Wir haben unsere Rennstreckenauswahl in Richtung Osten erweitert. Genauer: auf den Sachsenring, in der Nähe von Chemnitz gelegen und Motorsportinteressierten eher als Motorradstrecke bekannt. Und als gute Adresse für ADAC-Fahrsicherheitsoder Drifttrainings. Die traditionsreiche Strecke, 1927 gegründet und anfangs 8,7 km lang, gilt wegen ihrer vielen "blinden" Ecken und der zahlreichen Steigungs- und Gefällstrecken als "kleine Nordschleife", ist sehr anspruchsvoll und heute 3,671 km lang. Etwa das berüchtigte Omega oder die tückische Sachsenkurve, eine zumachende Links, die auf eine sehr schnelle Bergabpassage folgt, verlangen sehr viel Aufmerksamkeit. Insgesamt eine sehr selektive, sehr schnelle und sehr schöne Strecke, die ihren besonderen Reiz aus vielen, oftmals großen Mut fordernden Vollgaspassagen und den schon erwähnten Gefäll- (12,8 Prozent) und Steigungspassagen (10 Prozent) bezieht.

Diese drei Lustsportler sprechen alle Sinne an

Audi RS 4 Cabrio BMW M3 Cabrio DKG Mercedes CLK 63 AMG Cabrio
Wenn viel Frischluft gefragt ist: drei offene Sportler für lustvolle Fortbewegung.
Sehr schnell und sehr schön – da sind wir auch schon bei unseren drei Testteilnehmern, die zudem mit einem weiteren, aparten Attribut aufwarten können: Sie sind bei Bedarf so luftig und zugig, dass es einem fast angst werden kann. Offen fahren mit bis zu vier Personen funktioniert im CLK 63 AMG und im M3 mit gut 250 km/h, der RS4 kommt gar an die 280-km/h-Marke heran. Vorausgesetzt natürlich, man hat nervenstarke und windfeste Fondpassagiere an Bord. Doch wird dieser Einsatzzweck die Ausnahme bleiben, denn so richtig Spaß haben Hintensitzende bei sehr hohem Tempo natürlich in keinem der drei Cabrios. Aber man kann es ja mal ausprobieren … Jede Menge Fahrspaß bereitet das Testtrio dagegen bei allen anderen Arten des Offenfahrens. Ob gemütliches Cruisen bei niedrigen Drehzahlen und dumpfem V8-Geblubber (Favorit: RS4) oder forscher Gangart mit aggressiv schreiendem Heavy-Metal-Getöse (Favorit: M3): Diese drei Lustsportler binden alle Sinne ein und machen den Weg von A nach B zum Rundumerlebnis.

Den größten Eindruck von Kraft im Überfluss hinterlässt der Mercedes

Mercedes CLK 63 AMG Cabrio
Dampfhammer in jeder Situation: Der CLK 63 AMG hat Kraft im Überfluss.
Das sich die Hersteller auch fürstlich bezahlen lassen: Mit 77.750 Euro (inkl. Doppelkupplungsgetriebe, Aufpreis: 3800 Euro) geht der M3 hier praktisch als Schnäppchen durch, denn für den Audi sind 85.050 Euro, für den CLK 63 AMG noch mal über 10.000 Euro mehr, nämlich satte 96.539 Euro, anzulegen. Dafür bekommt man schon zwei oder gar drei "vernünftige" Autos. Also setzen wir den Fahrspaß als obersten Maßstab und lassen die Vernunft konsequent außen vor. Alle drei bieten ein durchweg sehr hochwertig verarbeitetes Gesamtpaket, kombiniert mit bärenstarken V8-Saugmotoren. Größter Unterschied bei den Aggregaten: Während der M3 seine 420 PS über hohe Drehzahlen generiert (Nenndrehzahl 8300 Umdrehungen pro Minute), der Audi ebenfalls in Richtung Hochdrehzahl tendiert (seine 420 PS liegen bei 7800/min an), setzt der Benz auf Hubraum. 6,2 Liter schütteln die 481 PS bei 6800 Umdrehungen pro Minute recht leichtfüßig auf die Kurbelwelle. Und auch wenn man den beiden Kontrahenten keinen Mangel an Kraft bescheinigen kann: Den größten Eindruck von Leistung im Überfluss hinterlässt der Mercedes. Nicht zuletzt dank seines mit 630 Nm (bei 5000 Touren) üppigen Drehmoments reagiert der AMG bei jeder Drehzahl auf jeden Gasbefehl wie ein von der Tarantel gestochener Bulle.
Im RS4 geht die Post dagegen erst bei höheren Drehzahlen so richtig ab. Der M3 liegt irgendwo dazwischen: Ein etwas weniger bestialischer Antritt als der AMG, dafür mehr Kraft bei niedrigen Touren als der RS4. Und mit der derzeit wohl besten Alternative zur Handschaltung gesegnet: einem Doppelkupplungsgetriebe, hier als Drivelogic in der Preisliste zu finden und mit sieben Schaltstufen, Automatikmodus, Handschaltung per Lenkradpaddel und wählbaren Schaltzeiten für kommode bis sportlich-harte Gangwechsel gesegnet. Eine extrem feine Sache, denn das DKG arbeitet völlig ohne Zugkraftunterbrechung und so blitzschnell, dass beim Hochbeschleunigen der Eindruck eines kontinuierlichen Schubs entsteht. Akustisch immer untermalt von einem von Gang zu Gang jeweils tiefer angestimmten Achtzylinderakkord. Und natürlich mit wohldosierten Zwischengasstößen samt anerzogenen "Fehlzündungen" im Schiebebetrieb – eine richtig saftig in die Ohren gehende Geräuschkulisse, die zwar weniger rotzig als beim Sechszylinder-Vorgänger daherkommt, aber eben dieses typische V8-Feeling mit sportlicher Ausprägung bietet.

Das Audi RS4 Cabrio kann seinen Traktionsvorteil nicht umsetzen

Audi RS4 Cabrio
Trotz Allrad: Beim Sprint bleibt der RS4 hinter der Konkurrenz zurück.
Der AMG wartet mit der bekannten 7G-Tronic auf, auch sie über Schaltpaddel manuell anwählbar und mit schnellen Schaltzeiten, die aber infolge weniger direkten Ansprechverhaltens als beim DKG des M3 etwas träger wirken. Mit einem konventionellen Sechsgang-Schaltgetriebe wartet der RS4 auf. Aber, ganz ehrlich: Wenn man schon kein Doppelkupplungsgetriebe hat, schaltet man doch lieber selbst, als einer Automatik das Kommando zu überlassen. Zumal der schlichte Schaltknauf des Audi gut zur Hand liegt und die Schaltung sauber geführt ist. Und das akustische Erlebnis eines Zwischengasstoßes lässt sich ja auch mit dem Fuß hervorrufen. Den Leistungwerten auf dem Papier entsprechend, vermitteln auch die Messwerte das erwartete Bild: Mit 4,7 s auf 100 und 15,5 s auf 200 km/h setzt der AMG die Bestmarken, gefolgt vom M3 Cabrio (4,9/17,6 s) und mit etwas Abstand dem RS4 (5,5/18,8 s). Seinen Traktionsvorteil kann der Allrad-RS4 bei der 0-auf-100-km/h-Messung nicht umsetzen und verfehlt sogar die Werksangabe um 0,6 Sekunden.

Die Entscheidung fällt auf der Renstrecke

BMW M3 Cabrio DKG
Super auf dem Rundkurs: Der offene M3 ist am schnellsten und macht am meisten Spaß.
Dass der Benz bei der reinen Längsdynamik die Nase vorn hat, liegt natürlich auch am Leistungsgewicht. Mit 1883 (Audi), 1887 (BMW) und 1870 (Mercedes) Kilo- gramm Leergewicht liegt das Trio zwar annähernd gleichauf, doch hat der Benz mit 3,9 Kilo pro PS deutlich weniger relative Masse zu beschleunigen als BMW und Audi mit jeweils 4,5 Kilogramm pro PS. Dennoch war die Spannung nicht allzu groß, als es mit dem Testtrio zum Sachsenring ging. Die Langstrecken- und Cruising-Vorteile des AMG, der mit dem höchsten Fahrkomfort, also der weichsten Fahrwerksabstimmung und der indirektesten Lenkung, aufwartet, kosten auf der Rennpiste Zeit. Ob die Mehrleistung reicht, um in den schnellen Passagen Boden gutzumachen? Sachsenring-Chef Ruben Zeltner schnappt sich gleich den Benz für die ersten gezeiteten Runden. Sein Urteil: "Das Fahrwerk des AMG wirkt schon ein bisschen antiquiert. Er rutscht viel, ist unheimlich weich, dazu diese großen Lenkwinkel – kein Vergleich mit den aktuellen AMG-Fahrzeugen, etwa den Black-Series-Modellen." Beim Motor ist er indes voll des Lobes: "Dieses Drehmoment! Egal bei welcher Drehzahl du Gas gibst – schon geil, wie blitzartig die Fuhre in Bewegung kommt." In Zahlen ausgedrückt: Mit 1:45,95 Minuten legt der CLK 63 AMG die erste Zeit vor und erreicht am schnellsten Punkt der Strecke, der Bergabpassage vor der Sachsenkurve, 211,7 km/h.
Als Nächsten schicken wir den Audi RS4 auf die schnelle sächsische Berg-und-Tal-Bahn. Ruben Zeltner gibt alles, was von der Start-Ziel-Geraden aus an zahlreichen, heftig engagiert klingenden Reifenpfiffen – etwa beim Anbremsen vor der gnadenlos auf zu hohes Tempo reagierenden Sachsenkurve oder am Ende der Start-Ziel-Geraden – erkennbar ist. Zwar ist der härter abgestimmte Audi mit seinem allradbedingten Traktionsvorteil etwas leichter zu fahren, doch leidet der Ingolstädter trotz der hecklastigen Kraftverteilung unter zeitraubendem Untersteuern in den engen Passagen. Dazu kommt ein Motor, dem im unteren Drehzahlbereich ein wenig die Puste fehlt, was den Allradvorteil beim Herausbeschleunigen aus Kurven letzlich egalisiert. Und obwohl er sich subjektiv sportlicher und direkter als der AMG anfühlt, steht die Uhr erst nach 1:46,44 Minuten; das höchste Tempo liegt mit 201,8 km/h am schnellsten Punkt der Strecke kurz vor dem Eingang zur Sachsenkurve an.
Die Bestzeit setzt erwartungsgemäß der M3. Mit 1:42,63 Minuten fährt er der Konkurrenz klar davon. Ursache: "Hier passt einfach alles zusammen. Der Motor beißt bei jeder Drehzahl ordentlich, ist wunderbar gleichmäßig in der Kraftentfaltung. Der BMW geht deutlich williger ums Eck als der frontlastigere Audi und ist in diesem Testfeld das präziseste Sportgerät mit dem agilsten Fahrwerk", urteilt Ruben Zeltner nach seinen schnellen Runden über die "kleine Nordschleife". "Und den größten Spaß bringt er auch." 
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