Diesel-Rattern statt Sechszylinder-Säuseln

Eine Katze muss schnurren, fauchen oder brüllen. Aber brummen oder knurren? Nein, derartige Geräusche wollten bislang nicht zum feinen Image der Marke Jaguar passen. Die Sechs- und Achtzylindermotoren schlapperten bislang Super-Sprit. Sonst nichts. Basta!

Das ist vorbei. Jetzt stimmt Jaguar ein in den Chor der edlen Diesel-Nagler. Im X-Type werkelt ab sofort der erste Selbstzünder der Firmengeschichte. Ein Zweiliter-Turbodiesel mit Common-Rail-Einspritzung, die maximal 1400 bar Druck erzeugt. Klar: Ein dieselnder Jaguar ist gewöhnungsbedürftig. Statt Sechszylinder-Säuseln rattert der Ölmotor vernehmbar vor sich hin. Aber warum eigentlich nicht? Bei der Sportmarke Alfa Romeo gibt es Selbstzünder schon seit 1976 (Giulia Diesel), Cabrios nageln mit ihnen durch die Gegend und seit kurzem auch der Mini. In der Mittelklasse wird bald mehr als die Hälfte aller Modelle von einem Diesel angetrieben.

Da kann und will Jaguar nicht abseits stehen. Aber ist der Neuling gut genug, um gegen die deutsche Premium-Konkurrenz zu bestehen? Die Vorzeichen sind negativ. Noch nie konnte ein X-Type einen AUTO BILD-Vergleich gewinnen. Bei den bisherigen Kräftemessen wurde der Jaguar jedes Mal Letzter. So viel vorweg: Er schafft es wieder nicht. Mercedes-Benz C 200 CDI, BMW 320d und Audi A4 1.9 TDI legen die Messlatte zu hoch.

X-Type ist ein hübsch angezogener Mondeo

Bei genauer Betrachtung entpuppt sich der X-Type als hübsch angezogener Ford Mondeo. Rund 20 Prozent seiner Teile stammen aus dem Regal der Konzernmutter. Machten sich die Ingenieure bei den Benzinern noch die Mühe, Leistung und Drehmoment der Ford-V-Motoren speziell für Jaguar anzupassen, übernehmen sie beim X-Type 2.0D das Aggregat des Mondeo TDCi fast unverändert.

Leistung (130 PS) und maximales Drehmoment (330 Newtonmeter) bleiben mit dem Ford-Motor identisch. Trotz seiner wenig exklusiven Herkunft passt das Triebwerk gut in den kleinen Jaguar. Beschleunigungs-, Elastizitäts- und Verbrauchswerte liegen voll auf Höhe der Konkurrenten. Sauber tritt er an und beschleunigt harmonisch durch alle fünf Gänge. Die Motordämmung ist okay. Dennoch wird der Fronttriebler bei hohem Tempo laut. Er hat eben nur fünf Gänge, ist dadurch kürzer übersetzt und dreht deutlich höher als die Konkurrenten. Dazu dringen ab 160 km/h erhebliche Windgeräusche nach innen, und bei schneller Autobahnfahrt wird der Vorderwagen nervös.

Das Blechkleid des X-Type ist hübsch und hebt ihn wohltuend von seinen Gegnern ab. Leider ist die elegante Stilistik nicht überall konsequent. So sitzen die Sensoren der Einparkhilfe in einer hässlichen Plastikleiste, die unterm Heckstoßfänger wie ein Fremdkörper wirkt. Die Lenkung des X-Type arbeitet erfreulich direkt, auch wenn vom Geschehen unter den Vorderrädern wenig an den Fahrer gemeldet wird. Bei Fahrversuchen konnte der Testwagen nicht überzeugen. Zwar verhinderte das Serien-ESP zuverlässig Dreher, doch Quietschgeräusche von der Voderachse entlarvten Verarbeitungsmängel.

Der Audi A4 schwächelt beim Anfahren

Die Federung arbeitet anständig. Ebenso die Bremse, obwohl das Pedalgefühl fester sein dürfte. Auf schlechten Straßen poltern die Achsen. Es gilt also immer noch: Einem Jaguar muss man Mängel verzeihen. Ob wellige Kofferraumverkleidung oder ungleiche Spaltmaße im Armaturenträger – der X-Type braucht ein tolerantes Auge. Außerdem sind die Instrumente nicht gut abzulesen, ist der Schalter für die elektrischen Außenspiegel fummelig zu bedienen. Sein größtes Manko bleibt das Platzangebot auf den Vordersitzen. Obwohl mindestens zwölf Zentimeter länger sowie auch breiter als BMW, Mercedes-Benz und Audi, bietet er für Fahrer und Copilot den wenigsten Raum. Nervig: Der geringe Öffnungswinkel der Fondtüren erschwert das Ein- und Aussteigen der Hinterbänkler.

Diese Probleme gibt es bei Dreier, C-Klasse und A4 nicht. Alle drei bieten vorn üppig Platz, solide Qualität und gute Fahrleistungen. Konstruktiv steht der Audi dem Jaguar am nächsten. Sein Vierzylinder leistet ebenfalls 130 PS und treibt die Vorderachse an. Das raue Laufgeräusch des längs eingebauten Pumpe-Düse-Motors ist noch zu verschmerzen. Seine Anfahrschwäche dagegen weniger. Wer nicht genug Gas gibt, würgt den Motor ab.

Das Audi-Fahrwerk ist komfortabel abgestimmt. Kopfsteinpflaster und Bodenwellen bringen ihn nie aus der Ruhe. Im Testwagen trübten jedoch ungewohnte Knistergeräusche aus den Türen den guten Eindruck. Unter den vier getesteten Limousinen hat er das unaufregendste Fahrverhalten. In schnell gefahrenen Kurven taucht der Vorderwagen ab, und der A4 kommt untersteuernd etwas träge aus der Ecke.

Mercedes-Benz-Motor ist ein Glanzstück

Das können Mercedes-Benz und (vor allem) der BMW besser. Beides sind Hecktriebler. Erstaunlich: Obwohl der C 200 CDI mit 122 PS den schwächsten Motor aufbietet (der C 220 wäre in diesem Vergleich zu teuer), beschleunigt er bärenstark. Seine Null-auf-100-Werksangabe übertrifft er sogar um mehr als eine Sekunde und erreicht fast den Wert des 21 PS stärkeren C 220 CDI.

In dieser Wagenklasse sind aber andere Kriterien wichtiger. Kosten, Komfort und Kopfairbags zählen mehr als Krach, Kavalierstarts und Kurvenkünste. Der leise Mercedes-Benz-Motor ist ein Glanzstück. Erst kürzlich haben die Stuttgarter das Common-Rail-System optimiert. Es spritzt den Diesel nun mit 1600 bar in die Brennräume und erhöht die Leistung um sechs PS.

So erstarkt, klingt der CDI kehlig und läuft angenehm geschmeidig. Sein auf 270 Newtonmeter (plus 20) erhöhtes Drehmoment erreicht er schon bei 1400/min. Das ist zu spüren: Sofort nach dem Einkuppeln tritt der Benz kräftig an. Sein komfortables Fahrwerk ist nahezu perfekt abgestimmt. Gut entkuppelt rollt der Mercedes-Benz über Straßenunebenheiten, wirkt aber bei forscher Fahrweise straff und agil – ein idealer Kompromiss. Das Interieur ist hochwertig, doch erreicht es nicht das Niveau des tadellos verarbeiteten A4. Einzelne Details müssten besser sein. Beispiel Fondlampe: Die im Dachhimmel montierte Leuchte wirkt einfach billig.

BMW bietet ein sparsames Sportmodell

Bei einem Grundpreis von 27.608 Euro guckt man natürlich genau hin. Das gilt auch für den fast gleich teuren BMW 320d. Nominell ist der Dreier allen Testkonkurrenten überlegen. 150 PS liefert sein Turbodiesel an die Hinterachse und stürmt damit bei den Beschleunigungswerten an die Spitze.

Seine Durchzugskraft ist so souverän, dass dem 320d kein anderer Vierzylinder davonfahren kann. Durch die Stadt lässt er sich schaltfaul bewegen. Ausgezeichnet ist er beim Zwischenspurt auf der Autobahn. Noch besser seine Bremsen: Nur 35,5 Meter von 100 km/h auf null sind ein sensationeller Wert, den sonst nur Sportwagen erreichen. Gut dazu passen das straffe Fahrwerk sowie die sehr direkte Lenkung. Ebenfalls für eine sportliche Fahrweise ist das ESP ausgelegt. Agiler kann man mit einem Diesel nicht unterwegs sein. Wer also ein sparsames Sportmodell sucht, muss zum BMW greifen.

Dass darunter der Komfort leidet, liegt auf der Hand. Schlaglöcher und Querfugen verarbeitet die Federung spürbar robuster als die C-Klasse. Beim Nutzwert des Dreiers gibt es Einschränkungen: Sein Kofferraum ist vergleichsweise mickrig und verträgt nur wenig Zuladung. Innen ist alles auf den Fahrer zugeschnitten. Bedienung? Einwandfrei. Das Handschuhfach ist eher klein. BMW-Fans dürfte das indes wenig stören. Doch Kleinigkeiten machen am Ende den Unterschied. Und der formale Auftritt natürlich. Hier sieht der Jaguar großartig aus. Trotzdem ist er kein Gewinner.

Technische Daten und Testwerte

BMW top, Audi Flop: Der 320d bremst verblüffend gut und nimmt allen Konkurrenten gleich mehrere Meter ab. Die A4-Brenmse ist dagegen mit mehr als 41 Metern zu schwach.

Kosten und Ausstattungen

Beim Kostenkapitel macht der Audi das Rennen: Die im Vergleich geringere Versicherungs-Einstufung, der relativ niedrige Anschaffungspreis und die gute Komfortausstattung sprechen für den A4.

Fazit und Wertung

Fazit Keine Frage: Dieser Jaguar macht einen Satz nach vorn. Bei den Testwerten kann er den Audi A4 überholen. Unterm Strich verliert er dennoch eindeutig gegen das deutsche Trio. Dass es das Einstiegsmodell der britischen Nobelmarke jetzt auch mit Dieselaggregat gibt, ist trotzdem ein Gewinn. Formal hebt es sich von seinen überlegenen Konkurrenten angenehm ab. Als Dienstwagen für den Barbourjacken-Vertreter oder den Geschäftsführer der Harrods-Filiale im Frankfurter Flughafen taugt der X-Type 2.0D allemal. Die Diesel-Katze bietet britisches Understatement in automobiler Form. Nie war es billiger, einen Jaguar zu fahren. Zwischen BMW und Mercedes-Benz reduziert sich die Entscheidung fast ausschließlich auf Geschmacksfragen. Der Audi kann bei Platzangebot, Fahrleistungen und Fahrgefühl nicht mithalten.