Finanziell besser gestellte Familienoberhäupter mit hoher Affinität zu sportlichen Autos haben es mitunter nicht leicht. Um ihrem Hang gerecht zu werden, stehen so meist zwei Autos in den heimischen Garagen. Ein vernunftbetontes, oft mit viel Platz für Kind und Kegel, das auch für den Familienurlaub ausreicht. Das andere dient meist mehr dem Spieltrieb, von Vernunft kann dann in vielen Fällen keine Rede mehr sein. Den Spaß zu teilen, den die oft nur zweisitzigen Zweitfahrzeuge bieten, fällt dann schwer, und zumindest einem Teil der Familie bleibt so nichts anderes übrig, als den glücklichen Insassen des Spaßmobils zum Abschied wehmütig mit dem Taschentuch hinterherzuwinken. Schon lange sind sich viele Automobilhersteller dieses Dilemmas bewusst und haben bei ihren Volumenmodellen eine Version im Programm, die sich leistungstechnisch wie fahrdynamisch vom Rest der Modellfamilie deutlich absetzt. Wir versammeln die vier heißesten Allrad-Kombi-Vertreter der deutschen Mittelklasse zu einem Schlagabtausch.

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BMW 335i xDrive Touring
Topmodell: Das Fehlen eines M3 Touring macht den 335i zur Leistungsspitze.
Bei Audi sind es die S-Modelle, die den Leistungshunger befriedigen sollen. Jüngstes Mitglied der erlesenen Familie ist der 333 PS starke S4 Avant. Bei VW stammen die Topmodelle aus der R-Reihe. Den PS-Zenit markiert bei den Wolfsburgern der Passat R36 mit 300 PS. Auch aus München ist man Sportlichkeit gewohnt. Bei BMW sorgt eigentlich die M GmbH für die richtige Portion Adrenalin, bis dato konnte man sich aber noch nicht zu einer Touring-Variante des M3 durchringen, und dabei wird es nach aktuellem Kenntnisstand auch bleiben. So gesellt sich ein normales – allradgetriebenes – Modell der 3er-Reihe zu unserem Vergleich, wobei sich der 335i xDrive mit seinen 306 PS nicht zu verstecken braucht. Last but not least begrüßen wir seit diesem Jahr ein neues Mitglied in der dynamischen Mittelklasse: den $(LEhttps://www.autobild.de/artikel/update-opel-insignia-opc-sports-tourer_905461.html:Opel Insignia OPC)$, der mit seinen 325 PS – abgesehen vom exotischen, 377 PS starken Lotus Omega (1990-93) – der stärkste Serien-Opel aller Zeiten ist.

Bei aller Perfektion lässt der S4 Avant ein Stück weit Seele vermissen

Audi S4 Avant
Sensationell: Kraftentfaltung und Laufruhe des S4-Motors begeistert rundum.
Schon im Vorfeld mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht, sind wir auf ihn besonders gespannt. Kann er die Phalanx, bestehend aus Audi, BMW und VW, sprengen? Zumindest auf dem Papier hat er das Zeug dazu. Nur der Audi weist noch ein paar PS mehr unter der Haube auf. Im Gegensatz zum S4-Vorgänger wurde der Motor im aktuellen Ingolstädter um zwei Zylinder beschnitten. Dem aktuellen Trend folgend, wird der V6 jetzt von einem Kompressor zwangsbeatmet. Was Audi da aus dem Entwicklerhut gezaubert hat, ist wirklich erstaunlich. Die Laufruhe des V6 erscheint wie von einem anderen Stern. Zwischen 2900 und 5300/min stehen üppige 440 Nm Drehmoment parat. Dabei zeigt sich das Triebwerk von den über 1,8 Tonnen Leergewicht der Kombikarosse auch bei Tempi über 200 km/h nahezu unbeeindruckt. So technisch vollkommen sich der S4-Motor auch präsentiert, etwas fehlt ihm doch: Bei aller Perfektion lässt er ein Stück weit die Seele vermissen. Im Ganzen wirkt er zu steril, fast schon synthetisch – kein Vergleich zum rauen, lebendigen Naturell des V8-Vorgängers.
Auch der BMW 3er bietet mit seinem aufgeladenen Reihensechser Laufkultur vom Feinsten. Er geht sogar noch ein bisschen feinfühliger zu Werke als der Audi. Dass zwischen beiden fast 30 PS Unterschied liegen sollen, können wir fast nicht glauben – auch im oberen Geschwindigkeitsbereich kann er gut mit dem Audi mithalten. Aber nur auf der Autobahn. Auf der Rennstrecke sieht es anders aus. Hier spielt der Audi den Vorteil des optionalen Drive Select Systems mit adaptiver Dämpferregelung aus. Auf unserer Teststrecke, dem Sachsenring, durcheilt der S4 fast alle Kurvenpassagen mit deutlich höheren Geschwindigkeiten. An der Vorderachse bietet der Audi deutlich mehr Grip; der BMW 335i zeigt hier einen Hang zum Untersteuern. Zudem gibt sich das Audi-Heck deutlich lebhafter, was sich besonders bei der Einfahrt ins Omega als Vorteil erweist – leicht quer in die Kurve hinein und dann fast gerade wieder heraus. Dass die Uhr am Ende nach 1:43,83 min stehen bleibt, verwundert uns angesichts der starken Audi-Performance nicht. Mit 1:47,57 hat der BMW hier das Nachsehen.

Trotz des hohen Gewichts ist der Insignia Sports Tourer nicht langsam

Die 1:47,52-Zeit des Insignia OPC ist nur minimal schneller als die des Touring. Mit 1880 Kilogramm Leergewicht verkörpert er das schwerste Auto in unserem Vergleich. Allerdings hat der Opel stark mit seiner Kopflastigkeit zu kämpfen. Auch er schiebt in engen Kurven massiv über die Vorderräder, da hilft selbst der OPC-Modus der Dämpferregelung nicht weiter. Das ist auf der einen Seite sicher, dem Fahrspaß aber nicht wirklich zuträglich. Auch der Motor kommt mit dem Gewicht des Rüsselsheimers nicht sonderlich gut zurecht. Er dreht bei Weitem nicht so unbeschwert hoch, wie es Audi und BMW tun. Am Ende kann er den BMW aber in die Schranken weisen, was im Wesentlichen zwei Gründe hat: Zum einen kann er mit bissiger zupackenden Bremsen aufwarten, zum anderen mit einer um zwei Nummern größeren Rad-Reifen-Kombination. Wie der Insignia rollt auch der Passat R36 auf 19 Zöllern, allerdings gibt es diese bei ihm nur als Sonderausstattung, beim Opel sind sie Serie.

Der Passat R36 geht als einziger ohne Zwangsbeatmung ins Rennen

VW Passat Variant R36
Kopflastig: Beim Passat R36 spürt man den schweren Motor auf der Vorderachse.
Der Passat nimmt in unserem Vergleich eine kleine Sonderstellung ein, denn er ist der Einzige, der ohne Aufladung auskommt. Was bei ihm zählt, sind Hubraum und Drehzahl. Geht Ersteres noch in Ordnung, kann der 3,6-Liter in puncto Drehfreude weniger überzeugen; oberhalb von 5500 Touren wird der VR6 zäh. Man sollte also noch etwas früher – deutlich vor dem roten Drehzahlbereich – an der rechten Schaltwippe des nur mit DSG lieferbaren R36-Volants zupfen und lieber auf der Drehmomentwelle surfen. Die Drehmomentberge der drei aufgeladenen Motoren kann die Passat-Welle allerdings nicht überrollen. Das wird besonders in den Bergaufpassagen des Sachsenrings deutlich. Hier verliert der VW auf seine drei Konkurrenten wertvolle Zehntelsekunden. Daran, dass er am Ende mit 1:48,30 min die langsamste Zeit des Tages verbuchen muss, kann auch das adaptive DCC-Fahrwerk mit einem hervorragenden Sport-Modus nichts mehr ändern.
Weitere Details zu den sportlichen Kombis gibt es in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen technischen Daten und Tabellen finden Sie als Download im Heftarchiv.

Von

Sebastian Schneider