Nach "Wir sind ein Volk" und "Wir sind Papst" gilt derzeit "Wir sind Opel". Gefühlt zumindest. Aber deshalb gleich Opel gegen Mercedes? Gegenfrage: Warum eigentlich nicht? Wäre – historisch gesehen – übrigens nicht das erste Mal. Sicher, das liegt schon ein bisschen zurück. Aber wir sagen nur Diplomat. Oder Commodore. Oder Senator. Als Opel seinerzeit mit diesen Leckerli den Besserverdienenden den Mund wässerig machte, schliefen die Herren in Untertürkheim nicht mehr ganz so gut. Also warum nicht Insignia statt C-Klasse? Das Auto gehört zu den bestgekleideten Kandidaten der Mittelklasse. Es besitzt die Qualität eines Premium-Produkts. Es fehlt ihm weder an Ausstattung noch an der modernen Technik. Und weil es ein Opel ist, kostet es zudem deutlich weniger – das kann in diesen Zeiten ja keine Sünde sein.

Bei der Verarbeitung liegt der Insignia mit der C-Klasse auf Augenhöhe

Der Listenpreis von 29.905 Euro berechtigt im Insignia-Programm zu einem Viertürer in der Edition-Variante. Mit 1,6-Liter-Turbo-Benziner, der beachtliche 180 PS locker macht. Da muss bei Mercedes schon ein C 200 Kompressor herhalten (1,8 l/183 PS), der mindestens 33.826 Euro kostet, in der getesteten Avantgarde-Version sogar 35.825 Euro. Und das, ohne in Sachen Serienausstattung dem Opel das Wasser reichen zu können. Und wo wird bei Opel gespart? Was die sichtbare Qualität betrifft, lautet die Antwort: nirgends. Wir sind mit Argusaugen durch die Autos gekrochen, und unterm Strich verdiente der Test-Insignia in Sachen Verarbeitung danach keinen Punkt weniger als die C-Klasse. Gleiches gilt für die praktischen Merkmale der Karosserie: Gemessen ist der Opel sogar eine Idee geräumiger als der Mercedes, nur gefühlsmäßig wirkt er hinten etwas enger. Das liegt an der coupéartigen Linie, die sich auch beim Einsteigen störender bemerkbar macht als das aufrecht gestylte Mercedes-Haupt. Wer schön sein will, muss halt auch ein bisschen leiden können.

Dank seiner Ausgleichswellen ist der Mercedes-Motor angenehm leise

Mercedes C-Klasse
Ansonsten sind die Wohlfühlqualitäten eines Insignia nicht viel geringer als die der C-Klasse. Und das will was heißen. Seine sogenannte Primärfederung, sprich das Schluckvermögen beim Überfahren großer Unebenheiten, erreicht zwar nicht das hohe Mercedes-Niveau. Das vermag auch nicht das im Testwagen eingebaute "FlexRide"-Fahrwerk mit adaptiver Stoßdämpfung (930 Euro) zu verhindern. Aber komfortabel fährt es sich im Opel trotzdem. Gleiches gilt für die Sitze: Nicht ganz so behaglich wie die Mercedes-Möbel, aber kommod genug, um lange Strecken ohne Beschwerden überstehen zu können. Dass Insignia-Passagiere dennoch nicht immer so frisch ankommen wie die C-Klasse-Besatzung, hat andere Gründe. Akustische. Denn kaum erklimmt der Drehzahlmesser die 4000er-Marke, wird der Opel zur Dröhn-Dose. Es wummert, dass man schleunigst einen Gang raufschaltet, oder – falls bereits im sechsten – auf weiteren Tempozuwachs verzichtet. Mit anderen Worten: Laufruhe gehört nicht zu den Stärken des Vierzylinders – kein Wunder, denn auf die beruhigende Wirkung von Ausgleichwellen muss er (anders als der Mercedes) verzichten.
Überhaupt sieht der Turbo auf dem Papier besser aus als im praktischen Umgang. Im mittleren Drehzahlbereich agiert er zäh, und schmecken lässt er es sich auch. Im Testzyklus verbraucht der Insignia 9,7 Liter pro 100 Kilometer, der Mercedes begnügt sich mit 9,0 Litern. Auch sonst beweist ein C 200, dass er zumindest in puncto Antrieb einen adäquaten Mehrwert bietet. Sein Vierzylinder, im Leerlauf praktisch unhörbar, begnügt sich selbst unter Volllast und bei hohen Touren mit dezentem Grummeln und zieht im gesamten Bereich gleichmäßig durch. Kein Asphaltbrenner, aber alles in allem sehr angenehm. Was den fahrdynamischen Part betrifft, präsentiert sich der Insignia indessen bestens gerüstet.

Am Ende kann sich die C-Klasse nur knapp gegen den Insignia durchsetzen

Opel Insignia Mercedes C-Klasse
Mit "FlexRide" verfügt er über ein Fahrwerkssystem, das per Tastendruck nicht nur die Dämpfung, sondern auch die Lenkung strafft. Außerdem rollte das Testauto auf 18-Zoll-Rädern (850 Euro). All das macht den Opel erfreulich kurvenwillig, wobei er erst spät über die Vorderräder nach außen schiebt. Wenn hier etwas die Fahrfreude dämpft, dann in erster Linie die gefühlsarme Lenkung, die den Fahrer zu sehr vom Geschehen entkoppelt. Auch auf diesem Gebiet vermag der Mercedes aufzutrumpfen. Seine Lenkpräzision lässt nichts zu wünschen übrig. Als Hecktriebler verkneift er sich außerdem jegliche Antriebseinflüsse und benimmt sich bei forcierter Kurvenfahrt noch ausgewogener. Das alles kann einem den Mercedes-Mehrpreis wert sein, muss es aber nicht. Und wenn das Geld mit in die Bilanz eingeht, rückt der Insignia dem Stern verdammt dicht aufs Blech.
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