerk und Lenkung. Das 5er-Steuer arbeitet wie eine perfekt geschulte Sekretärin: Alles, was der Chef wissen muss, dringt zu ihm durch. Alles, was ihn nur unnötig ablenken würde, bleibt draußen.

Bei forcierter Kurvenfahrt scheint die Münchner Limousine zu schrumpfen

BMW 5er
Die Servounterstützung liefert neuerdings ein E-Motor – aber nur dann, wenn tatsächlich gelenkt wird. Das hilft Sprit sparen. Und macht Zusatzfunktionen wie einen Parkassistenten möglich. Der kostet stolze 3200 Euro. Mal sehen, wie viele Kunden aus der fahraktiven 5er-Klientel sich das Steuer dafür wirklich aus der Hand nehmen lassen. Höheren Reiz dürfte auf Technik-Freaks die Integral-Aktivlenkung (1750 Euro) ausüben, die dank mitlenkender Hinterräder nicht nur weniger Kurbelei beim Rangieren erfordert, sondern auch die angeborene Agilität der Bayern-Limousine weiter steigert. Der 5er scheint beim Fahren um einen herum zu schrumpfen. Lustvoll sticht er in Kurven, klebt an der Ideallinie, als zöge jemand einen unsichtbaren Magneten unter der Fahrbahnoberfläche her.

Die E-Klasse bleibt dem 5er in Sachen Fahrwerk dicht auf den Fersen

Mercedes E-Klasse
Dicht auf den Fersen bleibt ihm der Mercedes, dessen leichtgängiges Steuer nicht ganz die geschliffene BMW-Präzision erreicht. Obwohl die E-Klasse schon aus Traditionsgründen besonders dem Komfort verpflichtet ist, stellt sie mit ihrer straffen Grundnote auch Fahrer zufrieden, die nicht immer nur betulich durch die Gegend gondeln wollen. Wir raten jedoch zum Verzicht auf die breit besohlten 18-Zoll-Räder. Sie verfälschen das typische Mercedes-Aroma und bringen nur unnötige Härte ins Spiel. Beim BMW geht die üppige Bereifung viel weniger auf Kosten der Geschmeidigkeit. So giftig sich der 5er in Kurven verbeißt, so gelassen steckt er Querrillen und Gullydeckel weg – auch ohne dass dazu der Comfort-Modus der verstellbaren Stoßdämpfer (1300 Euro) angeklickt werden muss. Klasse! Diesen ausgewogenen Kompromiss haben wir bei den Münchnern in den letzten Jahren manchmal vermisst.
Technische Daten BMW 535i Sechszylinder, Turbo, vorn längs • vier Ventile pro Zylinder • Hubraum 2979 cm³ • Leistung 225 kW (306 PS) bei 5800/min • max. Drehmoment 400 Nm bei 1200/min • Hinterradantrieb • Achtstufenautomatik • 0–100 km/h 6,1 s • Spitze 250 km/h • Tankinhalt 70 l • EU-Mix 8,4 l Super/100 km • CO2 195 g/km • Preis ab 52.650 Euro.
Technische Daten Mercedes E 350 CGI V6, vorn längs • vier Ventile pro Zylinder • Hubraum 3498 cm³ • Leistung 215 kW (292 PS) bei 6400/min • max. Drehmoment 365 Nm bei 3000/min • Hinterradantrieb • Siebenstufenautomatik • 0–100 km/h 6,8 s • Spitze 250 km/h • Tankinhalt 80 l • EU-Mix 8,8 l Super/100 km • CO2 205 g/km • Preis ab 51.944 Euro.
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