Zum Glück haben wir den Multivan, heißt es frohlockend bei "Volkswagen Nutzfahrzeuge" in Hannover. Man kann sie verstehen. Schließlich rollen rund 80 Prozent aller Bulli-Modelle mit reichlich Extras aus den Hallen am Mittellandkanal. Wie jeder weiß, bringen gerade die Sonderwünsche der Kunden gutes Geld in die Kasse. Auch wir blieben nicht ganz wunschlos, als es um die Ausstattung des Dauertestwagens ging. Eher im Gegenteil: Zum Grundpreis von 39.330 Euro für den 130-PS-Diesel kamen noch 2007 Euro für die Standheizung hinzu. Mit weiteren Extras wie Automatik, Climatronic, Navigationssystem, Anhängekupplung, Seitenairbags, Tür-Zuziehhilfen, Einparkhilfen und anderem kam unser Wagen auf stolze 56.230 Euro.

Auf einen Blick: alle AUTO BILD-Dauertests

VW T5 Multivan 2.5 TDI Comfortline
Klein-Bus: Der T5 ist so groß wie eine Braunkohle-Baggerschaufel.
Teuer? Ja. Aber der Blick zurück zeigt: Das hat Tradition. Der erste VW Bulli "Sonderausführung", der als Samba-Bus in die Autogeschichte einging, kostete vor nunmehr 57 Jahren 9025 Mark. Ein Arbeiter verdiente brutto 275 Mark im Monat, heute liegt er bei rund 2500 Euro. Einst hätte er also 33 Bruttoeinkommen für den Bus hinblättern müssen, jetzt müsste er für den Basis-Multivan (Startline, ab 28.715 Euro) nur zwölf Gehälter zu investieren. Doch genug gerechnet. Genau am 1. April 2005 nahm der "T5 Multivan 2.5 TDI Comfortline", so sein sperriger Name, bei uns seinen Dienst auf. Sein Umwelt-Manko, der fehlende Partikelfilter, wurde damals noch nicht so schmerzlich vermisst wie heute. Mittlerweile kann er in jeder Werkstatt nachgerüstet werden.
VW T5 Multivan 2.5 TDI Comfortline
Die Instrumententafel punktet mit sinnvoll angeordordneten Elementen. Typisch VW-vernünftig.
Zweiter Minuspunkt: der völlig unerotisch klingende Fünfzylinder-Diesel. Wenn der seine Drehmoment-Muskeln von 340 Newtonmetern bei 2000 Umdrehungen spielen lässt, ähnelt das akustisch mehr einer ungeölten Nähmaschine als einem 130-PS-Powermotor. Ein leises Singen verrät zudem, dass die Nockenwelle der Fünfzylinder in den Bullis von Zahnrädern (erspart den teuren Zahnriemen-Austausch!) angetrieben wird. Zum Glück werden alle Geräusche ab Tacho 120 vom Winde verweht. Ein großes Lob der Klimaanlage, die auch aus der B-Säule und der Decke Kühlluft spendet. Kollege Willi Kock stand einmal vor dem Elbtunnel im Stau, das Außenthermometer zeigte 41 Grad, und er notierte: "Im Wagen war das Klima bei nur leicht aufgedrehtem Gebläse angenehm kühl."

Die Fondpassagiere finden keinen Halt

VW T5 Multivan 2.5 TDI Comfortline
Praktisch: Die Sitze in der zweiten Reihe sorgen dank Drehmechanik für gute Unterhaltung(en) im Fond.
Zusammen mit der erstaunlich komfortablen Federung (nur leer stuckerte die Vorderachse des Öfteren) und dem problemlosen Fahrverhalten verführen sie den Fahrer zu sportlicher Fahrweise. Was Hinterbänkler auf der Dreierbank dann aber mit Protest quittieren, denn sie pendeln ziemlich haltlos hin und her. Klare Erkenntnis: Ab fünftem Gast ist sanftes Fahren zu empfehlen. Dazu passt natürlich auch die Sechsstufen-Getriebeautomatik, die allerdings unschön arbeitet. Sie gibt sich beim schnellen Beschleunigen (Kick-down) unwillig, auf Runterschaltbefehle in der manuellen Schaltgasse reagiert sie auch nur trotzig und mit Verzögerung. Immerhin aber liefen Getriebe und Maschine zuverlässig wie das berühmte Uhrwerk.

Super statt Diesel

Weniger cool zeigte er sich bei starkem Regen: Wasser überschwemmte die vorderen Seitenfenster (mittlerweile geändert). Keine Kritik gibt es an den beiden Einzelsitzen in Reihe eins und zwei. Sie bieten guten Seitenhalt auch dank zweier Armlehnen, die Stühle in der zweiten Reihe sind sogar drehbar. Nur einmal blieb es fast stehen, als Redakteur Andreas Borchmann in der Tankhektik zur Super- statt zur Superdiesel-Pistole griff. Er bemerkte den Fehler erst, als der Motor an Ampeln immer wieder ausging. Die Reparatur dieses Versehens sollte auf 594 Euro kommen, die hier in der Gesamtrechnung natürlich nicht auftauchen. Einen zweiten Schaden erlebte Testredakteur Gerald Czajka während der Weihnachtsfeiertage kurz hinter Hamburg.

Konnte bei Glasbruchschaden nicht weiterhelfen: die VW-Hotline

Wie ein Geschoss traf ein lebensmüder Greifvogel die Windschutzscheibe auf der Fahrerseite. Ideal, um die VW-Hotline zu testen. Die wusste nicht, wo auf die Schnelle eine neue Scheibe zu bekommen wäre. (Die Reparatur kostete später übrigens 530 Euro.) Ganz anders der Notruf bei "Carglass" – fachkundig fragte die Service-Mitarbeiterin nach Extras wie etwa einem Regensensor und sah im Computer, dass zwei Filialen im Rheinland die Scheibe am Lager hatten. Toller Service, aber für Gerald leider ein bisschen weit weg. Viel näher liegt uns die Kritik am Multivan-Raumkonzept. Der Clou sind die im Boden eingelassenen Schienen, auf denen sich die Möbel hin- und herschieben lassen.

Bank-Krise im Heck

Das haben sich die Ingenieure zwar super ausgedacht, in der Praxis aber wurde das System oft verflucht. Beispiel Kofferraum beladen. Gepäckstücke zu groß? Die Sitzbank lässt sich nicht einfach von hinten her verschieben. Nein, dazu muss der Fahrgast eine seitliche Schiebetür öffnen und einen von zwei Hebeln ziehen. Doch der mit dem Verschiebesymbol hilft kein Stück, denn er reagiert erst, wenn mit dem anderen die Lehne nach vorn geklappt wird. Wehe, der nunmehr ungeduldige Packer hat die Kofferraum-Jalousie vorher nicht ausgehakt – dann besteht bei älteren Multivan die Gefahr, dass deren Halter abbrechen. Uns ist das einmal passiert, danach entfernten wir die Jalousie für immer.

Die Sitze sind unfassbar

Das machten die meisten Fahrgäste übrigens auch mit dem "Multifunktionstisch im Fahrgastraum". Er kostet nicht nur 174 Euro (Serie im Highline), sondern auch etwas Bewegungsfreiheit. Doch bleiben wir beim Gestühl. Ikea-Kunden brauchen Platz, also raus mit den Sitzen. Wohl dem, der jetzt einen Möbelpacker kennt. Jeder Einzelsitz wiegt 39 Kilogramm, lässt sich zwar leicht ausbauen, aber kaum greifen und anschließend wegtragen. Und kompliziert ist auch der Wiedereinbau. Kleine Alustückchen wollen mit viel Geduld in die Ausbaulöcher der Bodenschienen reingepuzzelt werden. Eigentlich unzumutbar ist der Aus- und Wiedereinbau der Dreiersitzbank, die stattliche 89 Kilogramm wiegt und sich ebenfalls nicht richtig anfassen lässt.

Überzeugend: Verarbeitungs- und Materialqualität

VW T5 Multivan 2.5 TDI Comfortline
Im Heck sorgt ein zusätzliches Heiz- und Lüftungselement auch hinten für angemessenes Klima.
Außerordentlich gut gefiel uns die Verarbeitung, die von der VW-Nutzfahrzeugsparte profitiert. Denn Lkw-Kunden verlangen, dass ihre Wagen auch gewerbemäßig schlechte Behandlung gut überstehen. Das zahlt sich beim "Pkw" Multivan aus. Nur die Kunststoffteile im Innenraum könnten kratzfester sein und die Klemmen des Werkzeug-Wagenheberfachs solider. Teile wie die elektrischen Zuziehhilfen von Schiebetüren und Heckklappe (Aufpreise, aber die Nachbarn danken es für leises Schließen) arbeiteten problemlos wie auch die sehr angenehme Standheizung mit praktischer Fernbedienung.

Mehrmals Elektronik-Blackout

Einmal aber nagte der Kupferwurm: Techniker Manfred Klangwald wollte bei Kilometerstand 5050 auf Dienstreise gehen, als schlagartig Fensterheber, Temporegler, Heizung und Instrumentenbeleuchtung ausfielen, der Motor aber fröhlich weiterlief. Klangwald probierte es nach bewährter Computer-Art: Motor ausschalten, Schlüssel abziehen, etwas warten und wieder starten. Und siehe da, alles war wieder okay. Noch einige Male trieb der Bulli das Spiel mit uns, wir es ihm aber aus. Vermutlich gab die Batterie ein Überlastungssignal, was zur Sicherheit andere, "überflüssige" Verbraucher abschaltete. Ein Software-Update bei der ersten Wartung behob den Schaden für immer. Bei der Kennzeichenbeleuchtung reichte das nicht – sie musste einmal komplett ausgetauscht werden.

Regensensor ist kein Blitzmerker

Mit der Wischerautomatik hatten wir auch so unsere Problemchen: Sie arbeitete recht eigenwillig. Denn meist wischte sie zu schnell, bemerkte in einem Tunnel erst nach etwa 500 Metern, dass es nicht mehr regnet. So war der bewährte Hand-Einschaltbetrieb immer noch der beste. Bei den Reifen zeigte sich unser Multivan fast noch sensibler. Alle 20.000 bis 30.000 Kilometer fingen sie an, Geräusche zu machen, als habe der Wagen einen Radlagerschaden. Abhilfe brachten Reifenwechsel. Zum Glück hatten wir nie eine Reifenpanne. Wer sich davor fürchtet, sollte schon mal üben: Dreierbank nie ganz nach hinten schieben, sonst geht das Werkzeugfach nicht auf.

Der Liebling der Redaktion

Bei Dunkelheit unbedingt eine Taschenlampe bereithalten – besser aber ist es, gleich seinen Autoclub anzurufen. Die 21 VW-Multivan-Monate vergingen wie im Flug. Der Wagen gehörte zu unserem Alltag wie die tägliche Redaktions-Konferenz. Ob es zum Sportwagentest nach Oschersleben ging, ob mit Reifen zum Contidrom, mit Ketten in die Alpen oder den Fotografen auf einen Termin: Wenn Dienstreisen anstanden, dann wurde stets zuerst nach dem "Bulli" gefragt. Er war uns lieb und teuer. Womit wir bei der Abrechnung sind. Wer abschließend die Kosten vergleicht, der staunt über den gemessenen Testverbrauch von deutlich unter zehn Liter Diesel.

Teurer Dickkopf

VW T5 Multivan 2.5 TDI Comfortline
Viel zu sehen ist nicht vom Fünfzylinder-Motor. Dafür sind die Serviceöffungen gut erreichbar.
Dass in der Praxis über die 21 Monate im Schnitt 11,5 Liter pro 100 km durch die Pumpe- Düse-Elemente schossen, ist der forschen Fahrweise der Redakteure anzulasten, die es naturgemäß oft eilig haben. Wagengröße, Stirnfläche und das Gewicht drücken halt auf den Verbrauch und damit auf die Kilometerkosten, die mit 23 Cent pro Kilometer recht kräftig ins Geld gehen. Zum Vergleich: Der VW Touran 2.0 TDI kostete nur 16 Cent pro Kilometer. Auch die Wartungskosten unseres Bullis fielen relativ hoch aus (siehe Tabelle), dafür musste der Multivan dank Longlife-Service aber nur viermal in die Werkstatt. Das Basismodell selbst ist relativ wertstabil – jedoch das viele Zubehör, das auch wir genossen haben, verliert deutlich schneller an Wert.

100.000 Kilometer locker weggesteckt

Und genau das ist die Chance für Zweitkäufer. Die wissen: Nach drei bis vier Jahren stabilisiert sich der Preis. Das war und ist bei allen Vorgängern schon immer genauso gewesen. So etwas sieht die Dauertest-Crew von AUTO BILD nicht alle Tage. Als die Unterbodenverkleidung im Motorbereich abgenommen wird, blicken wir auf fast saubere Aggregate. Motor und Getriebe sind völlig trocken, nicht einmal der leichteste Ölnebel schwitzt durch die Dichtungen. Beachtlich nach 21 Monaten hartem Redaktionseinsatz. Und so geht es weiter. Bei der Vermessung des zerlegten Motors notiert AUTO BILD-Sachverständiger Wolf Gudlat lauter Nullen bis in die dritte Stelle hinterm Komma. Logisches Fazit: null Verschleiß. Das trifft auch für das Automatikgetriebe zu. Ebenfalls ohne Makel: die perfekte Rostschutzvorsorge. Also alles topfit am T5? Nicht ganz. Diverse Kunststoffteile knacken lautstark, auf unebener Fahrbahn arbeitet die Karosserie hörbar in den Dichtungen, einige Verkleidungen sitzen nicht mehr perfekt. Bekannt und abgestellt, versichern die VW-Qualitätswächter.

Hersteller-Reaktionen: Das sagt VW...

... zum hohen Reifenverschleiß: "Bei allen für den Multivan freigegebenen Reifen kommt es nach unterschiedlichen Laufleistungen zu den auch am Testwagen aufgetretenen Verschleißbildern (Sägezahnbildung) und damit zu Geräuschentwicklung. Betroffen sind davon hauptsächlich die Reifen der nicht angetriebenen Hinterachse. Dies ist konstruktionsbedingt, an einer Lösung wird gearbeitet. Für Abhilfe folgender Tipp: Räder von Vorder- und Hinterachse tauschen, bei nicht laufrichtungsgebundenen Reifen sollten diese auf der Felge gedreht werden. Laufrichtungsgebundene Reifen sollten auf der Felge gedreht und zusätzlich auf die andere Seite montiert werden."
... zur Kennzeichenleuchte: "Das Problem ist bekannt und wurde seit Dezember 2005 durch Einsatz eines verbesserten Hitzeschutzes abgestellt."
... zu Elektrikstörungen: "Vermutlich lag kurzzeitig eine Unterspannungssituation vor. Das Lastmanagement sieht dann zum Schutz der Starterbatterie eine vorübergehende Abschaltung von diversen Komfort-Verbrauchern vor (Climatronic, Audioanlage, Fensterheber usw.)."
... zur umständlichen Handhabung von Sitzen und Rückbank: "Die Sicherheit der Passagiere hat auch bei Sitzen und Rückbank im Multivan für VW oberste Priorität. So ist konstruktiv sichergestellt, dass es ausgeschlossen ist, die Rückbank während der Fahrt gewollt oder ungewollt zu verschieben. Es wird allerdings zukünftig die Möglichkeit geben, die Rückbank vom Kofferraum aus zu entriegeln und diese dann von dort leichter dem Bedarf entsprechend zu positionieren."

Fazit

von

AUTO BILD
Was macht den T5 trotz großer Konkurrenz immer noch so konkurrenzlos? Da ist die Tradition. Der VW Bus ist Erfinder der heute „Van“ genannten Auto-Klasse. Da ist die legendäre Zuverlässigkeit, die er auch hier bewies. Da ist neben seiner Vielseitigkeit aber vor allem sein Charakter, den Kollege Borchmann treffend so beschrieb: "Wer entspannt reisen will, der sollte Bulli wählen. Er entwickelt ein ganz spezielles Bordleben – irgendwo zwischen Wanderzirkus und Partyzelt." Dem ist nichts hinzuzufügen.

Von

Manfred Klangwald