Deutsch-japanisches Doppelduell

Nie zuvor keimte der Automarkt mit vielfältigeren Blüten: SUV, Crossover, Van, Lifestylekombi, Retroroadster und, und, und ... Es lebe die Individualität! Kein Wunsch bleibt unerfüllt. Jedem Typ seinen Ego-Schlitten. Oder?

Es wird Zeit, sich zu besinnen. Klare Gedanken gegen verwirrende Vielfalt enden häufig bei der klassischen Limousine. So eintönig wie ein Rapsfeld in voller Maiblüte, mag da mancher einwenden. Doch objektive Argumente sprechen für ein konservatives Stufenheck: großer Kofferraum, viel Platz, guter Komfort, solide Qualität. Diese Karosserieform hat handfeste Vorteile. Keine Experimente, gesucht werden ehrliche Grundtugenden. Aber wo liegt die goldene Mitte?

Gar nicht so einfach. Die Auswahl in der Mittelklasse ist riesig, fast jeder Hersteller vertreten. Streicht man die Premiummarken oben und koreanische Preisbrecher unten, verdichtet sich das Feld. Zum Beispiel auf Ford, Opel, Mazda, und Toyota – ein deutsch-japanisches Doppelduell. Mondeo und Vectra als Traditionalisten, Mazda6 und Avensis als ehrgeizige Emporkömmlinge.

Auf den ersten Blick ein Kampf unter Spießern. Dass alle vier auch noch mit Diesel- Vierzylindern motorisiert sind, macht den Vergleich spannend wie einen Heimatfilm im Sonntagnachmittagprogramm. Sollte man glauben. Aber: Weg mit den Vorurteilen!

Im Avensis herrscht luxuriöses Ambiente

Jedes Modell hat seine eigene Note. Zum Beispiel die Rückleuchten: Hier kämpfen die Designer mit pfiffiger Stilistik gegen limousinenhafte Uniformität. Mit Erfolg. Ob Dreieck oder Säule, ob Klarglas- oder Kreisoptik, das Bemühen nach individueller Erscheinung ist offensichtlich. Auch bei der Front.

Besonders der Avensis imponiert mit seinem chromgefassten Dreileistengrill. So rückt er seiner adeligen Lexus-Verwandtschaft sichtlich näher als dem schnöden Corolla-Camry-Clan. Innen herrscht luxuriöses Ambiente. Sorgsame Verarbeitung an der Grenze zur Perfektion, sehr gute Qualitätsanmutung, einwandfreie Bedienung – fast schon Oberklasse.

Die Zeiger und Ziffern der so genannten Optitron-Instrumente werden von Leuchtdioden illuminiert. Das sieht nicht nur edel aus, sondern die Rundinstrumente sind dadurch hervorragend ablesbar. Weniger perfekt sind die Sitze. Die Höhen- und Lehnenverstellung erfolgt über gewöhnungsbedürftige Ratschenhebel statt über Drehräder. Zudem können groß gewachsene Fahrer das Gestühl nicht tief genug absenken.

Alle erdenklichen Fahrsituationen meistert der Avensis dafür souverän. Bei kritischen Manövern allerdings ist die Lenkung zu leichtgängig. Zum Glück greift das serienmäßige ESP früh helfend ein und ermahnt den Fahrer mit einem pulsierenden Piepton zu mehr Disziplin. Auf schlechten Straßen wirkt das Fahrwerk einen Tick zu ruppig.

Vectra auch ohne Common-Rail sparsam

Beruhigend dagegen der Motor. Mit kaum wahrnehmbarem Dieselnageln bewegt er den knapp 1,5 Tonnen schweren Viertürer ohne Tadel und bemerkenswert sparsam. 6,7 Liter konsumierte der Toyota auf unserer genormten Verbrauchsrunde. Ein Bestwert, der mit voller Punktzahl belohnt wird.

Einen Wettbewerbsvorteil hat der Avensis dadurch nicht. Alle vier Diesel geizen vorbildlich mit dem Sprit, sind technisch weitgehend identisch. Einzig der Vectra hat noch keinen Common-Rail-Motor und mit 2,2 Litern den größten Hubraum. Kein Nachteil: Mit 6,9 Liter Verbrauch liegt er auf dem Niveau der Konkurrenten.

Dafür patzt der Vectra beim Platzangebot. Hinten bietet er weniger Sitzkomfort als Mazda und Ford, die beide Bestwerte erzielen. In dieser Klasse sehr wichtig, da auf Langstrecken die Bewegungsfreiheit für vier oder fünf Personen eine große Rolle spielen kann. Immerhin bietet er das variabelste Raumkonzept. Für herausragende Vorteile ist der Opel weder zu loben, noch sind ihm gravierende Nachteile anzukreiden. Eine solide Drei eben. Als Schulnote wie bei der Platzierung.

Der Mazda6 bietet den besten Gegenwert

Vom Durchschnitts- zum Siegertyp. Der heißt – mal wieder – Mazda6. Da der Avensis in England gebaut wird, ist der Mazda genau genommen der einzige echte Japaner in diesem Vergleich. Zwar verliert er die Wertung der subjektiven Fahreindrücke und gewinnt auch nicht bei den Kosten- und Testwerten, trifft aber dennoch die goldene Mitte. Mit dem meisten Platz, der größten Zuladung sowie den stärksten Beschleunigungs- und Durchzugswerten bietet er den besten Gegenwert fürs Geld.

Wirklich spürbar sind seine Vorteile im Alltagsbetrieb beim Kofferraum. Niedrige Ladekante, hohe Zuladung und der gut nutzbare Platz unterm hübschen Heckdeckel heben ihn über seine Konkurrenten. Die reine Ratio ist eine Mazda-Tugend. Geht es ums Gefühl, sieht die Sache anders aus.

Die Sitze sind groß und gemütlich, der Raumeindruck üppig, die Qualitätsanmutung gut. Doch einmal in Bewegung, wirkt der Mazda eher kalt. Zu sachlich für seine elegante Karosserie. Temperamentsausbrüche sind ihm fremd. ESP ist wie beim Ford nicht serienmäßig, kostet 650 Euro Aufpreis und bedeutet somit Punktabzug.

Im Grenzbereich verhält sich der Mazda aber auch ohne Stabilitätssystem spursicher und bewältigt schnelle Wechselkurven problemlos. Allerdings verhärtet dann die Lenkung und erschwert präzise Fahrmanöver. Das können die anderen besser. Allen voran der Ford.

Kostenkapitel bremst den Mondeo (noch) aus

Der Mondeo ist die tragische Figur in diesem Vergleich. ESP kostet (noch) Aufpreis. Nicht nur bei Komfort und Fahrdynamik hat er seine drei Mitbewerber im Griff – er bremst auch erheblich besser. Dennoch landet er auf dem letzten Platz. Der Grund: Im Kostenkapitel verspielt er den bei den Messwerten und Testergebnissen herausgefahrenen Vorsprung. Bei Preis und Garantieleistungen ist der getestete Mondeo nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Ein unglücklicher Verlierer. Zu diesem Zeitpunkt. Das überarbeitete Modell startet schon im Juni, dann serienmäßig mit ESP und Klimaanlage zum alten Preis (Basismodelle).

Irgendwie pikant: Erster und Letzter kommen aus dem gleichen Haus, denn Mazda und Ford bilden eine strategische Partnerschaft. Nun macht der Junior den Altmeister nass. Wird es Zeit für einen Technologietransfer von Japan nach Köln? Eigentlich nicht. Denn dass der Ford ein ausgereiftes, gutes Auto ist, spürt der Fahrer im täglichen Betrieb. Keiner der getesteten Kandidaten ist agiler. Dem Kriterium Spaß-Diesel jedenfalls kommt er am nächsten und glänzt mit der besten Fahrwerkabstimmung: Ob enge Landstraßenkurven oder grobes Kopfsteinpflaster, der Mondeo meistert beides mit Bravour.

Seine Schattenseiten: Im Leerlauf nagelt der 115-PS-Motor vergleichsweise rau. Besonders beim Kaltstart. Und wer die Drehzahl vorm Einkuppeln nicht auf mindestens 1500/min erhöht, wird von einer nervigen Anfahrschwäche überrascht. Das muss nicht sein, wie Vectra, Avensis und Mazda6 zeigen.

Zwar ist auch bei ihnen auf den ersten Metern ein kleines Drehmomentloch zu spüren, doch nicht so schlimm wie beim Ford, bei dem schon mal völlig unerwartet der Motor abstirbt. Die Lösung: Unbedingt die Fünfgangautomatik (1975 Euro) bestellen, die sonst nur noch für den Vectra (1750 Euro) zu haben ist. So haben zumindest in diesem Punkt die beiden Deutschen die Nase vor dem aufmüpfigen Japan-Duo.

Technische Daten im Überblick

Sparsam sind alle vier. Für Autobahn-Schnellfahrer ist der Toyota erste Wahl. Er bleibt auch bei Vollast spürbar unter zehn Litern.

Kosten und Ausstattungen

Ford und Mazda verlangen für ESP 375 bzw. 650 Euro extra. Bei Opel und Toyota gehört das Stabilitätsprogramm zur Serienausstattung.

Fazit und Wertung

Fazit Nach hunderten Kilometern über Autobahnen, Landstraßen und im Stadtverkehr sowie ausgiebigen Fahrversuchen auf dem AUTO BILD-Prüfgelände stand für mich fest: Der Ford Mondeo ist Testsieger. Zurück im Büro, sah die Sache plötzlich ganz anders aus. Mit spitzem Bleistift zusammengerechnet, wird meine subjektive Rangfolge gründlich durcheinander gewirbelt. Der Mazda siegt auf dem Papier, gefolgt von Toyota, Opel. Mein Favorit Ford wird Letzter. Wie das? Es sind die Kosten. Bei den Garantie-Leistungen, der Wartung und beim Wertverlust kann der Mondeo nicht mithalten. Aber genau das ist wichtig bei dieser Sorte Auto. Schließlich konkurrieren hier keine lustbetonten Spaßsportwagen, sondern vernunftorientierte Diesel-Viertürer. Und bei denen geht's vor allem ums Sparen. Und das kann der Vectra am besten. Dass der Opel trotzdem nur Dritter wird, liegt am herausragenden Qualitätseindruck des Toyota, der beim Interieur mit seiner hochwertigen Anmutung punktet.